RE: Architektur
in Malerei, Bildhauerei und Architektur 17.05.2018 17:03von Jackdaw • | 454 Beiträge
Zitat von woipe im Beitrag #59Weswegen wohl sind die Plattenbauten in der DDR in so vielen Städten als Wohnumfeld der werktätigen Bevölkerung hochgezogen worden? Einerseits als Beleg der Leistungsfähigkeit des "Systems" und jener werktätigen Bevölkerung daselbst; und zudem, damit sich schon optisch kein Anlass bot, den Nachbarn zu beneiden… in den Plattenbausiedlungen gingen die Menschen etwa zeitgleich in ähnlicher Kleidung zur Arbeit oder kehrten von selbiger heim. Ihre Freizeit verbrachten sie im Sportverein, im FDJ-Heim oder auch "individuell" beim Basteln/Reparieren nicht so bald durch Neukauf zu ersetzender Geräte…
[…] wenn häuser in reih und glied stehen, vermittelt mir das aber auch etwas von menschen, die in reih und glied stehen […]
Dass sich weite Teile der Bevölkerung nach diesen Erinnerung an ein verhältnismäßig ruhiger Miteinander innerhalb einer geordneten Gesellschaft zurücksehnt, ist also irgendwie verständlich.
Das Baukastensystem der Plattenbauten war ja keineswegs kreativitätshemmend. Und selbst die zwischenzeitlich vorzunehmenden Modernisierungsmaßnahmen (thermische Isolierung, Raumheizung, Doppelverglasung etc.) hätte sich rasch und kostengünstig vornehmen lassen, würde man Nachrüst-Paneele in den vorhandenen Abmessungen produzieren…
Die bürgerliche Architektur im mittelalterlichen Städtebau, ob Fachwerk, ob Patrizierhaus, ja selbst im Villenbau der Gründerzeit und des Jugendstil diente doch als Aushängeschild des eigenen Erfolges und der Distinktion.
Zitat von woipe im Beitrag #59Das antike Hellas war ein loser Verbund ansonsten autonom verwalteter Polis. Dennoch unterscheiden sich die Kulturen dieser Städte nicht so signifikant… im Mittelalter bildeten vor allem Königreiche zentralistisch regierte Staaten - und betrachtet man die Demokratisierung (seit der Unabhängigkeit der USA, der Französischen Revolution und vor allem der britischen Geschichte des Parlamentarismus), stellt man doch eher fest, dass die deutsche Kleinstaaterei, trotz exquisiter Leistungen auf kulturellem Gebiet vor allem in den kleineren Duodezfürstentümern (etwa Wolfenbüttel und Eutin) dem gewöhnlichen Menschen kein sonderlich geistfreies oder die Kreativität anregendes Lebensumfeld geboten hat. Am ehesten befördert wurde, wie auch die Literaturgeschichte zeigt, die Inspiration zu Schelmenromanen…
[…] dass ein zentralistischer staat das individuelle und damit die kreativität abtötet. […]
Zitat von woipe im Beitrag #59Kunst lässt sich politischem Drumherum nie völlig trennen - aber Kunst, die vor allem einer politischen Strömung dienen will, ist nun auch nicht unbedingt wünschenswert.
[…] kunst hat ganz sicher ihre politschen aspekte. […]
Man darf ja gern Verständnis dafür haben, dass die Manifeste des Expressionismus und des Futurismus als Reaktion auf den als unerträglich empfundenen Formalismus der damaligen Kunsthochschulen und der namhaften Kunstkritiker formuliert worden sein mögen. Aber in welchem Zustand befindet sich denn das "anything goes" der Gegenwartskunst?
RE: Plattenbauten
in Malerei, Bildhauerei und Architektur 17.05.2018 17:20von Jackdaw • | 454 Beiträge
Zitat von Till im Beitrag #62Der Terminus "Plattenbauten" wird zumeist im Zusammenhang mit der DDR genannt… dass in französischen Großstädten und ihrem näheren Umland Banlieues gibt, die ein weit lebensfeindlicheres Wohnumfeld bieten, ist bekannt; auch in England sind Großwohnsiedlungen von einiger Tristesse und sich darin rasch ausbreitender Kriminalität und darauf folgenden sozialen Unruhen entstanden.
