#1

Neuer Name, alter Inhalt

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 07.01.2022 18:30
von Anthea | 12.392 Beiträge

Hartz4 soll einen neuen Namen bekommen: Bürgergeld. Hört sich irgendwie besser an. Die Verbesserungen reißen zwar in ihrer Gesamtheit ein Loch in die Kassen, sind aber für einen Bezieher recht unbeträchtlich.

Eigentlich sollte dies eine Bezeichnung für ein bGE für alle sein!

Eigentlich viel Lärm um nichts, bzw. wenig.

Was viel wichtiger ist, dass sich die Koalition - wie angegeben - gezielt um den Missbrauch der staatlichen Leistungen kümmert. Dabei ist nicht der "kleine Mann" gemeint, sondern die diversen Clans, die ihre Edelkarossen um die Ecke parken, wenn sie einen Antrag abgeben. Bewilligung war offenbar über viele Jahre absolut kein Problem.
Wie immer: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen.

Hier ein Artikel, beispielhaft für viele, dazu:

https://www.focus.de/politik/deutschland...d_24455720.html


Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi


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#2

RE: Neuer Name, alter Inhalt

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 07.01.2022 22:44
von Atue (gelöscht)
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Ich würde das erst mal abwarten wollen. Einen wichtigen Unterschied gibt es schon mal beim Thema Vermögen. Das Schonvermögen soll erhöht werden, und zwei Jahre lang soll es Bezug des Bürgergeldes ohne Vermögensprüfung geben.
Bei den Wohnkosten soll auch in den ersten zwei Jahren eine Angemessenheitsprüfung entfallen.
Die bisherigen Sanktionen bei Hartz IV werden erst mal für ein Jahr ausgesetzt - in dieser Zeit soll die Sanktionsthematik neu überarbeitet werden.
Ein höherer Zuverdienst ist vereinbart. Ob das ausreicht, die Grenze in Richtung Geringverdiener durchlässiger zu machen, wird sich zeigen.
Schüler- und Studentenjobs sollen in Bedarfsgemeinschaften nicht mehr auf Hartz IV angerechnet werden.

Und was man nicht vergessen sollte: Kinder werden zukünftig neu geregelt, weil diese ja dann nicht mehr über heute noch Hartz IV abgewickelt werden, sondern zukünftig über die Grundsicherung - das ist ein anderes Konstrukt.

Was man auch nicht vergessen sollte, dass mit der geplanten Erhöhung des Mindestlohnes auf 12€ sich auch etwas für einige Betroffene ändern kann.

Mal sehen, was genau übrig bleibt, wenn der Gesetzgebungsprozess durch ist. Es ist sicher weniger, als auch ich mir erhofft hätte, aber schon mal mehr, als bisher.



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#3

RE: Neuer Name, alter Inhalt

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 08.01.2022 10:33
von Findus | 2.509 Beiträge

Das Bürgergeld greift einige liberale Konzeptionen auf. Die höheren Hinzuverdienstgrenzen entsprechen z.B. dem liberalen Grundsatz, dass sich Leistung lohnen soll. Der Bezug des Bürgergeldes ohne Vermögensprüfung ein erster kleiner Schritt in Richtung der liberalen Konzeption eines bGE.
Die Erhöhrung des Mindestlohnes auf 12 Euro hingegen dürfte vor allen Dingen ein Zugeständnis an die SPD sein.


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#4

RE: Neuer Name, alter Inhalt

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 16.09.2022 11:00
von Meridian | 2.857 Beiträge

Zum Bürgergeld gibt es nun mehr Details:

https://www.derwesten.de/politik/buerger...d300002802.html

V.a. der Regelsatz wird auf 502€ erhöht, was aber leider durch die Inflation aufgefressen wird. Zuverdienstmöglichkeiten sollen auch verbessert werden, aber noch nicht klar, wie genau. Weiterbildung wird künftig belohnt.

