#1

Befristungen

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 29.05.2018 00:28
von Anthea | 12.406 Beiträge

Oder: Alles ist möglich!?

Ich hatte so verstanden, dass die Unsitte andauernder Befristungen zu Lasten einer Festanstellung unterbunden werden sollten. Sprich: Dass Arbeitnehmer schneller in eine unbefristete Tätigkeit übernommen werden müssen. Und dass es einen klar umrissenen Grund für die Befristung geben müsse. Aber es gibt immer weiter die Schlupflöcher der Art: Nichts ist unmöglich. Und Arbeitnehmern wird weiterhin die Sicherheit fehlen.

So heißt es in einem Urteil des LAG Rheinland-Pfalz, 4Sa 48/14: Ein befristetes Arbeitsverhältnis „mit Sachgrund“ kann auch eingegangen werden, wenn die eingestellte Person nicht auf dem Arbeitsplatz arbeiten soll, der (hier durch Schwangerschaft) für eine bestimmte Zeit freigeworden ist. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz stellt fest: Der Sachgrund und die Vertretung setzt nicht voraus, dass der befristet eingestellte Mitarbeiter die Aufgaben der vorübergehend ausfallenden Stammkraft erledigt. Vielmehr kann der Vertreter auch mit anderen Aufgaben betraut werden.

Diese "Logik" erschließt sich mir nun wirklich nicht. Ganz besonders nicht im Hinblick auf Verbesserungen für Arbeitnehmer.

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Um das Herz und den Verstand eines anderen Menschen zu verstehen, schaue nicht darauf, was er erreicht hat, sondern wonach er sich sehnt. (Khalil Gibran)
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#2

RE: Befristungen

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 29.05.2018 12:39
von Till (gelöscht)
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Ich stelle mir das so vor: Mitarbeiterin A geht in Schwangerschaftsurlaub. Mitarbeiter B wird als Ersatz zeitlich befristet eingestellt. Da er nicht die Ausbildung hat, die Arbeiten von A zu übernehmen, werden diese von anderen Mitarbeiter(inne)n ausgeführt, die B im Gegenzug von einfacheren Aufgaben entlastet. Und das wäre mMn legal.



zuletzt bearbeitet 29.05.2018 12:41 | nach oben springen

#3

RE: Befristungen

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 29.05.2018 13:19
von Anthea | 12.406 Beiträge

Zitat von Till im Beitrag #2
Ich stelle mir das so vor: Mitarbeiterin A geht in Schwangerschaftsurlaub. Mitarbeiter B wird als Ersatz zeitlich befristet eingestellt. Da er nicht die Ausbildung hat, die Arbeiten von A zu übernehmen, werden diese von anderen Mitarbeiter(inne)n ausgeführt, die B im Gegenzug von einfacheren Aufgaben entlastet. Und das wäre mMn legal.


Danke für die Antwort. Das ergibt Sinn.
Allerdings ist es dann natürlich durchaus für die Firma möglich, ganz "legal" befristete Arbeitsverhältnisse abzuschließen, so es um einen anderen Bereich geht, der durchaus mit einem Dauerarbeitnehmer besetzt werden könnte.
Ich denke mal, dass, so der AG selbst einstellt und "Befristung" attestiert, es für diesen kostengünstiger ist als wenn er sich eines Leihabeitnehmers bedienen würde. Und schnll "los" wird er diesen Mitarbeiter in beiden Fällen.

Die Frage ist natürlich auch eine der Bezahlung. Wenn der AG sich erst einmal auf eine Vertretung für z.B. einen Mitarbeiter im Versand beruft, dann wird er auch hierauf bezogen zahlen. So er den Mitarbeiter dann an einer höher dotierten Position einsetzt, hat er natürlich gespart gegenüber regulären Arbeitsverhältnisses, das er abschließen müsste.

Was ich jedenfalls finde ist, dass dieses Gemauschel nicht im Sinne eines Arbeitnehmers sein kann. Arbeitgerbreundlich.

