#1

Ein alter Grieche

in Allgemeine philosophische Betrachtungen 18.07.2019 22:12
von SirPorthos | 3.127 Beiträge

Moin liebe Gemeinde,

ich bin heute beim Lesen über die Worte eines alten Griechen gestolpert.

Ich musste es dreimal lesen, um die Worte und ihre Bedeutung auch nur ansatzweise zu begreifen.

Hier sind sie:

Wer lernt,
muss leiden.
Und selbst im Schlaf
fällt unvergessener Schmerz,
Tropfen für Tropfen
auf das Herz.

Und ganz und gar
gegen unseren Willen
kommt die Weisheit,
kommt zu uns
durch die schreckliche
Gnade Gottes.

Aischylos (525-456 vor Christus)

Und ich denke darüber nach, ob Dummheit nicht ein Segen ist,

Lieben Gruß aus dem alten Land !


Si vis pacem para bellum !
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#2

RE: Ein alter Grieche

in Allgemeine philosophische Betrachtungen 19.07.2019 06:33
von Anthea | 12.400 Beiträge

Zitat von SirPorthos im Beitrag #1
Moin liebe Gemeinde,

ich bin heute beim Lesen über die Worte eines alten Griechen gestolpert.

Ich musste es dreimal lesen, um die Worte und ihre Bedeutung auch nur ansatzweise zu begreifen.

Hier sind sie:

Wer lernt,
muss leiden.
Und selbst im Schlaf
fällt unvergessener Schmerz,
Tropfen für Tropfen
auf das Herz.

Und ganz und gar
gegen unseren Willen
kommt die Weisheit,
kommt zu uns
durch die schreckliche
Gnade Gottes.

Aischylos (525-456 vor Christus)

Und ich denke darüber nach, ob Dummheit nicht ein Segen ist,

Lieben Gruß aus dem alten Land !


Oh, sehr schön und so gut zum Nachdenken und Interpretiern geeignet. Wenn man glaubt, etwas vergessen zu können, damit Erinnerung uns nicht mehr belastet, so ist dies ein Trugschluss. Denn tatsächlich verbannen wir nur die Erinnerung in eine Hinterkammer unseres Gehirns. Und dort harrt sie und kann wieder belebt werden. Sei es durch eine Melodie, ein déjà vu-Erlebnis, einen Geruch, ein Wort...Und auch durch unsere, Träume, die aufsteigen und als "Baum der Erkenntnis" wirken. Gott...

Aber auch der einfache Mensch, der tumbe Tor, hat sein Erleben und verdrängt... Schmerz, unrühmliche Taten. Und begräbt Hoffnungen, die eigentlich nie sterben sollten...Und kann aus seinen Träumen lernen.

Mir fällt gerade wieder der "Faust" ein, der das Gift aus der Phiole nicht trinkt, als er die Kirchenglocke hört: "Erinnerung hält mich jetzt mit kindlichem Gefühle, vom letzen ernsten Schritt zurück. Oh tönet fort, ihr süßen Himmelslieder, die Träne quillt, die Erde hat mich wieder".

Und "wer lernt muss leiden"? Auch das stimmt. Transportiert aufs ganz normale Leben: "Wer nicht hören will muss fühlen". Oder "Die Strafe folgt auf dem Fuße".
Das haben schon die unfolgsamen Menschen Adam und Eva erfahren müssen.

---


Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi


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#3

RE: Ein alter Grieche

in Allgemeine philosophische Betrachtungen 01.08.2019 00:34
von Gelöschtes Mitglied
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Lernen hat was mit Erkenntnis zu tun. Selbstverständlich ist Lernen damit Leiden!

Gleichzeitig aber ist Lernen auch eine Menschliche Gier! Wir WOLLEN (!) verstehen wie die Welt funktioniert - so beispielsweise auch Faust.......

Erkenntnis aber bedeutet auch, dass man sich von naiven Ideen verabschiedet - Veränderung bedeutet immer auch, von gewohntem, liebgewonnenem Abstand nehmen zu müssen. Das ist Leiden.


Der Mensch also wieder mal als das mindestens duale Wesen - auf der Suche nach Sicherheit und Verlässlichkeit resistent gegen Veränderungen - auf der Suche nach Erkenntnis aber geradezu damit konrontiert, dass Veränderungen notwendig und normal sind.

Dieses menschliche Spannungsverhätlnis ist zutiefst ein menschliches Motiv!

Aischylos spricht hier vor allem den negativen Aspekt für den Menschen an - andere sprechen aber auch die positiven Aspekte von CHANGE an.

Griechisch gesproche ist dies eine Frage von Prometheus und Epimetheus - wollen wir lieber Kontinuität und wiederkehrende Ereignisse, oder geht es uns um echten Fortschritt?

Eine menschliche Antwort wäre: Beides!
Eine göttliche Antwort: Wahre Erkenntnis geht einher mit permanenter Veränderung - ohne göttlichen Schmerz geht das nicht! Wer aber Veränderung verneint, kann per se keine göttliche Antwort bekommen.

Ist Weisheit nun Fluch oder Segen?