Der Grundgedanke vom Bürgergeld ist das geringere Misstrauen gegenüber Arbeitslosen, der zunächst erst einmal edel ist.

https://www.spiegel.de/kultur/buergergel...9c-899f59d1c672

Interessant ist die Kritik v.a. viele Arbeitgeberverbände, die befürchten, dass jetzt das Faulenzertum kommen werde. Glaube ich nicht, denn real wird sich für Bürgergeld-Bezieher wenig verbessern. Ja, das Bürgergeld geht in die Richtung Grundeinkommen, aber nur in die Richtung. Und da der Mindestlohn auch steigt und untere Einkommensgruppen steuerlich entlastet werden, muss man eine "soziale Hängematte" weniger befürchten.

https://www.butenunbinnen.de/nachrichten...kommen-100.html

Ich glaube, die Kritik kommt v.a. von solchen Arbeitgebern, die den Mindestlohn oder kaum mehr zahlen. Aber auch eine andere Angst dürften solche Arbeitgeber haben, die bislang als cholerisch und sonstwie unangenehm gelten: Nämlich dass Leute lieber kündigen als unter schlechten Bedingungen zu arbeiten. Bei einem bedingungslosen Grundgehalt wäre das noch wahrscheinlicher.


Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.
(Benjamin Franklin)
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#5

RE: Neuer Name, alter Inhalt

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 05.11.2022 17:24
von Findus | 2.509 Beiträge

Zitat von Anthea im Beitrag #1
Eigentlich viel Lärm um nichts, bzw. wenig.



Und der Union trotzdem schon zu viel


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#6

RE: Neuer Name, alter Inhalt

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 08.11.2022 00:58
von Atue (gelöscht)
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Das gesamte Thema der Existenzsicherung bleibt in Deutschland ein Stückwerk. Verteilt auf viele verschiedene Gesetze werden sowohl im Bereich der Steuerpolitik als auch der Sozialpolitik mal hier mal da Reformen angegangen - und jeder der Reformiert kann sich gewiss sein, dass es viele Verbände, Vereine, Parteien, Bündnisse, etc. etc. etc. gibt, die jeweils was individuelles auszusetzen haben.

Der gemeine Bürger sitzt bei diesen Diskussionen regelmäßig staunend davor und versteht nicht ganzheitlich, um was es wirklich geht, und was das konkret mit ihm zu tun hat.

Dabei könnte es so einfach sein, wenn man endlich mal in Deutschland das Thema Existenzsicherung aus einem Guss in einem konsistenten Gesetzeswerk regeln würde.

Dabei geht es gar nicht um ein bedingungsloses Grundeinkommen oder ähnliches - es geht erst mal darum, dass bestehende Gesetze vereinheitlicht werden, und nachvollziehbar für jeden ist, was der Staat regelt, und wo die Grenzen dieser Regelung sind.

Im Steuerrecht ist das Thema WOHNEN anders geregelt, als im Sozialrecht. Wobei genau genommen auch im Steuerrecht hier für bestimmte Gruppen das Sozialrecht greift, die dann Anspruch auf Wohngeld haben. Allerdings nur, wenn man bestimmte Vermögenswerte nicht überschreitet.....die man im Steuerrecht ansonsten gar nicht ermittelt, mit der Begründung, dass Vermögen dort viel zu aufwendig wäre, wenn man dieses ermitteln würde.....

Spannend: Auch beim Bürgergeld geht man beim Sozialhilfesatz regelmäßig davon aus, dass ein Single einen Anspruch auf einen Wohnraum von ca. 46qm hat....im Steuerrecht wird aber der Freibetrag auf der Basis einer 40qm-Wohnung kalkuliert.....zwei H4-Empfänger und zukünftig auch beim Bürgergeld gewährt man 60qm - zwei Steuerzahler haben den Freibetrag für 80qm.....aber nur, solange kein Wohngeld bezogen wird....denn Wohngeld gibt es nur nach sozialrechtlichen Vorgaben....auch dann, wenn man Steuern zahlt....