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#4

RE: Befristungen

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 28.10.2018 12:26
von Findus (gelöscht)
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Du hast Recht, Anthea. Die Befristung im Betrieb ist günstiger als der Einsatz eines Leiharbeitnehmers. Denn auch die Zeitarbeitsfirma möchte ein wenig mitverdienen.


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#5

RE: Befristungen

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 28.10.2018 15:07
von Anthea | 12.406 Beiträge

Zitat von Findus im Beitrag #4
Du hast Recht, Anthea. Die Befristung im Betrieb ist günstiger als der Einsatz eines Leiharbeitnehmers. Denn auch die Zeitarbeitsfirma möchte ein wenig mitverdienen.


Die Zeitarbeitsfirma verdient natürlich gut an dem "Verliehenen".
Da liegst du richtig, dass es für den AG eine Rechenaufgabe ist, die zugunsten des Befristeten (bzw, zu dessen Ungunsten) ausfällt.

In dem Bereich wird seit Jahren gemauschelt. Angeblich ein Schlupfloch zugemacht, andere geöffnet. Ich denke da z.B. an die "Werksverträge".

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#6

RE: Befristungen

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 29.10.2018 00:03
von Gelöschtes Mitglied
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Die Politik versucht viel, um was einzudämmen, was man nicht eindämmen kann.

Faktisch wird ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nahezu immer los - eine Frage ist nur, ob es etwas mehr oder etwas weniger kostet.
Faktisch bestimmen die Lohnkosten am Arbeitsmarkt letzten Endes vor allem Angebot und Nachfrage.

Natürlich kann man mit starken Gewerkschaften, Betriebsräten und einigem mehr hohe Hürden auflegen - es bleibt aber die Frage, ob nicht das gesamte Anliegen schon fragwürdig ist.

Ein Arbeitgeber hat ein Problem - er hat einen Job, den er gerne vergeben möchte. Dafür ist er bereit, einen Preis zu bezahlen. Der Job ist aber zeitlich und auch im Preis begrenzt - welchen Sinn macht es hier, den Arbeitnehmer über alle Maßen zu schützen?

Besser wäre es, der Arbeitgeber müsste völlig mit offenen und ehrlichen Karten spielen - also genau sagen, was er vorhat. Der Arbeitnehmer könnte - müsste aber auch - frei entscheiden, ob er zu diesen Bedingungen den Job machen will, oder auch nicht.

Das geht natürlich nur, wenn der Arbeitnehmer dem scheinbaren Machtmonopol des Arbeitgebers was wirksames entgegen setzen kann. Dies ginge durchaus - ein BGE wäre schon mal ein guter Anfang.


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#7

RE: Befristungen

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 29.10.2018 09:19
von Anthea | 12.406 Beiträge

Zitat von Atue im Beitrag #6
Die Politik versucht viel, um was einzudämmen, was man nicht eindämmen kann.

Faktisch wird ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nahezu immer los - eine Frage ist nur, ob es etwas mehr oder etwas weniger kostet.
Faktisch bestimmen die Lohnkosten am Arbeitsmarkt letzten Endes vor allem Angebot und Nachfrage.

Natürlich kann man mit starken Gewerkschaften, Betriebsräten und einigem mehr hohe Hürden auflegen - es bleibt aber die Frage, ob nicht das gesamte Anliegen schon fragwürdig ist.

Ein Arbeitgeber hat ein Problem - er hat einen Job, den er gerne vergeben möchte. Dafür ist er bereit, einen Preis zu bezahlen. Der Job ist aber zeitlich und auch im Preis begrenzt - welchen Sinn macht es hier, den Arbeitnehmer über alle Maßen zu schützen?

Besser wäre es, der Arbeitgeber müsste völlig mit offenen und ehrlichen Karten spielen - also genau sagen, was er vorhat. Der Arbeitnehmer könnte - müsste aber auch - frei entscheiden, ob er zu diesen Bedingungen den Job machen will, oder auch nicht.


