#1

Eine Verpackung, wo der Inhalt enttäuscht?

in Parteien - kritisch betrachtet 26.06.2019 17:12
von Anthea | 12.401 Beiträge

Über den Erfolg der Grünen, über Euphorie und „Grün“ als Farbe der Hoffnung. Aber es ist nicht alles Gold, was glänzt, so sagt man. Und deshalb erinnert Uli Gellermann an möglicherweise Vergessenes oder gar nicht Gewusstes. Drum prüfe, wer sich ewig bindet – das gilt auch bei den Grünen. Denn überall wird nur mit Wasser gekocht – und manchmal ist es nicht richtig „abgekocht“...

Der Grüne Schwindel
Grüne Mehrheit, Grüner Kanzler, Grüne Fassade
Autor: U. Gellermann
Datum: 24. Juni 2019


Die GRÜNEN können schwindelerregende Wahlergebnisse verzeichnen: Allein bei den EU-Wahlen erreichte die einstige Alternativpartei mit 20,5 Prozent etwa eine Verdoppelung gegenüber der Europawahl vor fünf Jahren und verwies die SPD auf Platz drei in der Gunst jener, die immer noch glauben, dass Wahlen was ändern könnten. Selbst von der CDU-CSU wanderten 1.240.000 ehemalige CDU- oder CSU-Wähler zur vorgeblichen Öko-Partei. Bei den unter 30-Jährigen, den Wählern der Zukunft, erzielten die GRÜNEN 33 Prozent. Da sehen alle andern Parteien alt aus.

Die wie üblich Mehrheiten erschnüffelnden Medien nahmen in der K-Frage Witterung auf: Der "Stern" brachte Robert Habeck, den Bundesvorsitzenden der Grünen, mit der Schlagzeile "Unser nächster Kanzler?" auf die Titelseite, und die Frau des grünen Spitzenduos bekam bei der "Welt" diesen Leitartikel: "Die nächste Kanzlerin heißt Annalena Baerbock". Waren die GRÜNEN nicht einst die ungeliebten Schmuddelkinder des Medien-Stroms? Doch, klar. Als sie konsequent für die Abrüstung der Republik ein- und noch konsequenter gegen Atomkraft auf-traten. Geboren wurde die grüne Partei in der außerparlamentarischen Opposition, auf den großen Demonstrationen gegen den NATO-Doppelbeschluss und in den vielen Kämpfen gegen AKW´s, vom Schleswig-Holsteinischen Brokdorf bis zum badischen Wyhl.

Spätestens seitdem der ehemalige Obergrüne Joschka Fischer, durch eine Menschenrechtslüge getarnt, an der Bombardierung Jugoslawiens führend beteiligt war, sollte der Friedenslack der grünen Partei eigentlich ab sein. Aber die vermeintliche Alternativpartei lernte die Regeln des üblichen Parlamentsbetriebs schnell: Bei Kriegseinsätzen wie dem in Afghanistan reichte häufig ein halbes Nein oder eine stumme Enthaltung zur Wahrung des Scheins. Man war zwar irgendwie dagegen, aber auch ein bisschen dafür, man wollte zwar Wähler und Parteibasis nicht verärgern, aber auch nicht die mächtige USA und deren Platzhalter in den deutschen Medien. Hat geklappt: Immer noch gelten die GRÜNEN als Friedenspartei, irgendwie.

Aber vor allem klappt das grüne Marketing in der Umweltfrage. Erst recht jetzt, wo die Bedrohung durch den Klimawandel jede Menge auch und gerade junge Menschen auf die Straßen treibt, ist das grüne Label bei Wahlen einfach Gold wert. Geradezu vehement erinnert die "Fridays for Future"-Bewegung an die außerparlamentarische Herkunft der GRÜNEN, und während den üblichen Parteien, zu denen inzwischen auch die LINKEN zählen, der Ruf der Sitzungsakrobaten und Tagesordnungs-Jongleure vorausschallt, gelten die GRÜNEN immer noch als ziemlich unverbraucht. Und sogar als jung. Was angesichts solcher Jogging-Ruinen wie Joschka Fisher geradezu bizarr komisch wirkt. Nicht nur der aufgeschwemmte Fischer und der saturierte, grüne Ministerpräsident und Daimler-Fahrer Winfried Kretschmann strafen das Etikett des Alternativen, das den GRÜNEN anklebt wie altes Kaugummi, augenscheinlich Lügen.