Nur in der DDR?
In den USA fand sich das "Vorbild" für jene sozialen Brennpunkte, aber Pruitt Igoe ist längst dem Erdboden wieder gleichgemacht.
RE: Plattenbauten
in Malerei, Bildhauerei und Architektur 17.05.2018 21:38von Jackdaw • | 454 Beiträge
Zitat von Till im Beitrag #64Mit dem in den 1920er Jahren zur besseren Flächennutzung begonnen Hochhausbau in dichtbebauten städtischen Arealen amerikanischer Großstädte reicht der konventionelle Bautyp, bei dem die Außenmauern die Hauptlast der Statik zu tragen hatten, nicht mehr aus - die Betonskelettbauweise mit daran hängend befestigten Fassadenteilen war geboren.
[…] Ich kenne jede Menge Plattenbauten in Westdeutschland.
Serienmäßig produzierte Formteile standen also bald in ausreichender Auswahl zur Verfügung, um Bauten dieses Typs in unterschiedlichster Weise abwechslungsreich zu gestalten.
In Westdeutschland dürften unter den Pattenbauten eher die meist zentrumsnah errichteten Kaufhäuser verstanden werden, von denen Horten (längst untergegangen) die Fassadengestaltung als Markenzeichen eingesetzt hat. Das ist sicher ein interessantes Kapitel deutscher Nachkriegsarchitekturgeschichte, aber ich werde den verdacht nicht los, dass Du bloß den Gesprächsverlauf stören wolltest, um nochmals darauf hinzuweisen, an Architektur kein Interesse zu haben.
Tut mir leid, wenn du dich in deinen Elogen gestört fühlst. Mich stört es, wenn Plattenbauten immer in einem Atemzug mit der DDR genannt werden, obwohl es in der BRD im sozialen Wohnungsbau genau so viele Beispiele gibt. Aber ich lass dich jetzt in Ruhe, Sensibelchen. Wenn das hier eine Architektur-Vorlesung werden soll, kann ich eh nicht mitreden.
RE: Plattenbauten
in Malerei, Bildhauerei und Architektur 17.05.2018 22:13von Jackdaw • | 454 Beiträge
Zitat von Till im Beitrag #66Das ist wohl historisch bedingt. Die erste Wohnsiedlung in Großplattenbauweise ist um 1918 in Forest Hills entstanden, das ehrgeizige Wohnungsbauprogramm, dem die Siedlung Pruitt Igoe zu verdanken ist, deren Niedergang leider rasch erfolgte, hatte ich bereits erwähnt. Die Frage ist halt, wo soll man hin, mit all den Menschen, die auf der Fläche einer Stadt Wohnung, Arbeit und soziale Teilhabe suchen?
[…] Mich stört es, wenn Plattenbauten immer in einem Atemzug mit der DDR genannt werden […]
RE: Architektur - eine kleine stichelei aber nicht bös gemeint
in Malerei, Bildhauerei und Architektur 18.05.2018 10:29von woipe (gelöscht)
@ jawdaw
mir als bildendem künstler sind die emotionalen punkte einfach wichtiger.
sie sind nicht richtiger oder falscher als deine ausführungen, die ich durchaus schätze, aber eben meine prioritäten.
