Trampen? Das gehört einer anderen Zeit an, und ich will es gar nicht zurück haben.
Aber es gab eine Trampfahrt, die mein Leben damals, 1970, grundlegend geändert hat. Ich war 22, Student im 1.Semester, und hatte mich, wie das damals an der Zeit war, mit Sub- und Drogenkultur eingelassen. In jenem Sommer zelteten wir sechs Wochen in Egmont an der Nordsee und fuhren natürlich auch nach Amsterdem. Es war er Sommer, als gefühlte 15000 Hippies auf dem Boden der Damstraat saßen, auf ihrem Trömmelchen trommelten, ihre Flöten flöteten und ihre Joints rauchten. Mich überfiel bei diesem Anblick, dieser wabernden Geräuschkulissen, diesen Geruch nach Hasch ein komisches, ungutes Gefühl, daß da etwas nicht stimmte, aber ich konnte es da noch nicht benennen.
Ein paar Tage später trampte ich mit zwei Freunden los nach Süden. In Gent nahm uns eine junge Französin mit nach Paris, es war eine Nachtfahrt, und ich kam mit ihr ins Gespräch. Sie war gerade von einer Autoreise durch Südamerika zurück, und sie erzählte davon. Dann beschrieb sie, daß sie gerade aus Amsterdem käme und dort die Hippies gesehen hätte. Sie habe sie als unendlich traurig empfunden. Das war es, das Wort, das mir fehlte: traurig. Diese jungen Menschen dort sauf der Damstraat waren traurig, ziellos, gelähmt. Ich sah mich, wie ich das letzte halbe Jahr in ähnlicher Gefahr gestanden hatte. Etwas kam in jenem Sommer in mir in Bewegung, und im Radio sangen die Beatles "Blackbird", und die junge Französin und ich sangen leise mit.
Den letzten Schubs erhielt ich dann drei Wochen später auf der Wiese des Bauern Petersen auf Fehmarn beim grandios gescheiterten Pop Concert. Am Eingang zum Festivalgelände standen die Rocker aus Hamburg als Platzordner und schwangen ihre Motorradketten, als wäre Altamont, als die Rocker aus LA in der neunten Reihe vor der Bühne einen Teilnehmer namens Meredith Hunter erstachen, einfach so und in Sichtweite der Stones, und Mick Jagger zeigte sich in seiner völligen Hilflosigkeit. Jimi Hendrix habe ich noch gesehen, wie er im strömenden Regen sein Set runterspulte und vier Wochen später starb.
Das war mein Austritt aus der Subkultur. Seitdem habe ich nie wieder einen Joint angefaßt, Jahre später allerdings den Wein zu sehr, Aber das habe ich jetzt auch hinter mir.