#1

Der Segen der Privatisierung

in Ökonomie 02.11.2017 14:40
von Till (gelöscht)
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Der frühere EU-Digitalkommissar Günther Oettinger kritisiert eine zu starke Gewinnorientierung bei der deutschen Telekom und bereut deren Privatisierung:
"Die Telekom, die nur noch zu 32 Prozent dem Bund direkt und indirekt gehört, ist keine Caritas. Die investieren nur dort, die legen nur Glasfaser, machen nur dort Vectoring, bauen nur dort 5G, wo ein Business-Case dahinter steht im ländlichen Raum. Vielleicht ist es ein Fehler gewesen, dass man damals die gute alte Postanstalt des Bundes dreigeteilt hat." (golem.de)

Das konnte man natürlich nicht vorher wissen. (Vorsicht Ironie)
Mit einer privatisierten Post wäre die Ex-DDR wahrscheinlich immer noch Entwicklungsland in Sachen Kommunikationstechnologie.


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#2

RE: Der Segen der Privatisierung

in Ökonomie 02.11.2017 15:27
von Meridian | 2.861 Beiträge

Man schaue sich in Großbritannien um. In diesem Land gibt es so gut wie keine staatlichen Subventionen. Alleine am Straßennetz kann man die Folgen erkennen. Autobahnen mit 4 Spuren pro Richtung kommen deutlich öfter vor als in Deutschland, aber halt eben in Ballungsgebieten wie Greater London, Manchester oder auf einer Hauptarterie wie die Autobahn M1 London - Leicester - Nottingham - Sheffield - Leeds auch in ländlichen gelegenen Abschnitten.

In abgelegenen (also wirtschaftlich uninteressanten) Regionen sieht es ganz anders aus: Selbst Hauptstraßen können recht schmal sein. Zudem sind sie immer noch "viktorianisch" trassiert, d.h. oft unübersichtlich (verstärkt durch die vielen Mauern und Hecken direkt entlang der Straßen) mit tückischen Kurven und Kuppen, dabei in bergigen Regionen auch ungewöhnlich heftige Steigungen von bis zu 25%, vereinzelt 30%. Hier lernt man Hochachtung vor Nässe auf der Fahrbahn.

Um das deutsche Straßennetz ist es ja auch nicht so gut bestellt, aber die Unterschiede sind nicht so extrem.

Und was dort alles privatisiert ist: Ich habe gefragt, ob man für einen längeren Aufenthalt auf Visum braucht. Man verwies mich auf ein Privatunternehmen, das im Auftrag der britischen Botschaft die Visavergabe erledigt.

Allerdings: Rück-verstaatlicht ist das dortige Eisenbahnnetz, nachdem es einige schwere Unfälle gab infolge der Privatisierung. Da wurde an Sicherheit sehr gespart, sogar bei 200km/h gab es keine ordentliche Zugsicherung. Seit der Verstaatlichung ist die britische Eisenbahn teils besser als ihr Ruf. Die Betreiber von Bahnlinien sind allerdings privat. Deren Qualität und Ruf ist sehr unterschiedlich.


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#3

RE: Der Segen der Privatisierung

in Ökonomie 02.11.2017 19:20
von Kali | 61 Beiträge

Viel schlimmer finde ich die Privatisierung im Gesundheits und Pflegewesen. Gewinnoptimierung mit Alten und Kranken. Ich hoffe in Norwegen bleibt es staatlich. Personalschluessel, mindestens mal das Doppelte oder Dreifache, auch im Kindergarten. Hier gibt es auch private, nur bekommen die ganz klare Auflagen gemacht.

Boese Zungen behaupten Norwegen sei der letzte Sowjetstaat Europas. In manchen Angelegenheiten gar nicht schlecht, wenn der Staat die Kontrolle behaelt. Banken werden auch gerettet, man verstaatlicht sie wenn sie Mist bauen. Ein Milliardaer wurde auch schon enteignet, wegen Steuerbetrug. Kein Land fuer Leute wie Hoeness.



zuletzt bearbeitet 02.11.2017 19:26 | nach oben springen

#4

RE: Der Segen der Privatisierung

in Ökonomie 03.11.2017 16:22
von fjodorov (gelöscht)
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Im Zuge der neoliberalen Anschauung über ein Staatswesen hat die Privatisierung aller Lebensbereiche zunehmend an Bedeutung gewonnen.Das Gesundheitswesen wurde schon erwähnt,die Rente wird darauf vorbereitet.In Staaten wie den USA wurde bereits das Gefängniswesen privatisiert,soweit sind wir noch nicht.Aber mit den ÖPP wird auch hierzulande versucht die Infrastruktur zu privatisieren.Als Druckmittel um das durchzusetzen wurde die schwarze Null zum Verfassungsrang erhoben.Was kommt als nächstes?Das Bildungswesen?Auch da sind uns die USA bereits voraus.Begründet wird das alles mit der vermeintlichen höherer Effektivität privater Unternehmen.Verschwiegen wird,dass jene Gewinne machen wollen und diese natürlich von der Allgemeinheit aufgebracht werden müssen.Es wird also teurer.Selbst das Formulieren mancher Gesetze wurde bereits privatisiert,welche Folgen das hat,kann sich jeder ausmalen.
Mit CETA versucht man die Privatisierung noch schneller voranzutreiben.Als erster Handelsvertrag der EU beinhaltet CETA für Dienstleistungsbereiche, die liberalisiert werden sollen, keine Positivliste, sondern eine Negativliste für Ausnahmen vom Liberalisierungsgebot. Damit wird ein unbestimmt weites Feld dem Zwang zur Privatisierung und Deregulierung überantwortet. Neu entstehende Bereiche, etwa bei digitalen Diensten, im Gesundheits- oder Bildungsbereich, werden automatisch der öffentlichen Kontrolle entzogen. Einmal deregulierte und privatisierte Bereiche dürfen außerdem nicht mehr zurückgenommen werden (»Stillhalte«- und »Sperrklinken«-Klauseln). Damit wird es beispielsweise Kommunen und Regierungen nahezu unmöglich, privatisierte öffentliche Betriebe zurückzukaufen, wenn sie schlechte Erfahrungen mit privaten Betreibern gemacht haben – wie dies etwa bei den Wasserwerken in Berlin und vielen anderen Städten der Fall war. CETA sieht keine eindeutige, grundsätzliche Ausnahme von öffentlichen Dienstleistungen von der Liberalisierung vor.

Willkommen im privatisierten Staat.


"Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen"

Jean Jaurès (1859-1914)
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