Seufz - ich bin wirklich dafür, dass wir von der Wiege bis zur Bahre mal ein einheitliches Gesetz bekommen, was die Existenzsicherung umfassend regelt - und zwar einheitlich.



zuletzt bearbeitet 10.11.2022 10:13 | nach oben springen

#7

RE: Neuer Name, alter Inhalt

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 27.11.2022 12:44
von Anthea | 12.392 Beiträge

Jetzt kommt es, das neue alte Verfahren mit etwas "Relaunch". Altes auf neu gemacht.
Ich persönlich empfand die erste Fassung des Bürgergeldes nicht in Ordnung. Ich meine, es war "Hängemattenaufbereitung". Der Grund meiner Kritik lag in der Bedingungslosigkeit. Kurzum: Fordern, aber nichts wiedergeben. Seitens der Empfänger. Auch wenn dies möglicherweise oder sogar sicherlich nicht das Gros der Menschen ist, so ist diese Gruppe schon zuviel. Muss nicht sein.

Aber ich schätze mal, da bis dato das "Schmarotzertum" nicht wirklich in den Griff bekommen wurde, wird sich jetzt auch nicht wirklich was ändern.

Ich las eine im Fokus veröffentlichte Mail von Friedrich Merz, die ich als vernünftig betrachte.

https://www.focus.de/politik/meinung/die...sletter_POLITIK


Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi


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#8

RE: Neuer Name, alter Inhalt

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 28.11.2022 01:01
von Atue (gelöscht)
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Friedrich Merz ist Selbstdarsteller und Populist. Er will gewählt werden, und schreibt dafür auch immer wieder mal Zeilen, die ausreichend Wähler finden.

Und das bedeutet nicht, dass ich das Bürgergeld für gut oder richtig halte!


Vernünftig wäre es, sich die Problemstellungen bei H4 anzuschauen, und dann daraus zu lernen.

EIN typischer Weg nach H4 beginnt immer wieder mit einer Erkrankung oder einem Schicksalsschlag. Ersteres kann ein Schlaganfall sein, zweiteres wäre beispielsweise eine schwangere Frau, die vom Erzeuger im Stich gelassen wird. Auch Entlassungen im Alter von 50+ sind eine Problemstellung, die in H4 enden kann.

Nehmen wir den Fall mit dem Schlaganfall. Das kann auch junge Menschen treffen. Unvorhergesehen wird man erst Langzeitkrank, später dann krankheitsbedingt gekündigt. Viele Jobs kann man nicht mehr ausführen - aber solange 3h am Tag noch gehen, zählt man als erwerbsfähig. Nur - wie viele Jobs gibt es für Menschen die nur noch 3h am Tag erwerbsfähig sind? Und werden dann auch DIESE Menschen auf diese Jobs eingestellt?

Neben der Belastung mit dem Schlaganfall kommt noch hinzu, dass man sich mit sehr viel Bürokratie herumschlagen muss. Nach Ende von ALG I zahlt zeitweise vielleicht noch die Rentenkasse was, dann gibt es eine Reha, und dann sind oft auch schon alle wesentlichen finanziellen Reserven aufgebraucht. Doch dann kommt H4 - und recht schnell wird man mit Vokabeln konfrontiert, die neu sind. Man begegnet Vorwürfen und muss irgendwie versuchen, sich dennoch zurecht zu finden. Man schreibt sinnfrei Bewerbungen auf Jobs, für die man eh nicht geeignet ist. Man macht Bewerbungsgespräche, bei denen schon vor Beginn klar ist, dass man den Job nicht bekommt - weil das Jobcenter das so fordert. Verpasst man Termine, steht man vor der Sanktion.

Und die junge alleingelassene Mutter...kämpft mit der Gesamtsituation, hat emotionalen Stress, wird dann aufgefordert schon früh ihr Kind abzugeben, und ist eigentlich vor allem überfordert.


Gerade wenn Kinder ins Spiel kommen kommt dann noch hinzu, dass das Geld regelmäßig hinten und vorne nicht reicht, weil mal wieder eine Sonderausgabe notwendig war. Und wenn dem Kleinen Schuhe fehlen, weil diese irgendwie bei der Tagesstätte verloren gegangen sind - dann müssen neue Schuhe gekauft werden, doch ob das Jobcenter die Kosten übernimmt.....ist unklar.

