#1

Die christliche Paralleljustiz in Deutschland

in Religion und Ethik 17.06.2021 17:03
von Anthea | 12.404 Beiträge

Über die weiß wohl kaum jemand etwas? Vor allen Dingen wird nicht darüber gesprochen.
Aber es gibt sie. In Form von 22? Kirchengerichten in unserem Land! Da gibt es keine staatliche Kontrolle.

2013 erschien das Buch von Eva Müller, die als freie Journalistin für die ARD/WDR arbeitete, u.a. für Monitor. „Gott hat hohe Nebenkosten. Wer wirklich für die Kirchen zahlt“, wurde ein Beststeller Eva Müller erhielt zahlreiche Preise z.B. Deutscher Fernsehpreis, den CNN Award „Journalist oft the Year“ etc.

<<Richter Gottes
Die geheimen Prozesse der Kirche. Paralleljustiz mitten in Deutschland
Wenn Priester zur Vernehmung bitten

Für hunderttausende Angestellte der katholischen Kirche, für Lehrer, Ärzte und Kindergartenleiter, gilt bis heute: Wer katholisch getraut ist und eine neue Beziehung eingeht, riskiert seinen Job. Der einzige Ausweg, den die Kirche bietet: einen »Ehenichtigkeitsprozess«. Die einstigen Partner müssen dort beweisen, dass ihre erste Eheschließung nicht den Ansprüchen der katholischen Kirche genügt hat und deshalb nie gültig war. In aufwendigen Verfahren werden die Gläubigen von Kirchenrichtern vernommen, Freunde, Nachbarn oder
Familienmitglieder als Zeugen befragt und Psychologen und Priester um Gutachten gebeten.
22 Kirchengerichte gibt es in Deutschland. So gut wie nichts dringt über sie an die Öffentlichkeit, denn alle Verfahrensbeteiligten werden zur Geheimhaltung verpflichtet – auch, was ihre zweite heikle Aufgabe betrifft: die Ahndung von sexuellem Missbrauch in der Kirche.
Eva Müller konnte vertrauliche Akten einsehen, sprach mit Richtern, Gutachtern, Priestern und mit Paaren, deren Existenz vom Urteil eines Kirchengerichts abhängt. Ihr Buch zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie die katholische Kirche jenen begegnet, die ihr Leben nicht so gestalten, wie sie es vorsieht. <<
https://books.apple.com/gb/book/richter-...5875?ign-gact=1

Darauf sollte das Augenmerk gerichtet werden. Denn das sind menschenverachtende Methoden, die da angewandt werden. Siehe z.B. das Schnüffeln in den privatesten Dingen der Menschen. Seitens der "heiligen Mutter Kirche". Von den Männern in den langen Gewändern, worunter sich trefflich die Geilheit verstecken lässt, die so mancher Messdiener, Chorknabe und Abhängiger zu spüren bekam/bekommt.

Sollte Paralleljustiz nicht grundsätzlich verboten werden? Beim Islam ist eine derartige Forderung durchaus laut vernehmbar und so genannte Imane als "Richter und Schlichter" sind bereits zu Recht im Fokus der Kritik.


Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi


zuletzt bearbeitet 17.06.2021 17:14 | nach oben springen

#2

RE: Die christliche Paralleljustiz in Deutschland

in Religion und Ethik 17.06.2021 19:17
von moorhuhn | 1.486 Beiträge

Zitat von Anthea im Beitrag #1
Sollte Paralleljustiz nicht grundsätzlich verboten werden?


Warum, im Grunde sind solche Kirchenverfahren- und Urteile null und nichtig, weil sie in ihren Grundlagen gegen das GG/die Grundrechte verstoßen.
In Zeiten von Säkularisierung und dem Postulat des staatlichen Gewaltmonopols muten solche Tendenzen nahezu grotesk an.

Das Kernproblem ist aber wieder mal der Mensch selbst, der sich in permanenten Zielkonflikten befindet. Auf der einen Seite steht der Glaube an Gott jedes Einzelnen, auf der anderen die weltliche Institution Kirche, die ihre Pfründe bewahren will.
Man muss religiöse Paralleljustiz nicht "verbieten", weil die deutsche Gesetzgebung die Rechtsbeziehungen und ihre ethisch-moralischen Grundlagen ausreichend beschreibt und absichert.
Werden nun Gläubige in ihren Grundrechten beschnitten, steht ihnen der ordentliche Rechtsweg jederzeit frei, was natürlich einen erheblichen Vertrauensverlust bzw. Abwendung/Ausschluss von/aus der Kirche (nicht vom Glauben an Gott) nach sich zieht.
Die vielen Kirchenaustritte sind eventuell ein Beleg dafür, dass viele Gläubige diese Scheinheiligkeit satt haben.

Andererseits folgen viele gehorsam der Kirchenjustiz, weil sie ökonomisch abhängig sind, dieses Phänomen findet man im weltlichen Bereich ebenso- Niedriglohnsektor, Ausbeutung und duldsames Ertragen von erpresserischen Arbeitgebern.
Und man darf "Gläubigkeit" auch nicht unterschätzen, Gehorsam und Buße (für was auch immer) haben traditionsgemäß die meisten Religionsanhänger mit der Muttermilch eingesogen, die mucken nicht auf. Darin sind alle Religionen gleich.

