#1

Altersarmut

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 04.11.2018 08:47
von Anthea | 12.406 Beiträge

Oder: Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan... Stichworte: nutzlos, geparkt und vergessen..

Ein trauriges Phänomen unserer reichen Gesellschaft.

Altersarmut
Ein Gedicht von Norbert Van Tiggelen

Warst das ganze Leben fleißig,
hast geschuftet wie ein Tier;
gönntest dir im Grunde gar nichts,
wenn, dann höchstens mal ein Bier.

Hast dir deinen süßen Hintern
für die Firma krumm gemacht.
Auch der Fiskus war zufrieden,
aber Vorsicht, nun gib Acht:

Jetzt im Alter musst du büßen,
teils mit Schmerzen, teils mit Hohn.
Denn die Rente, die dir zusteht
gleicht doch nur 'nem Hungerlohn.

---


Um das Herz und den Verstand eines anderen Menschen zu verstehen, schaue nicht darauf, was er erreicht hat, sondern wonach er sich sehnt. (Khalil Gibran)
nach oben springen

#2

RE: Altersarmut

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 04.11.2018 11:27
von Gelöschtes Mitglied
avatar

Wie viel Altersarmut haben wir wirklich?

Es ist richtig - es gibt sie, die Altersarmut.

Meist ist aber auch richtig, dass "Gönntest dir im Grunde gar nichts" knapp an der Realität vorbei geht. Die einen haben ein Häuschen oder eine Wohnung, andere waren oft genug im Urlaub, und wieder andere haben sich lange Auszeiten im Job und viel Freizeit durch Teilzeit gegönnt.

Derzeit ist die Wohlstandssituation der aktuellen Rentner ingesamt noch immer besser als je zuvor. Teilweise ist sie so gut, dass zurecht die Jüngeren aufbegehren, wenn sie höhere Beiträge zahlen sollen, aber gleichzeitig die Älteren ihr Rentenniveau permanent ausbauen können.

In 20 Jahren wird es deutlich dramatischer aussehen - wenn nicht massive Veränderungen in der Rentenpolitik vorgenommen werden. Prinzipiell könnten auch heute schon die "Jungen" ausreichend vorsorgen - wer überbringt ihnen aber die Botschaft, dass dann statt dem Rockkonzert für 100€ und dem regelmäßigen Urlaub im Ausland mehr in die eigene Altersvorsorge investiert werden muss.

Altersarmut am einen Ende, Mindestlohnkonzepte am anderen - wenn wir das Thema soziale Gerechtigkeit insgesamt angehen, wird das nur mit umfassenden Reformen gelingen. Derzeit ist nicht erkennbar, dass dazu in der Breite der Gesellschaft die Bereitschaft besteht.


nach oben springen

#3

RE: Altersarmut

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 04.11.2018 11:50
von Findus (gelöscht)
avatar

Eine private Vorsorge können sich nicht alle Menschen leisten, Atue. Wer Geringverdiener ist, muss jeden Cent dreimal umdrehen. Erst Recht, wenn eine ganze Familie zu versorgen ist.
Es gibt auch genügend Fälle, in denen Hartz IV aus das Existenzminimum aufgestockt werden muss.
Es bleibt wenig Möglichkeit, für Riester anzusparen. Andere Vorsorgeformen kommen nicht in Frage, denn diese stehen in der Gefahr angerechnet zu werden und aufgelöst werden zu müssen. Die Regelungen des SGB II zum Einsatz des Vermögens.

Der Mindestlohn allein ist, wie du ja auch schreibst, daher ein erster Schritt, aber keine ausreichende Antwort. In einer Politik, die in absehbarer Zeit in Merz´schen Neoliberalismus á la Black Rock münden wird, kann keine Bereitschaft für eine überlegte und gerechte Sozialreform stecken. Im Gegenteil: Ab 2021 wird wieder spart und gekürzt.


nach oben springen

#4

RE: Altersarmut

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 04.11.2018 12:31
von Gelöschtes Mitglied
avatar

Ist schon richtig - aber Vorsorge könnten sich weit mehr Menschen leisten, als es tatsächlich tun.
Das trifft aber vor allem die Generation, die jetzt noch im Alter ist, in dem man arbeiten kann - nicht die, die jetzt schon in Rente sind.