Und der 50+-Arbeitslose - hatte sich ein Leben aufgebaut. So mit Familie, Frau, Haus, Kinder.....und mit 52 sind die Ersparnisse weg. Obwohl er viele Jahre viel Geld über Steuern und Soziale Abgaben eingezahlt hat - wird er zum H4-Fall. Das kleine Vermögen und das Häuschen gehen als erstes weg......ihm steht ja erst was zu, wenn er nix mehr hat. Die Ehe geht darüber kaputt. Die Kinder verkrachen sich. Die Nachbarn zerreissen sich das Maul.....


In Deutschland haben wir eine enorme Klagewelle von H4-Empfängern, oftmals spielen dabei mehr oder weniger gerechtfertigte Sanktionen eine Rolle. In ca. der Hälfte der Klagen bekommt der Kläger recht - allerdings dauert es von der Sanktion bis zum Urteil oft mehr als 2 Jahre.....die emotionale Belastung in dieser Zeit bekommt niemand ersetzt. Und das Geld, was man sich in der Zwischenzeit irgendwo schnorren oder leihen musste...belastet auch ziemlich stark.
Diese juristische Situation belastet Deutschland enorm. Die Richter stöhnen unter dem Berg an Fällen. Und Kosten generiert das auch - und zwar durchaus erhebliche. Diese Kosten trägt der Steuerzahler - der freut sich, dass er ein paar Euros für H4 gespart hat.....und merkt nicht, dass die Kosten für die Juristerei das locker konterkarieren.


Sicher ist es richtig, dass es bei H4-Empfängern Schmarotzer gibt. Die sind auch teuer, und extrem ärgerlich. Allerdings fehlt bis heute der Beweis, dass die Zahl der Schmarotzer sich verringert, wenn man mit Sanktionen arbeitet. Dabei könnte man einen solchen Beweis mit normalen statistischen Mitteln führen - wenn man denn wollte. Wollte aber die CDU nicht.....warum nur?

Eine relevante Ursache für Schmarotzertum ist, dass Menschen das Gefühl entwickeln, dass ihnen was zusteht, was man ihnen verwehrt. Das ist oft objektiv falsch - aber zeigt auf, dass man auch anders mit dem Problem des Missbrauchs umgehen kann. Wenn sich arbeiten nicht lohnt, weil bis zu 90% des Entgelts mit H4 verrechnet werden, dann entsteht subjektiv der objektiv falsche Eindruck, dass man für einen Hungerlohn arbeiten soll. Das ist objektiv gesehen falsch - aber subjektiv die Begründung dafür, warum sich Menschen über den Tisch gezogen fühlen, und dann in Ausweichbewegungen verfallen.

Ich rechtfertige mit solchen Erzählungen in keinem Fall das Fehlverhalten einiger H4-Empfänger - ich will nur deutlich machen, dass es Ursachen dafür gibt. So wie es eine ganze Reihe an Problemen mit H4 gibt, die es lohnt, zu beseitigen.

Ein weiteres Problem mit H4 ist, dass H4 stark unterschiedlich hoch ausbezahlt wird, je nachdem in welcher Lebenssituation man ist. Zieht man als H4-Empfänger mit einem normal arbeitenden Menschen zusammen, werden die gemeinsamen Vermögensverhältnisse geprüft. Als ob es selbstverständlich wäre, dass der Andere für den H4-Empfänger mit aufzukommen hat, nur weil man zusammengezogen ist....

Das Bürgergeld der Ampel war ein Kompromiss, der versucht hat, einige der Probleme mit H4 zu adressieren. Ich sage nicht, dass der Entwurf gelungen war - es war halt ein Versuch, was zu verbessern - aber kein wirklich umfassend gelungener. Die Verwässerungen durch die CDU bewirken an vielen Stellen, dass die alten Probleme auch zukünftig weiter bestehen. Und auch weiterhin werden wir nicht wissen, ob auch nur ein einziger der Sanktionierten sich durch die Sanktion anders verhalten wird.....

Neuer Name, alter Inhalt passt insofern ganz gut.

Es würde auch anders gehen!

