Der französische Literaturpreisträger des Prix-Goncourt Mathias Ènard hielt vor der Konrad Adenauer Stiftung eine beachtenswerte Rede: Unsere grausame Ohnmacht. Und spricht darin die Macht der Gewöhnung am Beispiel von Afghanistan, Syrien und Jemen an. Schreckliche Dinge werden zum Alltag. „Man gewinnt immer mehr den Eindruck, dass die Revolution, das Regime, Syrien nur noch Accessoires, tödliche Spielzuge in den Händen anderer Mächte sind. Wir schauen zu, wir zählen die Schläge, wir führen so genau wie möglich Buch über die Toten. Ich sage wir und meine uns, die Europäer. Denn wir haben uns schließlich dafür entscheiden, unser Schicksal mit einer politischen Einheit zu verknüpfen, der Europäischen Union, die uns vor Krieg bewahren soll“.
Die Übersetzung seiner Rede hier:
https://rp-online.de/kultur/mathias-enar...he_aid-23584951
Lethargie der Ohnmacht, Schwäche, geboren aus dem Bewusstsein einer Handlungsunfähigkeit. Ohnmacht als ein Ergebnis des Wissens um die Dummheit und Grausamkeit der „Bestie Mensch“? Wachsend ohne Widerstand? Das sagt Ènard nicht, sondern er sucht anders nach Schuldigen und hat einen solchen auch – irgendwie – im "Anonymum Wirtschaft" gefunden.
Ènard sagt am Ende seiner Rede: „[…]Europa ist heute desorientiert. Wir alle sollten uns von Neuem für die Wege der Welt interessieren. […]“
Mir fiel der Titel eines Romans ein: „Niemand ist eine Insel“. Aber viele haben sich im Innern ihre eigene Insel der Abschottung geschaffen.
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