Ob mit Herrn Merz gleich eine Neoliberale Politik einhergeht, weiß ich noch nicht. Ich schätze ihn mehr für seine ganzheitlichen Betrachtungsweisen - es gibt halt Zusammenhänge zwischen Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik, und wenn man nur einseitig höhere Mindestlöhne umsetzt, dann führt dies an anderer Stelle zu Problemen. Hr. Merz stand für mich da eher für einen Menschenschlag, der diese Komplexität begreift, und deshalb auch bereit ist, konsequent andere Konzepte umzusetzen. Die Steuererklärung auf einem Bierdeckel war so ein Ansatz, allerdings weiß ich nicht, wofür Merz heute konkret steht. Dafür hat er sich auch zu lange aus der Politik weitgehend rausgehalten.


nach oben springen

#5

Wo bleibt die Generationengerechtigkeit???

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 04.11.2018 18:40
von Findus (gelöscht)
avatar

Zitat von Atue im Beitrag #4
Ist schon richtig - aber Vorsorge könnten sich weit mehr Menschen leisten, als es tatsächlich tun.
Das trifft aber vor allem die Generation, die jetzt noch im Alter ist, in dem man arbeiten kann - nicht die, die jetzt schon in Rente sind.


Da muss ich einfach ein Veto einlegen. Die Möglichkeiten der jungen Generation sind genau so wie der der Alten von ihren Einkommen abhängig - und damit höchst unterschiedlich.
Den Mehr an Jahren für private Vorsorge steht ein deutliches Weniger des gesetzlichen Rentenniveaus gegenüber! Die Lücke, die privat zu füllen wäre, ist deutlich größer als die der heute Alten.
Auch möchte ich darauf hinweisen, dass nicht nur die Tarife gestiegen sind, sondern zugleich auch Inflation und Lebenshaltungskosten. Ein Vergleich mit "Früher" lässt sich daher nicht so eindeutig ziehen. Ja, sogar so manch guter alter Tarifvertrag wurde inzwischen durch einen schlechteren Tarifvertrag ersetzt.

Den meisten Rentnern geht es heute gut. Genügend aber nicht. Insofern ist es richtig, etwas in Richtung Mindestrente zu unternehmen. Es ist aber so, dass die heute unter 50 - Jährigem deutlich stärker von Altersarmut bedroht sind, als die Alten! Wo bleibt da bei dir die Generationengerechtigkeit?

Eine soziale Rentenreform in jeden Fall. Aber eine, die für jung wie auch für alt gerecht ist!


nach oben springen

#6

RE: Wo bleibt die Generationengerechtigkeit???

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 04.11.2018 19:07
von SirPorthos | 3.127 Beiträge

Findus,

wie so oft hast du recht.

Als privat krankenvericherter Mensch kann ich Dir folgendes sagen:

Ich wurde sofort nach dem Abitur mit 18 Jahren Soldat für 12 Jahre. Als ich 19 Jahre wurde habe ich eine Anwartschaft für eine private Krankenversichung abgeschlossen. Luxusversorgung mit Einbettzimmer, Chefarztbehandlung, 80% für Zahnersatz und 60 Euro Krankenhaustagegeld pro Tag. Und voller Gehaltsbezahlung im Falle einer Krankheit, die länger als 6 Wochen anhält.

Nach meiner Bundeswehrzeit war das eine große Ersparniss gegenüber den gesetzlichen Kassen.

Aber in weiser Voraussicht tat ich auch noch folgendes: Ich vereinbarte eine Halbierung meiner Beiträge zum 60. Lebensjahr. Damit war die Ersparniss aufgebraucht. Aber ich sorge vor. Ich zahle mittlerweile genauso viel, wie ein gesetzlich Versichterter.

Aber ich habe den Vorteil, im Alter nicht rumjammern zu müssen wegen der hohen Beiträge.

Das ganze Leben muss mit scharfen Verstand geplant werden. Und alte Säcke (sorry), die rumjammern, dass die Beiträge für ihre private Krankenversicherung zu hoch sind, haben einen Fehler gemacht: Sie haben nicht vorgesorgt und das Geld auf den Kopp gehauen.

Das ist ein Problem von Idioten, mit denen ich kein MItleid haben kann.

Ich bin ein Feund eines selbstbestimmten Lebens. Das erfordert ein Mindestmaß an Intelligenz.

Und nun zur Rente: Seit fast zehn Jahren gibt es eine private Rentenversorgung nach Riester/Rürup. Da ich keinen Banken traue mache ich seit Bestehen des Gesetzes eine Brutto-Entgeltumwandlung von derzeit 4% meines Gehalts. Ohne Steuern und Sozialabgaben, denn es wird nachversteuert. Ab Januar nächsten Jahres, kann ich diesen Betrag auf 7% erhöhen. Der Einkommensverlust beträgt netto weniger als die Hälfte.