Ist letzten Endes eine Frage dessen, was man bevorzugt.....wer als Mensch aber nach mehr Erkenntnis sucht, der sollte sich die Vision Aischylos als deutlich zu negative Sichtweise klar machen.


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#4

RE: Ein alter Grieche

in Allgemeine philosophische Betrachtungen 01.08.2019 18:25
von kuschelgorilla | 3.292 Beiträge

So auch die eigenen Lebenslügen. Gibt man sie nicht preis oder verbannt sie in die hintersten Ecken der Erinnerung, so kommen sie doch immer wieder zurück. Das nennt man dann auch Gewissen.


Meine Motivation ging heute morgen winkend und lächelnd an mir vorbei


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#5

RE: Ein alter Grieche

in Allgemeine philosophische Betrachtungen 02.08.2019 16:37
von Athineos | 551 Beiträge

Ich suchte mir gerade einen Wolf in einer Aischylos - Konkordanz, wo das Wortpaar μαθεῖν - παθεῖν ( Lernen ist Leiden ) zu finden sei , um dadurch auf die Belegstelle zu kommen. Ich fand nix ....
Vielleicht weiß Sir Porthos als Zitator oder Atue, der über den Gefesselten Prometheus spricht, wo das Zitat zu finden ist.
Meinen Dank im Voraus!


Μολών λαβέ!


zuletzt bearbeitet 02.08.2019 16:37 | nach oben springen

#6

RE: Ein alter Grieche

in Allgemeine philosophische Betrachtungen 02.08.2019 22:20
von Gelöschtes Mitglied
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Mein Griechisch ist weniger als bescheiden......mein Google gibt mir unter anderem dieses.

Man findet einen Beitrag auch im Werk II. Die Ungerechtigkeit des Zeus im Prometheus Desmotes

Das ist eine Interpretation, und unter 36 findet sich:

Zitat
Das Motiv des Leidens findet sich an zentraler Stelle in der Theologie des Aischylos‚ doch ist das Leiden hier nicht sinnlos. Im Zeushymnos des Agamemnon ist es mit dem Lernen verbunden (πάθει μάθος)‚ an anderen Stellen verbunden mit dem Tun: das schuldige Tun wird Leiden nach sich ziehen‚ insbesondere wird die Bluttat durch Bluttat gesühnt werden. Das Vergehen des Prometheus wird aber als Schuld gezeichnet‚ die sich im Rahmen der ungerechten Zeusordnung ergibt. Sein Leiden‚ so wird Prometheus ganz am Ende des Stückes feststellen‚ ist‚ ungerecht’‚ und so wird es auch das Publikum empfinden‚ anders als dies in einem Drama des Aischylos der Fall wäre.



Auch hier wird also der Zeushymnos als Quelle benannt.

Meintest du das?


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#7

RE: Ein alter Grieche

in Allgemeine philosophische Betrachtungen 03.08.2019 17:09
von Athineos | 551 Beiträge

Nein, dennoch danke!
Ich meinte das Zitat aus Post #1. In welcher Trgödie des Aischylos ist das zu finden?


Μολών λαβέ!


zuletzt bearbeitet 03.08.2019 17:10 | nach oben springen

#8

RE: Ein alter Grieche

in Allgemeine philosophische Betrachtungen 03.08.2019 23:54
von Gelöschtes Mitglied
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Habe mal die Quellen bei Projekt Gutenberg durchgeschaut.....da ist das noch nicht veröffentlicht. Das hilft zwar nicht direkt - aber im Ausschlussverfahren......


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#9

RE: Ein alter Grieche

in Allgemeine philosophische Betrachtungen 04.08.2019 10:14
von Athineos | 551 Beiträge

Ich danke Dir! Wie gesagt, ich habe einige ( griechische ) Konkordanzen für Aischylos durchgesehen, und auch nichts gefunden! Was mich nachdenklich stimmt! Das einzige wären noch die alexandrinischen Scholien, aber die besitze ich natürlich nicht, und außerdem wäre der Aufwand zu groß!


Μολών λαβέ!
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#10

RE: Ein alter Grieche

in Allgemeine philosophische Betrachtungen 03.01.2020 19:07
von Wolfgang Hübler | 1 Beitrag

Das Zitat scheint mir durch diverse poetische Übersetzungen verfremdet. Die Herkunft aus "Agamemnon" wird dadurch schwer
nachvollziehbar.
Wahrscheinlich ist es eine Übersetzung aus Edith Hamiltons Werk von 1930: "The Greek Way", S. 61 u S. 194.
Ob die Übersetzung von Hamilton stammt, oder nur von ihr verwendet wird, konnte ich nicht ermitteln.
Es dürfte aber eine recht freie Übersetzung der zweiten Strophe des "Opfergesangs" im "Agamemnon" sein (etwa Z 175 ff).



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#11

RE: Ein alter Grieche

in Allgemeine philosophische Betrachtungen 05.04.2021 14:12
von denker_1 | 1.598 Beiträge

Zitat von Anthea

Und "wer lernt muss leiden"? Auch das stimmt. Transportiert aufs ganz normale Leben: "Wer nicht hören will muss fühlen". Oder "Die Strafe folgt auf dem Fuße".
Das haben schon die unfolgsamen Menschen Adam und Eva erfahren müssen.