Einzig das Missbrauchsthema wird m.E. von staatlicher Seite ungenügend verfolgt und geahndet, hier erschöpft sich staatliche Verantwortung in Kenntnisnahme und unter Verschluss gehaltenen Prozessakten. Und auch das ist erklärbar mit der überwiegenden schweigenden Anerkennung einer mittelalterlichen Instanz, die schließlich seit 2000 Jahren ein Kompass für ein friedliches und solidarisches Miteinander ist.


Der frühe Vogel kann mich mal !
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#3

RE: Die christliche Paralleljustiz in Deutschland

in Religion und Ethik 18.06.2021 09:23
von Meridian | 2.859 Beiträge

So lebt die Inquisition auf schleichende Art weiter. Das weg zu kriegen liegt aber am Einzelnen. Wenn man sich vom Glauben durch eine Institution wie die kath. Kirch erpressen lässt, ist es die Aufgabe, sich davon zu befreien. So jemand wird ja nicht daran gehindert, seinen Glauben weiter zu leben, nur ohne Kirche. Das steht sogar in der Bibel. Denn Jesus sagte (weiß die Stelle aber nicht mehr), dass jeder seinen eigenen Tempel in sich selber tragen müsse. Vom Bau von Kirchengebäuden steht kein Wort im Neuen Testament. Ebenso wenig steht dort etwas von einer Institution namens "Katholische Kirche".

Offenbar haben wir eine Zeit und Art der Aufklärung erreicht, wo man seinen Glauben immer mehr unabhängig von kirchlichen Institutionen leben kann. Angesichts der weiter bestehenden Kirchenaustritte scheint das auch so zu erfolgen. Das größte Problem beim Austreten ist dabei nicht die Gefahr von inquisitorischer Verfolgung nebst hochnotpeinlicher Befragung usw., sondern das Lösen der eigenen inneren Abhängigkeit von der Kirche, die bei vielen noch tief sitzt.

Überhaupt hat die Coronakrise keineswegs zu einer Umkehr zur Kirche geführt. Das ist auf die Menschheitsgeschichte durchaus als ungewöhnlich zu betrachten. Bei Seuchen und anderen Katastrophen haben die Menschen oft Buße getan und sind erst recht der Kirche beigetreten. Und ich denke, dass mit weiteren Austritten die christliche Paralleljustiz an Macht verlieren wird.


Die äußere Welt ist der Spiegel deines Inneren.


Anthea hat sich bedankt!
zuletzt bearbeitet 18.06.2021 09:24 | nach oben springen

#4

RE: Die christliche Paralleljustiz in Deutschland

in Religion und Ethik 18.06.2021 10:20
von Anthea | 12.404 Beiträge

Zitat von Meridian im Beitrag #3
Das größte Problem beim Austreten ist dabei nicht die Gefahr von inquisitorischer Verfolgung nebst hochnotpeinlicher Befragung usw., sondern das Lösen der eigenen inneren Abhängigkeit von der Kirche, die bei vielen noch tief sitzt.


Genau das ist wohl die Hemmschwelle. Da wurde man von klein auf belehrt, dass es verwerflich ist, sich der Gemeinschaft zu entziehen. Schon lauert Lucifer und die Hölle.

Ich habe mich seinerzeit auch schwer beim Austritt getan. Ich hatte einen Pastor konsultiert, ihm vorgetragen, dass ich auszutreten gedächte, jedoch mich verpflichten würde, ganz gezielt die dann nicht mehr eingezogene Kirchensteuer direkt einer bedürftigen Familie zukommen zu lassen. Und eine solche möge er mir dann aus seiner Gemeinde benennen. Mein Ansinnen stieß auf Empörung, das ginge aber nicht. Aber selbstverständlich könne ich Geld spenden, dies zu seinen Händen verbringen, und er würde sich dann um die Weiterverwendung kümmern...
Das war nicht in meinem Sinne.

Na ja, der Austritt war ganz einfach. Und so es mich nach der Atmosphäre einer Kirche gelüstete, stand da auch niemand, der mir den Eintritt verwehrte.

Aber ich gerate gerade ins OT plaudern. Die Macht der Kirche bleibt dennoch ungebrochen und der Klerus will auch gar nichts anderes, als diese immer wieder an Gläubigen zu demonstrieren, die es leider nicht schaffen, eine klare Grenze zwischen ihrem Gott und dessen Vermarktung seitens des Wirtschaftsunternehmens Kirche zu ziehen.

Ein Unding in meinen Augen ist, dass das 1933 geschlossene Reichskonkordat noch immer Gültigkeit hat. Dass es nicht gekündigt wird ist der Tatsache geschuldet, dass bei einer Aufkündigung - was vernünftig wäre - jede Menge an Geldern an die Kirche fließen müssten. Die hat schon immer gewusst, wo sie "absahnen" konnte.

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Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi


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