Es gibt daher ausreichend Möglichkeiten auch für Geringverdiener.

Gruß aus dem alten Land !


Si vis pacem para bellum !
nach oben springen

#7

RE: Wo bleibt die Generationengerechtigkeit???

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 04.11.2018 23:19
von Gelöschtes Mitglied
avatar

Zitat von Findus im Beitrag #5
Da muss ich einfach ein Veto einlegen. Die Möglichkeiten der jungen Generation sind genau so wie der der Alten von ihren Einkommen abhängig - und damit höchst unterschiedlich.
Den Mehr an Jahren für private Vorsorge steht ein deutliches Weniger des gesetzlichen Rentenniveaus gegenüber! Die Lücke, die privat zu füllen wäre, ist deutlich größer als die der heute Alten.


Irgendwie rede ich heute an dir vorbei. Mein Hinweis bezog sich darauf, dass die, die heute in Rente sind, schlicht und einfach nur noch wenig für die eigene Rente tun können - das können halt vor allem die, die derzeit noch arbeiten.

Prinzipiell stimme ich dir mit deinen meisten Ausführungen zu. Allerdings halte ich die Mindestrente genauso wie den Mindestlohn für Flickwerk. Auch mit diesen Instrumenten wird nur versucht, die Schwächen des derzeitigen Systems zu kaschieren - das ist in aller Regel immer wieder ungerecht!

Besser wäre es, man würde mal das Große Ganze in den Blick nehmen, und anfangen eine klare Vision für eine gerechte gesellschaftliche Sozialpolitik zu machen. Das Ziel wäre dann klar eine BGE-Gesellschaft.

Da man klein anfangen muss, würde sich das Thema Krankenversicherung und Pflegeversicherung anbieten. Eine konsistente Umstellung dieser auf einen ganzheitlichen Ansatz würde schon sehr viele Reformen mit sich bringen, die alle in die richtige Richtung gehen. Dies würde das Kindergeld betreffen, das Ehegattensplitting, Hartz IV und die Grundsicherung im Alter. Darüber hinaus betrifft es auch die Frage der paritätischen Finanzierung des Gesundheitswesens.

Allein dieser Reformschritt ist ein großer Kraftakt und dauert sicherlich 4 Jahre. Und doch wäre das nur der Anfang.....


nach oben springen

#8

RE: Altersarmut

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 05.11.2018 10:23
von Teddybär | 1.675 Beiträge

Nicht jeder, der sich zu den Armen rechnet, ist wirklich arm, sondern zählt zu den unteren (und mittleren) Mittelschichten, die sich lang machen müssen, wenn sie ein Auto, Haus usw. finanzieren müssen bzw. finanziert haben. Das dürfte auf Millionen zu treffen und diese Masse wird ständig von Gebühren, Steuern und Abgaben geschröpft und muss mit ansehen, wie sich Bosse der Industrie und Finanzwelt zusammen mit Politikern schamlos bereichern und gleichzeitig geltendes Recht brechen, und was noch schlimmer ist, dabei die geltende Moral verachten, welche ihnen genau von diesen Leuten jahrelang gepredigt worden ist. Aber diese Millionen habe die Bildung, die einst ihre Eltern besessen hatten, verloren, aber mit dem Verlust von Bildung ging ein Verlust von ideologischen Bindungen einher und so ist nicht verwunderlich, dass solche Parteien wie die AfD boomen und andere in die Bedeutungslosigkeit versinken. Die Flüchtlingskrise ist dafür nicht ursächlich, sie hat aber diese Phänomene, die älter als diese Krise sind, offensichtlich gemacht, die Tatbestände verschärft und das politische System ins Taumeln gebracht.


es gibt immer ein a🐻|Plüsch ist liebe|🐻🐻🐻 an die Macht|🐻🐻🐻 aller Wälder und Wiesen vereinigt euch|es gibt immer ein a🐻|


zuletzt bearbeitet 05.11.2018 10:33 | nach oben springen

#9

RE: Altersarmut

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 05.11.2018 12:56
von Anthea | 12.406 Beiträge

Das ist richtig, dass sich viele "arm" nennen, so sie denn tatsächlich sich nicht ad hoc etwas leisten können und darauf sparen müssen!