Man könnte alternativ auch endlich mal in einem eigenen Gesetz definieren, was wir unter dem Existenzminimum verstehen, und dann ausgehend von diesem Gesetz dieses Existenzminimum ALLEN Bürgern in gleicher Höhe von der Wiege bis zur Bahre zur Verfügung stellen.
Man könnte dabei für alle Bürger gleichermaßen die Wohnungsgröße je Person auf 23qm festlegen. Bei einheitlicher Größe gäbe es schlicht und einfach keinen Grund mehr, die Wohnverhältnisse zu überprüfen, oder Bedarfsgemeinschaften finanziell auseinander zu nehmen.
Man könnte Mehrbedarfe ins Sozialrecht verlagern, und die unterschiedlichen Wohnkosten einheitlich über das Wohngeld organisieren.
Und wenn man all das im Steuerrecht, im Sozialrecht und im Rentenrecht einheitlich machen würde - viele Problemstellungen würden sich gar nicht mehr stellen.

Diese Existenzsicherung wäre (nahezu) bedingungslos - das geht auch nicht anders, dazu gibt es bereits höchstrichterliche Entscheidungen.

WENN man das so einrichtet, braucht es im Gegenzug den Mindestlohn nicht mehr - jedenfalls nicht auf Höhe von 12€. Ca. 5€ wären noch immer gerechtfertigt....aus anderen strukturellen Gründen.
Im Steuerrecht würde man ab dem ersten Euro versteuern - man könnte einheitlich mit ca. 20% beginnen. Da es keine Verrechnung mehr mit der Existenzsicherung gäbe, wäre JEDER Job ein Zuverdienst, der sich lohnt. Objektiv und Subjektiv.

Bei der Höhe der Existenzsicherung könnte man ein wenig großzügiger rangehen - das vermeidet viele juristische Auseinandersetzungen.

Dann sollte der Staat ein RECHT auf Arbeit (keine Pflicht auf Arbeit) einräumen. Auch Menschen mit wenig Möglichkeiten sollten Angebote bekommen, wie sie sich mit Arbeit finanziell verbessern können. Selbst wenn es dann nur um 3h täglich ginge, und die nur mit 5€ bezahlt würden, und die noch mit 20% besteuert würden - auch dann könnte ein H4-Fall mit solcher Arbeit seine finanziellen Möglichkeiten um netto mehr als 250€ im Monat aufbessern - WENN der Betroffene diese Arbeit annimmt und ausführt. DAS ist Fördern.....es besteht ein ECHTER Anreiz, einer Arbeit nachzugehen. MIT diesem Geld kommt dann auch der Single in die Lage, statt einer 23qm-Wohnung eine 46qm-Wohnung zu finanzieren.....ein attraktiver Anreiz, wenn man durch eigene Arbeit aus dem Wohncontainer kommt.....

Und wenn ein Amt echten Missbrauch unterstellt - dann wäre beim Existenzminimum nicht nur das Absenken auf die 23qm-Wohnung drin, sondern auch noch, dass man Geldleistungen durch Sachleistungen ersetzt - die der Betroffene abholen muss. Das wäre noch immer keine Sanktion - aber der Anreiz sich durch Wohlverhalten wieder mehr Freiheit zu ermöglichen wäre immer gegeben.

Sanktionen sind kein gutes Mittel für "Fordern und Fördern" - das ist ein Trugschluss. Der ist populistisch und auch leider populär - und Merz nutzt diese Idee dafür, um sich selbst in ein besseres Licht zu rücken.

Richtig wäre es, mal grundlegend aufzuräumen, mal die Existenzsicherung im Steuer- und Sozialrecht einheitlich zu organisieren. Richtig wäre es, auch ein paar Zöpfe abzuschneiden, wie beispielsweise die Selbstverständlichkeit, mit der heute im Sozialrecht bei einem H4er eine 46qm-Wohnung finanziert wird, während im Steuerrecht lediglich eine 40qm-Wohnung auf unterstem Wohngeldempfängerniveau zugrunde gelegt wird. Die daraus entstehenden fragwürdigen Umstände sind lediglich nicht ausreichend bewusst - sonst würden Menschen auch heute schon auf die Straße gehen.