Eine Art blinder Gläubigkeit an das Umweltbewusstsein grüner Mandatsträger prägt das Wahlverhalten ökologisch orientierter Wähler. Der Verrat der Grünen an ihrer pazifistischen Herkunft mag sich herumgesprochen haben, dass auch ihre ökologischen Wurzeln längst angefault sind, scheint weniger bekannt. Als wäre ihr einst in Hessen beschworener Widerstand gegen den Bau eines dritten Terminals am Frankfurter Flughafen nicht längst auf dem Altar der lukrativen Koalition mit der CDU geopfert. Es waren die GRÜNEN, die als Mitglied der NRW-Landesregierung keinen Finger gegen die Abholzung des Hambacher Forsts gekrümmt haben: Es fährt sich so schön in Dienstwagen. Es kopulierte sich gut im weichen Koalitionsbett mit der SPD.

Doch der wahre Prüfstein ist die Suche nach einem Atommüll-Endlager. Man kann zwar die einstigen Kämpfer gegen die Gefahren der Atomkraftwerke nicht für den Müll der Kernenergie-Industrie verantwortlich machen. Doch längst sitzen die GRÜNEN in einer Reihe von Landesregierungen an den Schalthebeln parlamentarischer Macht. Seit Jahr und Tag werden Endlagerstätten für die hochgiftigen Hinterlassenschaften der Atom-Industrie benötigt. Und seit Jahr und Tag zeigen die möglichen Lager-Regionen mit dem Finger auf andere Gegenden. Zwar herrscht unter Geowissenschaftlern in Deutschland Konsens, dass die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle nur in Salz- oder Tongesteinen erfolgen sollte. Und die Tongesteine der Schwäbischen Alb und Oberschwabens kämen schon infrage. Aber davon will die grün geführte Regierung Baden-Württembergs nichts wissen.

Seit dem Januar 2019 regiert in Hessen eine schwarz-grüne Landesregierung. Die einstigen Feinde Volker Bouffier (CDU) und Tarek Al-Wazir (GRÜNE) knutschen seitdem in Frankfurt bis zum Atem- und Politikstillstand. Zwar lagern im hessischen Biblis seit dem 18. 05. 2006 rund 1.400 Tonnen atomaren Mülls. Zwischnlager, kein Endlager. Aber die Koalitionsregierung schweigt: Keine Alternative, keine Initiative. Der smarte Robert Habeck ist seit dem 28. Juni 2017 stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung in einem Kabinett der Jamaika-Koalition des Landes Schleswig-Holstein. In diesem Bundesland liegt der Atommüll-Standort Brokdorf. Doch weder von der CDU, der FDP noch den GRÜNEN erfährt man Produktives über die Endlagersuche.

Erbgut-Veränderungen, Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Alles Folgen, die im Atom-Müll lauern. Seit Beginn der Kernspaltung im ersten deutschen Atomreaktor FRM I im Jahr 1957 wurden bis Ende 2007 rund 12.500.000 Kilogramm tödlich strahlender Brennelementmüll erzeugt. Noch kein Kilo Kernbrennstoff wurde entsorgt. Manche radioaktiven Abfälle zerfallen innerhalb weniger Jahre, z.B. Krypton-85: Halbwertszeit 10,76 Jahre. Andere radioaktive Gifte hingegen weisen extrem lange Halbwertszeiten auf: zum Beispiel Jod-129: Halbwertszeit 17.000.000 Jahre. Ins Endlager käme ein Cocktail aus vielen verschiedenen radioaktiven Abfallstoffen. Ein atomares Endlager muss also Sicherheit über viele Halbwertszeiten geben, über Zeiträume, die unser Vorstellungsvermögen sprengen. Es wäre dringend an der Zeit, aktiv gegen die gefährlichen Folgen der Atomindustrie zu werden. Doch wie schon bei der Sicherung des Friedens: Die GRÜNEN verraten ihre eigenen ursprünglichen Ziele durch Wegsehen, Nichtstun und Mitmachen.

