Ich habe gelernt, dass ich sowohl bei allen laufenden Verfahren als auch bei den sehr schnellen Beurteilungen von abgeschlossenen Verfahren durch die Presse jedes Mal sehr vorsichtig bin, wenn es darum geht, mir eine eigene Meinung zu bilden.
Als Außenstehender beschäftige ich mich mit einem Fall wenige Minuten - bestenfalls mal ein bis zwei Stunden. Meine "Fakten" hole ich mir aus der ein oder anderen Presse, wobei dort oft schon sehr vorgefertigte Meinungen zu lesen sind.
Richter investieren in aller Regel besonders bei den Presserelevanten Fällen deutlich mehr Zeit. Dazu kommt, dass sie sich ein unmittelbares Bild vom potentiellen Täter und den Zeugen machen - etwas was ich auch aufgrund zeitlicher Restriktionen gar nicht kann.
Richter haben in aller Regel auch ein gutes Gespür dafür, ob und welche Bestrafung angemessen ist - vor allem aber haben Richter auch im Blick, dass das Ziel der Justiz regelmäßig nicht allein die Bestrafung ist, sondern den Täter darauf vorzubereiten, auch wieder ein Mitglied der normalen Gesellschaft werden zu können.
In Summe werden in Deutschland mehr als eine Million Zivilverfahren je Jahr abgehalten, ca. eine Dreiviertelmillion Strafverfahren kommen da noch hinzu. Von den meisten Verfahren bekommt man als Otto-Normalo recht wenig mit.
Ich habe ein hohes Vertrauen in unsere Justiz insgesamt - mir ist aber auch klar, dass Richter, Verteidiger und Staatsanwälte stets auch Menschen sind - und die machen auch Fehler. WENN sie einen Fehler machen, hat das dramatische Auswirkungen - mal für einen zu Unrecht angeklagten, mal für einen zu Unrecht verurteilten, mal für die Opfer von Straftaten, die traumatisiert werden.
Meine Erfahrung ist, wenn ich solche pressewirksam vermarkteten Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt einem Faktencheck hinterlege, kann ich in den meisten Fällen (soweit sie öffentlich sind) gut nachvollziehen, was einen Richter bewegt hat.