Nein - das Bürgergeld nach dem Weichspüler CDU bringt uns nicht wirklich voran. Die alten Probleme bleiben weitgehend bestehen. Wir bräuchten mal eine ganzheitliche Reform. Doch die ist mit der CDU von Merz nicht zu machen.



Und noch abschließend ein paar Sätze zu den H4-Schmarotzern...oder vielmehr zum Schmarotzertum allgemein.:
In Deutschland gibt es Studien, dass sich ca. 50% der Arbeitnehmer nicht mehr mit ihrem Job identifizieren und vor allem nur noch Dienst nach Vorschrift machen. Auch dies ist eine Form des Schmarotzertums. Auch diese Form zahlt man als Steuerzahler mit - nur merkt man es nicht so direkt. Die finanziellen Folgen dieses Schmarotzertums kosten uns Bürger weitaus mehr als die paar Euros, die wir für die überschaubare Zahl der relativ niedrig finanziell ausgestatteten H4-Schmarotzer bekommen - aber über die Jobschmarotzer wird noch nicht mal wirklich gesprochen.


H4 war schlecht, das Bürgergeld wird schlecht sein, Merz ist Populist, und der Sozialstaat gehört dringend umfassend reformiert! Leider gibt es derzeit keine einzige Partei, die hier ein ganzheitliches Konzept vorlegt. Meine Meinung.



Anthea hat sich bedankt!
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#9

RE: Neuer Name, alter Inhalt

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 28.11.2022 16:13
von Anthea | 12.392 Beiträge

Ich hatte schon einmal erwähnt, dass ich in 2010 stv. Vorsitzende einer Initiative war, die sich für ein bGE stark machte und zur Partei werden sollte. Wurde leider nichts draus.

Interessant dürften heute jedoch noch die Ausarbeitungen eins Volkswirtes sein, der diese zur Verfügung stellte, jedoch nicht namentlich genannt werden wollte. Zum damaligen Zeitpunkt ging man von 800 Euro bGE aus...

Ich bin bei diesen Berechnungen raus aus weiterführenden Diskussionen mangels entsprechendem Background, sprich Wissen. Jedoch sollten sie für den/die eine_n oder andere_n durchaus interessant sein.

"Lokale Volkswirtschaft in einem supranationalen Binnenmarkt
Die neoliberale VWL ist grds. eine Ansammlung von Betriebswirtschaften in einem Freien Markt. Sie gilt also in den USA und in der EU, und ist in der lokalen Volkswirtschaft der BRD in einem Europäischen Binnenmarkt nicht aussagefähig, weil der Inlandsmarkt nicht durch Zölle und Währungsparität geschützt ist.

Die lokale Volkswirtschaft wird durch Milton Friedman mit der negativen Einkommensteuer beschrieben. Sie ist die Korrektur der gegebenen Einkommensverteilung durch die Methode der kleinsten Steuerquadrate, d.h. die Summe von Steuern und Aufstockungen ist 0, die Summe der Absolutbeträge ist ein Minimum., nämlich das Volkseinkommen.
Sie ist volkswirtschaftlich also volkseinkommensneutral, alle Sozialsysteme sind als Nullsummenspiel neutral für die Wirtschaft, wenn durch das Bürgergeld als Einkommensteuer diese Systeme mit dem Bürgergeld als anrechenbarem Nettoeinkommen fortgeführt werden. Dafür können die Sozialabgaben der Arbeitgeber entfallen. Das entlastet diese um mindestens die Hälfte ihrer Steuern und Abgaben.
Die Nettoeinkommen der großen Mehrheit der Einkommensbezieher steigen, die Bruttopreise der heimischen Wirtschaft können um ein Sechstel sinken. Das stimuliert den Markt durch Erhöhung der Massenkaufkraft.