Längst im Parlamentarismus angekommen und eingerichtet, wollen die GRÜNEN nicht an ihre außerparlamentarische Herkunft erinnert werden. So wie es von ihnen keine Initiative aus den Regierungen, in denen sie vertreten sind, für sichere Endlager gibt, so wenig gibt es Impulse für Kämpfe außerhalb der Parlamente. Die grüne Partei hat ihr bequemes Zwischenlager in den Parlamenten gefunden. Die GRÜNEN haben sich als Schwindel herausgestellt, als Fassaden-Ökologen, als Betrug am Wähler.

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Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi


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#2

RE: Eine Verpackung, wo der Inhalt enttäuscht?

in Parteien - kritisch betrachtet 26.06.2019 19:21
von Meridian | 2.858 Beiträge

Schreiben kann man über die Grünen viel, aber es wird sich zeigen, wie viel Grün vorhanden ist, wenn sie tatsächlich den Kanzler stellen. Da hilft dann auch nicht mehr, die Schuld dem Koalitionspartner oder einer nicht-grünen Mehrheit im Bundesrat zu geben, wenn es nicht so läuft wie versprochen.

Mein Gedanke ist, dass die Zeit für eine grüne Kanzlerschaft durchaus reif ist. Denn bei aller Kritik an die Grünen ist überhaupt nicht berücksichtigt, wie mutlos CDU und SPD regieren. Die GroKo hält meiner Meinung nach nur noch die Angst vor Neuwahlen mit ihren derzeitigen Umfragewerten zusammen. Die Grünen wollen es wissen (trotz gewisser Ängste vor einer K-Kandidatur)? Dann sollen sie es auch wissen.


Die äußere Welt ist der Spiegel deines Inneren.
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#3

RE: Eine Verpackung, wo der Inhalt enttäuscht?

in Parteien - kritisch betrachtet 14.12.2022 19:41
von denker_1 | 1.598 Beiträge

Jetzt sind die Grünen an der Macht und es zeigt sich, dass deren Politik alles Andere als Grn ist.

Wie alle Parteien waren die Grünen anfangs revolutionär und umweltbewusst. Sind aber die Parteiposten erst mal sicher, wird jede, werklich jede Partei, wie fortschrittlich und revolutionär sie anfangs gewesen sein mag, genau so konterrevolutionär, reaktionär und konservativ, wie jede andere Partei vor ihr.



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#4

RE: Eine Verpackung, wo der Inhalt enttäuscht?

in Parteien - kritisch betrachtet 15.12.2022 12:55
von Findus | 2.516 Beiträge

Zitat von denker_1 im Beitrag #3
Wie alle Parteien waren die Grünen anfangs revolutionär und umweltbewusst. Sind aber die Parteiposten erst mal sicher, wird jede, werklich jede Partei, wie fortschrittlich und revolutionär sie anfangs gewesen sein mag, genau so konterrevolutionär, reaktionär und konservativ, wie jede andere Partei vor ihr.




Die Grünen waren schon immer die Kinder der Konservativen. Sieht man übrigens wunderbar an der Regierung Kretschmann.
Manche Landesverbände sind vielleicht etwas stärker linksliberal und ökologisch eingestellt.

So what?Sie machen eine etwas wertebasiertere Realpolitik, tragen die Hilfen für die finanziell belasteten Bürger mit und mussten erkennen, dass Regieren eben etwas anderes ist als Oppositionsarbeit. Trotzdem haben wir gerade mit den Realos wie Özdemir gute Minister.

Und was bedeutet ein Wort wie konservativ, wenn eine Kanzlerin wie Angela Merkel uns gut durch die Krisen gebracht hat und bis weit ins linke Lager wählbar war?



zuletzt bearbeitet 15.12.2022 12:56 | nach oben springen



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