#1

Trampen - wünscht ihr es euch zurück? Habt ihr Episoden zu erzählen?

in Dies und das 19.04.2020 13:34
von Dissidentia | 134 Beiträge

Das waren noch Zeiten.
Mal schnell nach HH, M, oder auch nur in die nächste Disko.
Trampen nach Marseille zu den legendären Jazz-Festivals.
Mal schnell nach A-Dam einen reinziehen.
Nach Berlin durch die DDR -> Nonstop für die lange Transitstrecke war im Grunde gewiss.

Meine Episode: ca. 1981??
Meine Freundin und ich trampten samt Babykatze nach Berlin.
Problem, kein Impfpass und nichts, wir machten uns in unserem jugendlichen Leichtsinn gar keine Gedanken darüber.
Dann das Super-Glücklos gezogen.
Wir wurden von einem riesigen, luxeriösen, feudalen Wohnmobil (eher LKW) mit Perlmutt- Arbeitsplatte, Ledersitzen, Dusche und pipapo mitgenommen.

Die Katze mussten wir über die Grenze schmuggeln.
Die Typen machten das zum Glück mit.
Die Katze wurde in der Dusche versteckt.
Alles ging gut.
Bis wir eine Pause einlegten und der Beifahrer auf's Klo musste.
Die Katze hatte es zugeschissen.
Mist.
Diese zunächst netten Snobs schmissen uns gnadenlos raus.
Da standen wir nun mit illegaler, geschmuggelter Katze, mitten in der DDR mit ihren vielbefahrenen und hochfrequentierten Autobahnen.
Aber wir hatten wieder Glück.
Ein Trabbi nahm uns mit.
Was für eine Fahrt, nach dem feudalen Platzangebot im Luxus-Womo.
Aber wir waren dankbar und froh.
Ankunft Ostberlin nahe der Grenze.
Den Rest mussten wir zu Fuß gehen.
Ich kann mich nur noch dumpf erinnern, was für ein Galama das an der Grenze war, wie wir in Erklärungsnot kamen, wie und mit wem wir hier her kamen, warum wir zu Fuß unterwegs sind usw..
Trampen war in der DDR nicht grade angesehen.
Und das mit der Katze im Sack.
Der Puls war hoch, wir Teenies auch echt überfordert.
Das Katzenvieh gab wenigstens Ruhe und wir wurden nicht erwischt.
Man haben wir geschwitzt.

Ein Abenteuer!
Wie jede längere Tramper-Reise in dieser Zeit.


Ayn Rand: „Man ist frei die Realität zu ignorieren. Man ist frei, seinen Verstand von jedem Fokus zu befreien und jeden Weg blind hinab zu stolpern, den man möchte. Aber man ist nicht frei, den Abgrund zu vermeiden, den zu sehen man sich weigert.“
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#2

RE: Trampen - wünscht ihr es euch zurück? Habt ihr Episoden zu erzählen?

in Dies und das 19.04.2020 13:54
von Munro (gelöscht)
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Ich bin per Anhalter gefahren in Deutschland und Frankreich und der Schweiz und in Österreich und England und Wales und Schottland und Nord-Irland und der Republik Irland und Polen.


Scotland forever! - Land of my high endeavour! - Long may thy proud standard gloriously wave!
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#3

RE: Trampen - wünscht ihr es euch zurück? Habt ihr Episoden zu erzählen?

in Dies und das 19.04.2020 15:57
von Anthea | 12.402 Beiträge

Ich erinnere mich an einen eigentlich traurigen Mut und grenzenlosen Leichtsinn, den wir als junge Mädchen an den Tag legten. Wir, das waren meine Freundin und ich. Wenn wir abends aus der Altstadt kamen, leicht beschwingt und wir uns die Taxe sparen wollten. Oder auch, als wir einen Freund in Frankfurt besuchen wollten und dann ein unmoralisches Angebot von einem Geschäftsmann bekamen. Anstatt dass wir dann vorsichtshalber ausgestiegen wären, haben wir kühn und frech nach einem "nein" darauf gedrungen, dass er uns mitnehmen würde...Tat er auch und fuhr uns bis vor die Haustüre, obwohl das für ihn einen Umweg bedeutete.
Dass uns etwas passieren könnte, daran haben wir nicht gedacht.

---


Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi


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#4

RE: Trampen - wünscht ihr es euch zurück? Habt ihr Episoden zu erzählen?

in Dies und das 19.04.2020 21:36
von kuschelgorilla | 3.292 Beiträge

Hm? Ich bin meistens nur in die Disse der Nachbarstadt getrampt und auch wieder zurück...

Allerdings habe ich auf Reisen immer wieder gerne Tramper mitgenommen.
Am nachhaltigsten ist mir ein Schweizer im Gedächtnis geblieben, dessen Auto aufgebrochen und zur Beweissicherung grade von der Polizei abgeschleppt wurde. Die Gendarmen ließen ihn jedoch auf der Raststätte ohne Mitfahrgelegenheit stehen. Ich habe ihn dann von Rouen bis nach Cherbourg mitgenommen.
Ein paar Wochen später bekam ich aus der Schweiz ein Stück Schinkenspeck und Wein zugeschickt.
Irgendwie hat er sein Geschäft in Cherbourg dann doch noch machen können...