Wir haben also zwei Parameter für den Sozialstaat, den die Bürger allein finanzieren :

Steuersatz der Einkommensteuer für ein Mindesteinkommen. Das Komplement 1 - Steuersatz ist ein Maß für Wohlstand, also das, was über dem Existenzminimum erwirtschaftet wird. Er ist 50 % für ein Bürgergeld von 800 Euro, davon 150 für KV.
Der Sozialabgabensatz für Unternehmen, der dann höher als 0 ist, wenn das Volkseinkommen unter das Doppelte des Mindesteinkommens sinkt. Das ist also eine Unterbeschäftigungsquote durch die Wirtschaft.
Der Sozialabgabensatz tritt also dann ein, wenn die Wirtschaft zu wenig Einkommen an die Volkswirtschaft abgibt. Das ist aber verursachungsgerecht.
Für die Unternehmen ergibt sich dadurch eine Steuerbelastung durch

Mehrwertsteuer von 25 % auf Nettopreis bei Senkung der Nettopreise durch Wegfall der Sozialabgaben
Sonstige Steuern, im Mittel 25 % bei Arbeitgebern vom neuen Nettopreis
Interessant ist hier die Konsumquote, d.h. das Mehrwertsteueraufkommen bezogen auf den Staatshaushalt ohne Sozialleistungen. Sie liegt also hier bei 50 %. Die anderen 50 % müessen
Unternehmenssteuern, indirekte Verbrauchssteuern und Substanzsteuern aufbringen.
Die Maßnahmen zur Erhöhung der Massenkaufkraft unter 2 lassen aber die Konsumquote durch mehr Umsatz steigen, so dass die die Unternehmen in ihren Selbstkosten belastenden Sonstigen Steuern gesenkt werden können. Umgekehrt kann man durch Überprüfung des Staatshaushaltes und Einsparungen die Konsumquote steigern. Aber Einsparungen führen auch zu Personalabbau, das könnte wiederum die Sozialabgaben der Unternehmen für Bürgergeld belasten.

Mit diesen 4 Parametern lässt sich eine Volkswirtschaft steuern :
Wohlstandsquote, d.h. 1 – Einkommensteuersatz
Unterbeschäftigungsquote, wenn Sozialabgaben bei Unternehmen das Mindesteinkommen sichern muss
Konsumquote, d.h. wie viel trägt der Umsatz zum Staatshaushalt bei
Wirtschaftsquote, also wie viel muss die Wirtschaft aufbringen, um die Konsumquote auszugleichen.
Diese Scorecard ermöglicht es, die Auswirkungen von Steuermaßnahmen für eine optimale Volkswirtschaft auf Folgen zu beurteilen."


Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi


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#10

RE: Neuer Name, alter Inhalt

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 28.11.2022 23:43
von Atue (gelöscht)
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Ein wirkliches BGE wird auf absehbare Zeit nicht kommen - weil die Menschen sich dieses nicht ausreichend vorstellen können. Es wäre auch für Deutschland ein enorm komplexes Vorhaben - weil wir sowieso Weltmeister darin sind, eigentlich ziemlich einfache Dinge äußerst komplex zu organisieren.

Ein Allgemeines Existenzsicherungsgesetz, welches die Regelungen zur Existenzsicherung im SGB und im Steuerrecht vereinheitlich, wäre dem gegenüber relativ simpel - und hat trotzdem schon enormes Potential für positive Veränderungen. Man könnte dort sogar sehr klein anfangen, und lediglich den Regelsatz und die Wohnthematik im ersten Schritt vereinheitlichen.

Trotzdem wären schon mindestens das SGB, die Einkommensteuergesetzgebung, das Kindergeld, Kinderfreibetrag, Wohngeld, die Grundsicherung im Alter und auch noch Themen wie die Höhe des ALG I, Krankengeld und einiges mehr betroffen. Und auch bei der Rente würde sich einiges ändern.

Dem gegenüber wäre eine eigentlich auch noch notwendige Reform bezüglich der KV und PV dann nur noch das Sahnehäubchen - und dennoch hätten wir am Ende eines solchen Prozesses noch kein BGE, sondern lediglich mal einheitliche Voraussetzungen mit denen man dann leichter arbeiten kann.

Aus meiner Sicht ist das traurige, dass das Bürgergeld eben nicht die Masse der Probleme adressiert, die wir mit H4 haben. Es wird sich unterm Strich nur wenig verändern.



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