Eine andere Sache ist auch die, dass man jungen Menschen noch so oft predigen kann, so man sieht, wofür sie ihr Geld ausgeben, dass sie doch "sparen" sollten. Das kommt nicht an, denn das Alter erscheint ja so fern. Ganz davon abgesehen, dass ein beinahe jeder meint, in seinem weiteren Leben irgendwie "das große Los" zu erhalten. Was nicht gleichbeedeutend ist mit Arbeit und Fleiß. Denn die Art von "Nullbock-Generation" hat, so sie aus nicht gerade mittelschichtigem/bürgerlichen Elternhaus stammen, hautnah erlebt, dass von Arbeit so keiner aus der Familie reich geworden ist. Sogar abhängig von Transferleistungen ist.

Aber durchgängig denke ich, dass die Gedanken an eine Altersvorsorge reichlich fern sind bei der jungen Generation. Das kommt dann möglicherweise mit zunehmendem Alter und "Karriere", sprich: gutem Ein-Auskommen, wenn ein Versicherungsvertreter mal vorbeischaut, weil es sich für diesen um eine Klientel handelt, wo er Zutraulichkeit hinsichtlich seiner Vertragsvorstellungen finden kann.
In "Arbeitervierteln" ist der wohl weniger anzutreffen. Weiß er doch, dass da jeder Cent gebraucht wird. Und noch dazu ein Misstrauen herrscht, wenn es um "Geldanlagen" resp. Ansparungen im weiteren Sinne geht. Da gab es Versprechungen der Banken - und heute ist Nullzins... Und Hochrechnungen auf LV-Versicherungen am Ende der Laufzeit mussten auch ihre Prognosen revidieren.

---


Um das Herz und den Verstand eines anderen Menschen zu verstehen, schaue nicht darauf, was er erreicht hat, sondern wonach er sich sehnt. (Khalil Gibran)
nach oben springen

#10

RE: Altersarmut

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 05.11.2018 17:26
von moorhuhn | 1.486 Beiträge

"Eine andere Sache ist auch die, dass man jungen Menschen noch so oft predigen kann, so man sieht, wofür sie ihr Geld ausgeben, dass sie doch "sparen" sollten. Das kommt nicht an, denn das Alter erscheint ja so fern. Ganz davon abgesehen, dass ein beinahe jeder meint, in seinem weiteren Leben irgendwie "das große Los" zu erhalten. Was nicht gleichbeedeutend ist mit Arbeit und Fleiß. Denn die Art von "Nullbock-Generation" hat, so sie aus nicht gerade mittelschichtigem/bürgerlichen Elternhaus stammen, hautnah erlebt, dass von Arbeit so keiner aus der Familie reich geworden ist. Sogar abhängig von Transferleistungen ist. " (Anthea)

Zum einen ist dieses Phänomen nicht neu, erinnere dich mal an deine Lebenszeit zwischen 20 und ca.45. Es liegt zum Glück in der Natur der Dinge, dass der Mensch vorzugsweise im Hier und Jetzt lebt und in der Regel (mei, wie oft muss ich diese Wendung gebrauchen.) auch fleißig für die Annehmlichkeiten arbeitet.
Ich selbst habe in diesem Zeitraum meinen jährlichen Rentenbescheid aus dem Umschlag raus in einen Ordner verbracht, ohne ihn genau zu lesen, habe x Konzepte zur Altersvorsorge studiert und Versicherungsfuzzis in den Wahnsinn getrieben, weil ich so gar nicht euphorisch ihre Zukunftsprognosen geteilt habe.Ich wage sogar zu behaupten, dass diese Lebensart/Denke eine wirksame Waffe gegen Schwermut und Depressionen ist, welche momentan statistisch gesehen doch die älteren Semester überfallen.
Zum anderen teile ich die Ansicht einiger Diskutanten hier, dass der Arbeitnehmer von heute keinen großen Spielraum zur Altersvorsorge oder für die Anhäufung von Besitz, den er im Alter gewinnbringend verwerten kann, hat.

https://www.welt.de/finanzen/immobilien/...ht-leisten.html

Insofern hat bei jungen Leuten schon lange ein Umdenken stattgefunden, sie lassen sich von fast 70ig-jährigen staatlichen Vorkehrungen und salbungsvollen Mahnungen zum Sparen nicht mehr leiten, fordern mit Recht zeitgemäße Reformen, die ganz sicher nicht im Bausparvertrag kulminieren. Erst recht sind ihre Rentenbescheide das Papier nicht mehr wert, auf denen sie gedruckt sind.