Nicht nur diese beiden.

Allerdings muss dann der Mnesch nicht unbedingt nachhelfen wie das autoritäre Eltern oder Politiker grne machen. Mit Strafen bei Verstoß gegen die von denen aufgestellten Regeln die sie oft genug selber nicht einhalten.

Beispiele:

In den Neunzigern hatte ich bei der Landeskirche Kinder beaufsichtigt und betreut bei einem einmal monatlich am letzten Samstag des Monats stattfindenden Kindererlebnistag.

Einmal haben wir mit den Kids eine Radtour veranstaltet zum Thema "Ich bin der gute Hirte". Deshalb die Radtour und zwar zu einem echten Schäfer von heute. Kaum waren die Kinder am Ziel, interessierte die der elektrische Weidezaun. Völlig sinnlos die Warnung, da nicht dran zu fassen. Haben es alle gemacht und manche gleich mehrmals. Der Zaun war geladen. Ich habe denen in meiner unmittelbaren Nähe dann nur noch gesagt, dass sie das zuhause an der Steckose niemals machen dürfen der Elektroschock ist da noch um vieles schmerzhafter und gefährlicher.

Ein fiktives Beispiel. Da sein ein Kind im vevor stehenden Winter. Noch schneit es nicht aber das Kind geht raus. Ich fordere das Kind auf, Schal umzubinden, die Jacke richti bis oben hin zu schließen und Handschuhe zu tragen. Kind bindet keinen Schal um und verweigert die Handschuhe. Ein autoritärer Erzieher würde das Kind jetzt bestrafen weil es den Anordnungen des Erwachsenen nicht Folge geleistet hat. Ende des Ausfluges oder Fernsehverbot oder....

Wenn ich aber hier gar nichts mache auch nach dem Motto "wer nicht hören will muss fühlen", könnte das auch so gehen. Weil das Kind nicht den Wetterverhältnissen entsprechend gekleidet war, erkältet es sich. Liegt nun mehrere Tage mit Fieber im Bett und nun endlich kommt der Winter den das Kind so sehr herbeigesehnt hat. Rodeln, Schneemann bauen, Skifahren, .... Und wie oft hatten wir dann schon nur wenige Tage Schnee und dann taut alles wieder. So sei es auch in meinem Beispiel. Als es dem Kind wieder besser geht ist es vorbei mit der weißen Pracht. Alles aus. Hätte das Kind gehorcht als ich ihm sagte Schal um und Jacke richtig zu und Handschuhe an, hätte es sich nicht erkältet und hätte die herrlichen Wintertage in vollen Zügen genißen können.

Ist auch Leiden. Aber in meinem Fall durch eigene schmerzliche Erfahrung.

Was meinst Du, in welchem Fall wird das Kind das nächste Mal eher sich wettergerecht kleiden?

Bei autoritärer Anordnung durch die Eltern oder im Fall der eigenen schmerzlichen Erfahrung?


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#12

RE: Ein alter Grieche

in Allgemeine philosophische Betrachtungen 05.04.2021 16:31
von Anthea | 12.400 Beiträge

Zitat von SirPorthos im Beitrag #1
Und ganz und gar
gegen unseren Willen
kommt die Weisheit,
kommt zu uns
durch die schreckliche
Gnade Gottes.

Aischylos (525-456 vor Christus)

Und ich denke darüber nach, ob Dummheit nicht ein Segen ist,


Das fängt ja schon in der Bibel an, der Ärger und Frust durch "Erkenntnis".
Die Geschichte mit dem Apfel. "Und sie erkannten, dass sie nackt waren".

Im Stadium der Dummheit, resp. des Nichtwissens lebt es sich für viele ruhiger. Es tangiert eben nicht das, was andere, die intelligenter sind, mit höherem IQ ausgestattet, beunruhigt und was diese antreibt, immer wieder Dinge zu hinterfragen.
Tatsächlich ist es auch so, dass diese Menschen nicht beliebter sind als die eher einfachen Gemüter. Sie sind vielen eher suspekt, oft gelten sie abwertend als "Besserwisser". Man sagt: Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht... Das gilt auch oft für Dazulernen.

"Ist es nicht schrecklich, daß der menschlichen Klugheit so enge Grenzen gesetzt sind und der menschlichen Dummheit überhaupt keine?" Konrad Adenauer


Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi


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#13

RE: Ein alter Grieche

in Allgemeine philosophische Betrachtungen 05.04.2021 22:24
von SirPorthos | 3.127 Beiträge

Liebe Gemeinde,

hier ist eine ganz tolle aber auch zu kurze Doku über Kreta.

Sie lief heute auf ZDF nach den Nachrichten.

https://www.zdf.de/dokumentation/dokumentation-sonstige/kreta-leben-auf-der-insel-der-goetter-100.html

Was für eine wunderschöne Natur. Und die Kultur ist 5000 Jahre alt. Eine große Quelle des Wissens für Archäologen.

Lieben Gruß !


Imperare sibi maximum bellum est
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