Das geht natürlich nur, wenn der Arbeitnehmer dem scheinbaren Machtmonopol des Arbeitgebers was wirksames entgegen setzen kann. Dies ginge durchaus - ein BGE wäre schon mal ein guter Anfang.



Dem Einfallsreichtum eines AG sind da kaum Grenzen gesetzt, was dessen Bestreben bezüglich der Entfernung eines Mitarbeiters anbelangt.

Es sind ja nicht die Lohnkosten allein, die ein großer Kostenbestand sind, es sind dazu noch die nicht unerheblichen Lohnnebenkosten. Und gerade kleine Firmen krebsen daran rum - und hier bereits an der Verpflichtung der Zahlung des gesetzlchen Mindestlohns.. So würde z.B. ein Handwerksmeister und Inhaber eines kleinen Betriebes oftmals sicherlich gerne seinem/seinen Mitarbeiter(n) mehr zahlen, aber es geht nicht.
Es gibt nicht wenige, die unbedingt Betrieb und MA halten wollen und sich selbst dann quasi geldlich "kasteien".

Mit "offenen Karten" spielt ein Arbeitgeber ja bereits, denn er erklärt den zu vergebenden Job als befristet. Und wird dann sicherlich dem Bewerber auch sagen, wo er ihn für eine begrenzte Zeit einzusetzen gedenkt. Und was er dafür zahlen will.
Das ist doch genug, was für Karten sollte er denn noch offen auf den Tisch legen?

Das ist richtig, dass es ein Punkt der bGE-Befürworter ist, dass sie dann mehr oder weniger einen Preis bestimmen würden, so sie einen Job annehmen wollten. Denn das "Erpressungsmonopol" des Arbeitgebers "willst du den Job nicht zu dem Preis machen, dann macht ihn ein anderer"...hätte sich dann verschoben.
Ob sich dann alles vernünftig einregulieren würde? Oder die arrogante Einstellung "habe ich nicht nötig" sich Raum verschaffen würde. Und bedeutete, dass eine bis dato im unteren Bereich bezahlte Arbeit plötzlich mit horrenden Dotierungsansprüchen bedacht würde? Und dann bleibt sie liegen. Und dann müssen ausländische AN ins Land geholt werden, die durch die Zahlung in ihren Ländern nicht so anspruchsvoll sind...
Alles hat sein "Für und Wider".

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#8

RE: Befristungen

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 30.10.2018 10:53
von Meridian | 2.860 Beiträge

@Anthea

Deswegen würde ich ein BGE nicht zu hoch ansetzen. Es soll ausreichen, den Grundbedarf zu decken und auch eine kleine Teilhabe an sozialen Leben. Ich stelle mir 1200€ vor. Es ist der Wert, bei dem man von Hartz4-Aufstockungen in vielen Fällen frei kommt (außer in München mit seinen sehr hohen Mieten). BGE soll das Nötigste decken, aber nicht mehr, so dass der Wunsch nach mehr Einkommen erhalten bleibt.

Da beim BGE die größte Angst ist, dass keiner mehr arbeiten will, schlage ich als Übergang ein dynamisches BGE vor, das anfangs nicht deckt, aber sich steigert, je länger man arbeitet (als Anreiz):
Von Geburt an: 400€
Ab der Einschulung: 500€
Ab der 6. Klasse: 600€
Wenn man den niedrigsten Schulabschluss hat: 700€*
Ab 18 Jahren: 800€

Das dynamische BGE erhöht sich dabei, je länger man arbeitet. Unter Vollzeitbedingungen sollte es pro Quartal um 10€ steigen, also pro Jahr um 40€ und pro Dekade um 400€. Nach 10 Jahren Vollzeit würde man 1200€ bekommen, nach 20 Jahren 1600€, nach 30 Jahren 2000€. So kann man auch bestimmen, wie hoch die Rente wird. Über 2000€ sollte es nicht mehr gehen. Wer mehr Rente will, kann ja einen Teil seiner Einkünfte in eine private Rentenvorsorge investieren. Nach 30 Jahren eine so hohe Rente, aber wird man in Zukunft überhaupt noch 30 Jahre Vollzeit arbeiten können, selbst wenn Praktika, Lehrzeit und sogar ehrenamtliche Tätigkeit bei der BGE-Berechnung als Arbeit gezählt werden? Denn die Automatisierung schreitet immer weiter fort.