Der frühe Vogel kann mich mal !
nach oben springen

#11

RE: Altersarmut

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 05.11.2018 23:48
von Gelöschtes Mitglied
avatar

Zitat von moorhuhn im Beitrag #10
Ich selbst habe in diesem Zeitraum meinen jährlichen Rentenbescheid aus dem Umschlag raus in einen Ordner verbracht, ohne ihn genau zu lesen, habe x Konzepte zur Altersvorsorge studiert und Versicherungsfuzzis in den Wahnsinn getrieben, weil ich so gar nicht euphorisch ihre Zukunftsprognosen geteilt habe.


Ja, so ähnlich war es bei mir auch.

Bis heute und auch noch bei den seriösesten Beratern (und ich habe einige durch!) finde ich noch immer überall den gleichen Fehler. Die sogenannte Rentenlücke wird überdramatisiert!

Was meine ich damit - wenn ich 2000€ Netto jetzt habe, und mein Rentenbescheid auf sagen wir mal 900€ ausgelegt ist, dann berechnen mir die Versicherungsvertreter/Geldanlageberater u.ä. regelmäßig eine Rentenlücke von 1100€. Um diese zu schließen wird mir eine Geldanlage von ca. 210€ im Monat empfohlen, um die Rentenlücke zu schließen. Tatsächlich wird dabei aber ignoriert, dass ich damit faktisch keine 2000€ mehr Netto habe, sondern nur noch 1790€! 210€ sind ja fest als Anlage fürs Alter verplant - und warum sollte ich anstreben, dass ich im Alter mehr Konsumfähigkeit habe, als heute?

Es reicht schon ein Sparbetrag von ca. 175€ aus, um auf eine Gesamtrente von 1825€ zu kommen - das entspricht dem Netto abzüglich des Sparbetrages.

Diesen Fehler machen nahezu alle Versicherungsvertreter, und die meisten verstehen noch nicht einmal, weshalb das ein Fehler sein soll.

Wenn man bei der Rentenlücke zusätzlich noch betrachtet, dass man regelmäßig im Alter nicht mehr den gleichen Geldbedarf hat, weil man beispielsweise andere/geringere Bedürfnisse hat, dann reduziert sich die notwendige Vorsorge noch weiter.

Natürlich darf man es nicht übertreiben mit dem Kleinrechnen - sonst holen einen im Alter andere Faktoren wieder ein. Wer sich aber mal die Opfer der Versicherungsindustrie anschaut, erlebt regelmäßig, dass Menschen sich für das Alter viel zu hoch versorgen, und dafür auf Konsumfähigkeit im "Mittelalter" verzichten.

Ich teile im Übrigen nicht die Ansicht, dass der Rentenbescheid das Papier nicht wert ist, auf dem er steht.
Selbst wenn (!) der Staat die Rentenansprüche von 48% auf 40% absenken würde (was ich für wenig wahrscheinlich halte) könnte er dies aus grundgesetzlichen Überlegungen heraus stets nur mit entsprechendem Vorlauf machen - und auch 40% wären noch immer ein regelmäßig nicht zu vernachlässigender Grundstock an Rentenleistungen - selbst bei Menschen mit niedrigen Ansprüchen aus der gesetzlichen Rente.

Die Aussagen: "Auf die Rente ist eh kein Verlass" habe ich mir mehr als 30 Jahre lang von Verwandten auf jeder Familienfeier anhören müssen - inzwischen sind alle von denen in Rente, und haben mehr als ein gutes Auskommen! Von denen darf sich kein einziger beschweren.....

Ich habe einige Zeit bei der Rentenversicherung gearbeitet - zum Glück in jungen Jahren. Insofern kann ich manche Materie leichter einschätzen als andere.

Was regelmäßig Menschen Probleme macht ist die Situation mit Ehe und Scheidung und die Folgen für die Rente.
Wenn man sich in der Familie entscheidet, dass der Mann der Alleinverdiener, oder doch der wesentliche Verdiener ist, dann vergessen die männlichen Gestalten regelmäßig, dass die Hälfte der Rentenansprüche, die in dieser Zeit der Ehe erwirkt werden, der Frau zusteht. Bei einer Scheidung entsteht dann die Schockstarre, weil auf einmal die Rentenansprüche dramatisch kleiner werden, weil der Rentenbescheid regelmäßig nur das eigene Konto bewertet. Dass wesentliche Teile des eigenen Rentenkontos zum gemeinsamen Familienvermögen gehören, welches bei einer Scheidung aufgeteilt wird, ist den Betroffenen meist nicht oder nicht ausreichend klar.