"nichts habe ich mir fester zum grundsatz gemacht, als meine lebensführung nicht nach euren vorurteilen zu gestalten." seneca
Zitat von woipe im Beitrag #68Ob "emotionaler Hausbau" bezahlbaren Wohnraum und ein angenehmeres Wohnumfeld zu schaffen imstande wäre? Du hattest, meine ich, die Vermeidung rechter Winkel bereits als problematisch für die Arbeit von Küchenplanern wahrgenommen - und der ebenfalls angesprochene unebene Fußboden könnte sich ebenfalls als unangenehm herausstellen. (Nach dem Umbau des Bahnhofs Uelzen in einen "Hundertwasser"-Bau ist mir dies auch äußert unangenehm aufgefallen, als ich durch die spärlich ausgeleuchtete Unterführung vom Mittelbahnsteig zum Bahnhofsgebäude stolperte)
mir als bildendem künstler sind die emotionalen punkte einfach wichtiger. […]
Zitat von Jackdaw im Beitrag #69Zitat von woipe im Beitrag #68Ob "emotionaler Hausbau" bezahlbaren Wohnraum und ein angenehmeres Wohnumfeld zu schaffen imstande wäre? Du hattest, meine ich, die Vermeidung rechter Winkel bereits als problematisch für die Arbeit von Küchenplanern wahrgenommen - und der ebenfalls angesprochene unebene Fußboden könnte sich ebenfalls als unangenehm herausstellen. (Nach dem Umbau des Bahnhofs Uelzen in einen "Hundertwasser"-Bau ist mir dies auch äußert unangenehm aufgefallen, als ich durch die spärlich ausgeleuchtete Unterführung vom Mittelbahnsteig zum Bahnhofsgebäude stolperte)
mir als bildendem künstler sind die emotionalen punkte einfach wichtiger. […]
ich widerspreche dir nicht.
es gibt eben menschen, die brauchen eine gerade führung um zu wissen, wo sie hingehören.
andere aber eben nicht - sondern das gegenteil, weil sie sonst eingehen.
"nichts habe ich mir fester zum grundsatz gemacht, als meine lebensführung nicht nach euren vorurteilen zu gestalten." seneca
In der doch gar nicht allzu sehr entfernt liegenden Anfangszeit dieses Thread war u.a. von Burgen die Rede - und davon, dass entlang des Mittelrheins ja etliche Zeugen dieser mittelalterlichen Wehrbauten anzutreffen sind. Der (wegen der sich bietenden Aussicht) als Auflugsziel beliebte Drachenfels, dessen Burg seit geraumer Zeit eine Ruine ist, muss jetzt wegen doch zunehmender Steinschlaggefahr grundsaniert werden. Und wie das bei solchen Arbeiten ist: Kaum hat man angefangen, entdeckt man, dass an anderer Stelle Vorarbeiten zu leisten wären, damit's nicht nutzlos gewesen ist… da Burgen ihren ursprünglichen Daseinszweck längst nicht mehr genügt, genügt die Konservierung der Bausubstanz als Ruine, was zugleich garantiert, dass auch ältere Fotos (als regionales Ansichtskartenmotiv etwa) weiterhin nutzbar bleiben.
Im Garten des Hauses aus dem Dorf, aus dem ich stamme, steht eine uralte Eiche. Sie ist älter als Generationen meiner Sippe.
Sie hat Kriege überlebt, Unwetter und alles Ungemach der Welt.
Sie ist ein Ruhepunkt. Ihre "Architektur" ist schöner als alles Menschenwerk.
Und sie wird auch mich überdauern. Gott sei es gedankt.
Wenn ich unter ihr sitze und sie mich beschützt mit ihrem Geäst und Blättern fühle ich mich geborgen. Kein Blitz wird mich treffen. Das weiß ich.
Gruß aus Hamburg !
@ sirporthos
und ja sie ist einzigartig. es gibt keine zweite wie diese. diese "individualität" steckt eben in lebewesen.
"nichts habe ich mir fester zum grundsatz gemacht, als meine lebensführung nicht nach euren vorurteilen zu gestalten." seneca
RE: zum thema baumarchitektur
in Malerei, Bildhauerei und Architektur 18.05.2018 22:21von woipe (gelöscht)
@ sirporthos
zum thema baum fällt mir noch was ein.
bäume können auch in ihrer gesamtheit architektur sein -bzw. grenzgänger zwischen architektur, skulptur und malerei im weiteren sinne .
angelegt in alleen, parkanlagen oder generell als "landart".
manchmal denke ich dann auch an christo mit seinen verhüllungen...
"nichts habe ich mir fester zum grundsatz gemacht, als meine lebensführung nicht nach euren vorurteilen zu gestalten." seneca
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