Mindestlohn wäre in diesem Modell noch fällig, denn ein anfangs nicht kosten-deckendes dynamisches BGE kann zu übelstem Lohndumping führen. Ich schlage 6€ vor, bei Lehre und Praktikum 4,50€ pro Stunde. Klingt niedrig, ist aber der zusätzliche Verdienst zum BGE. Zu hohes BGE und zu hoher Mindestlohn haben die Gefahr einer starken Inflation.

Bei allen von mir angegebenen Zahlen ist der Inflationsausgleich nicht berücksichtigt. Nach 30 Jahren Arbeit sind 2000€ nicht mehr so viel wert wie aktuell. D.h. zusätzlich zur dynamischen Steigerung muss das BGE jährlich anhand der Preisentwicklung angepasst werden, was ja auch beim ALG2 gemacht wird. Denn die dynamische Steigerung soll ja eine reale Erhöhung sein.

Zeigt sich aber, dass die Menschen von sich aus gerne arbeiten, kann man dann auch ein von vorn herein kostendeckendes BGE einführen; der Mindestlohn kann dann wegfallen. Ein Inflationsausgleich ist auch hier zu berücksichtigen.


*Gymnasiasten bekommen die 700€ ab der mittleren Reife und nicht erst mit dem Abitur. Wer ohne Schulabschluss ist, bekommt mit dem 18. Lebensjahr nur 700€. Aber man kann ihn jederzeit nachholen auf Abendschulen, doch ohne Schulabschluss gibt es 100€ weniger. Natürlich soll es Härtefallregelungen geben, z.B. für Behinderte.


Die äußere Welt ist der Spiegel deines Inneren.


zuletzt bearbeitet 30.10.2018 10:53 | nach oben springen

#9

RE: Befristungen

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 31.10.2018 00:19
von Gelöschtes Mitglied
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Im Prinzip kann man die Höhe eines sinnvollen BGEs heute leicht ausrechnen.

Man nehme die Grundsicherung von 416€, lege darauf noch die Warmmiete für eine 30-50m² Wohung, darauf noch eine kleine Pauschale um das abzudecken, was an sonstigen Leistungen bei Hartz IV noch erstattet wird, und darauf legt man noch den Gegenwert einer Kopfpauschale für die Krankenversicherung und die Pflegeversicherung. Das ist das untere Ende.

Will man mehr Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen, legt man noch ein Taschengeld obendrauf.

Etwas schwierig wird es beim Thema Wohnraum - da hält man allgemein eine Wohnung von 45m² für eine alleinstehende Person für richtig - für jede weitere Person gesteht man weitere 15m² dazu.
Erschwerend kommt hinzu, dass Wohnraum deutlich unterschiedlich teuer ist.

Ein vernünftiger Ansatz, wenn man es allein über Geldleistungen machen will, sind damit sicher die auch von dir und vielen anderen inzwischen angedeuteten 1.200€. Oftmals werden Gegenfinanzierungsmodelle angeboten, die auch kostensteigernd beispielsweise bei der Grundsicherung wirken - dem entsprechend muss je nach Finanzierungsmodell noch ein wenig draufgelegt werden.


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#10

RE: Befristungen

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 31.10.2018 10:01
von Findus (gelöscht)
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Und was bringt Grundsicherung mit kleinem Taschengeld? Sicher, der Hartz IV - Antrag und die Sanktionen haben sich damit überholt. Mensch geht es aber immer noch nicht besser. So wird aus dem bGE eine neoliberale Karikatur seiner selbst.


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