Es ist schade, dass der Gesetzgeber nicht dazu verpflichtet, dass bei Eingang der Ehe die Beteiligten sich über die Folgen für die finanziellen Verhältnisse klar werden......



Was bei Jungen Menschen nicht geht, ist die aktuelle und zukünftige Situation einfach auszublenden.....jeder 20jährige weiß, dass es eine Rentenproblematik gibt, kann sich schlau machen, und kann sich überlegen, ob und wie er der entgegen wirken will und kann. Es ignorieren, und einfach den Kopf in den Sand stecken - sorry, aber da hält sich dann auch mein Mitleid in Grenzen.

"Hey, ich brech mal die Schule ab, hab ja eh keinen Bock....und die anderen sollen für mich aufkommen, schließlich bin ich ja nicht selbst schuld, dass ich lebe...." und dann noch "hey, ich krieg ja eh keinen Job - schuld sind aber die anderen, die Gesellschaft, die Reichen.....und hey, deshalb müssen die auch immer für mich aufkommen.....auch in der Rente..." solcherlei Haltungen halte ich auch für Fehl-Haltungen! Dagegen muss sehr wohl angesteuert werden.

Anders bewerte ich die Situation bei Frauen - hier halte ich es für einen Skandal, dass die Gesellschaft die natürliche und biologische Eigenschaft von Frauen, dass sie Kinder bekommen, und auch noch immer üblicherweise mehr als Männer die Kinder in den ersten Jahren vermehrt betreuen, nicht anerkennt. Ich halte dies für einen BERUF - der gehört in die Geldwirtschaft integriert, Frauen gehört dafür ein Einkommen gezahlt, welches ein Auskommen ermöglicht.
Die Anrechnungen bei der Rente sind dabei mehr oder weniger Peanuts - noch immer viel zu wenig im Verhältnis zur geleisteten Arbeit!

Hier wäre ein gesellschaftliches Umdenken erforderlich.

Auch hierbei könnte eine BGE-Gesellschaft eine adäquate Antwort sein! Zumindest wäre dies eine erste gute Grundlage.

Man mache sich bewusst: Ein Kind, welches von seiner Mutter 3 Jahre lang erzogen wird, ist dem Staat ein Erziehungsgeld wert.....
Angenommen, diese Mutter wäre als Erzieherin tätig - und nehmen wir mal an, sie würde ein Kind bekommen, es aussetzen, und dann es zufälligerweise wieder als Erzieherin zugeteilt bekommen - dann wäre der Gesellschaft die Erziehung eines solchen Kindes mehr als 6000€ im Monat wert - aufgeteilt auf 3 Erzieher, die aber auch Urlaubsanspruch und noch ein Urlaubs- und Weihnachtsgeld bekommen. Würden wir der Erzieherin vergleichbares Geld bezahlen, wenn sie statt ihr Kind auszusetzen, es direkt selbst erzieht - wir hätten kein Rentenproblem bei Frauen! (Zumindest wäre es deutlich kleiner!)

Leider ist unserem gesamten Sozialsystem zu Eigen, dass es vor allem aus den Jahren 1870 - 1950 entstammt, und dort seine Wurzeln hat.
Was wir heute bräuchten wäre ein Sozialstaat für das 21. Jahrhundert! Basierend auf einem Menschenbild des 21. Jahrhunderts, indem Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau normal sein sollten. Was wir heute bräuchten wäre ein Sozialstaat, der nicht mehr maschinelle Arbeit begünstigt und menschliche Arbeit künstlich verteuert. Was wir heute bräuchten wäre ein Sozialsystem, welches auch bei veränderter Demographie-Kurve und längerer Lebenserwartung noch hinreichend ein Auskommen für Alle im Alter ermöglicht.

All dies geht durchaus - aber nicht, wenn wir den Sozialstaat noch immer wie 1950 organisieren. Wir müssen umdenken, und unseren Sozialstaat neu organisieren.

Eigentlich wäre die SPD der natürliche Kandidat, für die Zukunftsvision unseres Sozialstaates. Leider nur denken die Genossen so rückwärtsgewandt, dass sie hier leider ausscheiden.