Meine Motivation ging heute morgen winkend und lächelnd an mir vorbei
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#5

RE: Trampen - wünscht ihr es euch zurück? Habt ihr Episoden zu erzählen?

in Dies und das 19.04.2020 21:49
von Dissidentia | 134 Beiträge

Die Gefahren, gerade als Mädel waren nicht ohne.
Ich kam auch in einige kritische Situationen.
Beim alleine Trampen.
Im Grunde mehr Glück, als Verstand.
Wie Teenies halt so sind.
Es ging zwar gut, hätte aber auch anders laufen können.

Die Tramperkultur fand ich aber klasse.
Wäre heute auch nicht schlecht, schont die Umwelt.
Selbst auf den Dörfern sieht man es nicht mehr oft.

Gerade heute meinem Sohn erzählt.
Es ging um das gesiezt werden.

Als ich endlich mit 18 mein erstes Auto hatte, nahm ich natürlich Tramper mit.
Es hatte mich total genervt, weil die mich alle siezten.

Interrail war auch klasse.
Da habe ich weit mehr erlebt als beim Trampen.
Die 80-er waren für mich echt total super.
Ich bin froh, dass ich diese Zeit erleben durfte.


Ayn Rand: „Man ist frei die Realität zu ignorieren. Man ist frei, seinen Verstand von jedem Fokus zu befreien und jeden Weg blind hinab zu stolpern, den man möchte. Aber man ist nicht frei, den Abgrund zu vermeiden, den zu sehen man sich weigert.“
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#6

RE: Trampen - wünscht ihr es euch zurück? Habt ihr Episoden zu erzählen?

in Dies und das 02.04.2023 17:40
von Anonymer Gutmensch | 40 Beiträge

Trampen? Das gehört einer anderen Zeit an, und ich will es gar nicht zurück haben.

Aber es gab eine Trampfahrt, die mein Leben damals, 1970, grundlegend geändert hat. Ich war 22, Student im 1.Semester, und hatte mich, wie das damals an der Zeit war, mit Sub- und Drogenkultur eingelassen. In jenem Sommer zelteten wir sechs Wochen in Egmont an der Nordsee und fuhren natürlich auch nach Amsterdem. Es war er Sommer, als gefühlte 15000 Hippies auf dem Boden der Damstraat saßen, auf ihrem Trömmelchen trommelten, ihre Flöten flöteten und ihre Joints rauchten. Mich überfiel bei diesem Anblick, dieser wabernden Geräuschkulissen, diesen Geruch nach Hasch ein komisches, ungutes Gefühl, daß da etwas nicht stimmte, aber ich konnte es da noch nicht benennen.

Ein paar Tage später trampte ich mit zwei Freunden los nach Süden. In Gent nahm uns eine junge Französin mit nach Paris, es war eine Nachtfahrt, und ich kam mit ihr ins Gespräch. Sie war gerade von einer Autoreise durch Südamerika zurück, und sie erzählte davon. Dann beschrieb sie, daß sie gerade aus Amsterdem käme und dort die Hippies gesehen hätte. Sie habe sie als unendlich traurig empfunden. Das war es, das Wort, das mir fehlte: traurig. Diese jungen Menschen dort sauf der Damstraat waren traurig, ziellos, gelähmt. Ich sah mich, wie ich das letzte halbe Jahr in ähnlicher Gefahr gestanden hatte. Etwas kam in jenem Sommer in mir in Bewegung, und im Radio sangen die Beatles "Blackbird", und die junge Französin und ich sangen leise mit.

Den letzten Schubs erhielt ich dann drei Wochen später auf der Wiese des Bauern Petersen auf Fehmarn beim grandios gescheiterten Pop Concert. Am Eingang zum Festivalgelände standen die Rocker aus Hamburg als Platzordner und schwangen ihre Motorradketten, als wäre Altamont, als die Rocker aus LA in der neunten Reihe vor der Bühne einen Teilnehmer namens Meredith Hunter erstachen, einfach so und in Sichtweite der Stones, und Mick Jagger zeigte sich in seiner völligen Hilflosigkeit. Jimi Hendrix habe ich noch gesehen, wie er im strömenden Regen sein Set runterspulte und vier Wochen später starb.

Das war mein Austritt aus der Subkultur. Seitdem habe ich nie wieder einen Joint angefaßt, Jahre später allerdings den Wein zu sehr, Aber das habe ich jetzt auch hinter mir.


Anthea hat sich bedankt!
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#7

RE: Trampen - wünscht ihr es euch zurück? Habt ihr Episoden zu erzählen?

in Dies und das 02.04.2023 18:24
von Anthea | 12.402 Beiträge

Danke für den Bericht aus irgendwie "einer anderen Welt". Denn heute würde man wohl nicht mehr so unbefangen an das trampen herangehen.

Ja, die Menschen, die sich im Genuss von Drogen verloren haben, sind auf eine besondere Weise traurig. Aber ich glaube, die meisten Leute heutzutage sehen sie nicht so, nicht als "Verlorene" im eigenen Schicksal...
Die junge Französin hatte sie erkannt.

Ich habe zwar früher geraucht, aber immer Angst vor Drogen gehabt und nie welche probiert. Na ja, Alkohol ist auch eine Droge. Und ich habe nicht ins Glas gespuckt.


Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi


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#8

RE: Trampen - wünscht ihr es euch zurück? Habt ihr Episoden zu erzählen?

in Dies und das 04.04.2023 22:54
von moorhuhn | 1.486 Beiträge

Trampen war zu meiner Jugendzeit beinahe der ÖPNV, lach


Der frühe Vogel kann mich mal !
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