Es ist auch dieses Blackout der SPD, welches dazu führt, dass die notwendigen Reformen im Sozialstaat nicht voran kommen.


nach oben springen

#12

RE: Altersarmut

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 06.11.2018 08:08
von Anthea | 12.406 Beiträge

Danke, lieber Atue, für dein interessantes Statement, dem ich in vielen Teilen zustimmen kann.
Jedoch stieß ich auf eine Sache, die aus meiner Sicht nicht richtig ist.

Zitat
Man mache sich bewusst: Ein Kind, welches von seiner Mutter 3 Jahre lang erzogen wird, ist dem Staat ein Erziehungsgeld wert.....
Angenommen, diese Mutter wäre als Erzieherin tätig - und nehmen wir mal an, sie würde ein Kind bekommen, es aussetzen, und dann es zufälligerweise wieder als Erzieherin zugeteilt bekommen - dann wäre der Gesellschaft die Erziehung eines solchen Kindes mehr als 6000€ im Monat wert - aufgeteilt auf 3 Erzieher, die aber auch Urlaubsanspruch und noch ein Urlaubs- und Weihnachtsgeld bekommen. Würden wir der Erzieherin vergleichbares Geld bezahlen, wenn sie statt ihr Kind auszusetzen, es direkt selbst erzieht - wir hätten kein Rentenproblem bei Frauen! (Zumindest wäre es deutlich kleiner!)



Dieses eine "ausgesetzte" und wiedergefundene Kind ist ja keine 6000 Euro wert, denn es teilt sich die für es entstehenden Kosten der Erzieher_innen mit weiteren Kindern. Runtergerechnet auf einen Erzieher mit 2000 Euro zu veranschlagen und fiktiven 20 zu betreuenden Kindern ergeben sich für das "Ausgesetzte" ;-) lediglich 100 Euro anteilmäßig.
Und hier kann man das Betreuungsgeld - genannt "Herdprämie" - vergleichend hinzuziehen, die im Grunde genommen dann dieses Geld auf die Eltern übertragen hatte.

Ich habe die Vorstellung von "Hausfrauengehalt" immer recht kritisch gesehen. Wenn sich eine Frau dazu entschließt, ihr Leben dem Wohle von Mann und Kindern zu widmen, dann geht ihre Arbeitskraft in der Wirtschaft und daraus resultierende Steuereinnahmen der Allgemeinheit verloren. Sie selbst lässt sich durch die Arbeitskraft des Mannes mehr oder gut "versorgen". Wenn sie Kinder in die Welt setzt, dann bestimmt nicht, weil sie "ans Vaterland" denkt. Im Idealfall ist der Mann auf hüterer Einkommensebene angesiedelt, wo dann zudem noch eine Zahlung von "Hausfrauenarbeit" verschleudertes Geld wäre, das anderswo besser anzuwenden wäre. Ja, ich weiß, das unsinnige Gesetz der Gleichbehandlung, wozu dann auch das Kindergeld zählt, das "Frau Direktor" ebenso erhält.
Schon hier müsste ein Schnitt gemacht werden. Stichwort: Bedürftigkeit.

Es wäre auch nicht falsch, Firmen zum Abschluss einer BAV (betriebliche Altersversorgung) für ihre Mitarbeiter zu verpflichten. Es wäre immerhin etwas, das später der Rente hinzufließen würde.

Viel gibt's zu tun. Oder eigentlich "gäbe". Und richtig anpacken tut es leider keiner der Parteien bis dato. Nur Stückwerk.

---


Um das Herz und den Verstand eines anderen Menschen zu verstehen, schaue nicht darauf, was er erreicht hat, sondern wonach er sich sehnt. (Khalil Gibran)
nach oben springen

#13

RE: Wo bleibt die Generationengerechtigkeit???

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 07.11.2018 20:50
von Findus (gelöscht)
avatar

Zitat von Anthea im Beitrag #12
Zitat von Atue im Beitrag #11
Man mache sich bewusst: Ein Kind, welches von seiner Mutter 3 Jahre lang erzogen wird, ist dem Staat ein Erziehungsgeld wert.....Angenommen, diese Mutter wäre als Erzieherin tätig - und nehmen wir mal an, sie würde ein Kind bekommen, es aussetzen, und dann es zufälligerweise wieder als Erzieherin zugeteilt bekommen - dann wäre der Gesellschaft die Erziehung eines solchen Kindes mehr als 6000€ im Monat wert - aufgeteilt auf 3 Erzieher, die aber auch Urlaubsanspruch und noch ein Urlaubs- und Weihnachtsgeld bekommen. Würden wir der Erzieherin vergleichbares Geld bezahlen, wenn sie statt ihr Kind auszusetzen, es direkt selbst erzieht - wir hätten kein Rentenproblem bei Frauen!(Zumindest wäre es deutlich kleiner!)
Dieses eine "ausgesetzte" und wiedergefundene Kind ist ja keine 6000 Euro wert, denn es teilt sich die für es entstehenden Kosten der Erzieher_innen mit weiteren Kindern.


Der Kindergarten ist inzwischen eine vorschulische Bildungsinstitution geworden. Der Kindergartenbesuch ist erstrebenswert. Daher verbieten sich solche schrägen Rechnungen!



zuletzt bearbeitet 07.11.2018 20:52 | nach oben springen

#14

RE: Wo bleibt die Generationengerechtigkeit???

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 08.11.2018 23:36
von Gelöschtes Mitglied
avatar

Ich habe auch nicht den Kindergarten gemeint.

https://www.gutefrage.net/frage/wer-uebernimmt-die-kosten-fuers-kinderheim

Der Platz im Kinderheim kostet ungefähr je Kind also 3000€ - eine Erzieherin im Kinderheim verdient auch ungefähr 3000€, ist allerdings auch nur in einer 40h-Woche unterwegs, hat Urlaub und bei Krankheit frei.
Kinder werden auch mal in Pflegefamilien untergebracht, die bekommen dann je nach Alter des Kindes zwischen 800 und 1000€ je Monat.

Kindergeld geht extra, wird aber teilweise angerechnet.

Pflegeeltern bekommen je Kind je Monat noch 43€ in die Rente einbezahlt. Karlsruhe geht weiter und zahlt freiwillig solchen Pflegeeltern nochmals 120€ je Monat in die Rente.



Was bleibt ist, dass der Staat kräftig mitfinanziert, wenn es um Pflegeeltern oder Erzieherinnen geht - dann werden die Pflegemütter finanziell ausgestattet und bekommen staatliche Kohle. Wenn man selbst sein Kind großzieht, bekommt man nichts vergleichbares.

Einmal mehr ist es das Bedürftigkeitsprinzip, welches veraltet und unmodern daher kommt.

Würde man dies abschaffen, und anerkennen, dass es generell auch eine Arbeit und damit auch Leistung ist, die Frauen in unserer Gesellschaft vollbringen, wäre deren Leistung in den Geldkreislauf integriert. Ist es aber nicht. In der Folge fehlt ausgerechnet auch Frauen hinreichend die Möglichkeit ausreichend für das Alter vorzusorgen.


nach oben springen

#15

Deine Vergleiche passen einfach nicht

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 09.11.2018 19:11
von Findus (gelöscht)
avatar

Auch dann wird dein Vergleich nicht besser.

Zum einen bekommen die Pflegeeltern keinen Lohn, sondern eher eine Art Aufwandsentschädigung. Zum anderen wirst du die Arbeit in der Heimerziehung wohl kaum Vollzeit oder gar nur Verwandtenpflege vergleichen können.
Zuletzt solltest du auch bedenken, dass es sich um Hilfen zur Erziehung handelt und die Fachkräfte z.B. in der Heimerziehung wohl kaum mit den "einfachen" Problemen der gutbürgerlichen Familien kämpfen.



zuletzt bearbeitet 09.11.2018 19:13 | nach oben springen


Ähnliche Themen Antworten/Neu Letzter Beitrag⁄Zugriffe
Welche Wirtschaftskrise?
Erstellt im Forum Ökonomie von Findus
2 26.02.2024 17:31goto
von Findus • Zugriffe: 186
Neiddebatten?
Erstellt im Forum Parteien - kritisch betrachtet von Anthea
0 14.06.2019 10:16goto
von Anthea • Zugriffe: 201
Ein "schlichtes" (Bildungs)Bürgertum
Erstellt im Forum Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm von Anthea
7 10.05.2018 14:36goto
von Findus • Zugriffe: 246

Besucher
1 Mitglied und 10 Gäste sind Online

Besucherzähler
Heute waren 386 Gäste und 2 Mitglieder, gestern 285 Gäste und 3 Mitglieder online.

Forum Statistiken
Das Forum hat 2264 Themen und 50192 Beiträge.

Heute waren 2 Mitglieder Online: