#1

Woher kommt unsere politische Haltung?

in Politische Philosophie 08.11.2017 06:22
von MaMi (gelöscht)
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Habt Ihr Euch über diese Frage schon einmal Gedanken gemacht?

Auch in Bezug auf Euch persönlich?

Für die Älteren unter Euch: Hat sich Eure politische Haltung im Laufe Eures Lebens verändert,
und wenn ja warum oder ist sie eher gleich geblieben?

Warum denken die einen so, dass sie eher zur Wahl der Union neigen und andere so,
dass sie eher zur Linken neigen usw.?

Was meint Ihr?


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#2

RE: Woher kommt unsere politische Haltung?

in Politische Philosophie 08.11.2017 11:06
von fjodorov (gelöscht)
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Ich bin sicher,dass Erziehungsfragen eine gewisse Rolle spielen aber mehr noch die Lebensumstände die zu einer polit. Meinung führen.Zu den Lebensumständen zähle ich aber nicht nur die wirtschaftlichen Gegebenheiten in denen ein Mensch lebt sondern auch seine Bildung und seine Fähigkeit die erlebte Realität selbständig zu verarbeiten und daraus seine Schlüsse zu ziehen.Die Kombination aus diesen Dingen führt zu einer souveränen politischen Meinung,gleich wie man diese beurteilt.Es gibt natürlich auch die vermittelte Meinung die am Ende zur eigenen wird ohne dass man selbst dazu einen Beitrag einbringt.Nach dem Motto "ich habe gelesen,das.."
Meine politische Einstellung hat sich im Laufe meines bisherigen Lebens kaum verändert auch wenn ich in Detailfragen manche Dinge heute anders sehe als in früheren Zeiten.


"Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen"

Jean Jaurès (1859-1914)
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#3

RE: Woher kommt unsere politische Haltung?

in Politische Philosophie 08.11.2017 11:47
von Anthea | 12.405 Beiträge

Zitat von fjodorov im Beitrag #2
Ich bin sicher,dass Erziehungsfragen eine gewisse Rolle spielen aber mehr noch die Lebensumstände die zu einer polit. Meinung führen.Zu den Lebensumständen zähle ich aber nicht nur die wirtschaftlichen Gegebenheiten in denen ein Mensch lebt sondern auch seine Bildung und seine Fähigkeit die erlebte Realität selbständig zu verarbeiten und daraus seine Schlüsse zu ziehen.Die Kombination aus diesen Dingen führt zu einer souveränen politischen Meinung,gleich wie man diese beurteilt.Es gibt natürlich auch die vermittelte Meinung die am Ende zur eigenen wird ohne dass man selbst dazu einen Beitrag einbringt.Nach dem Motto "ich habe gelesen,das.."
Meine politische Einstellung hat sich im Laufe meines bisherigen Lebens kaum verändert auch wenn ich in Detailfragen manche Dinge heute anders sehe als in früheren Zeiten.


Wenn ein junger Mensch in desolaten, prekären Verhältnissen aufwächst, dann wird das schon für ihn meinungsbildend sein. Denn er wird einen Schuldigen dafür suchen und den nicht unbedingt im eigenen elterlichen Umfeld suchen, wo Bildungsferne herrscht. Und dann auch Neid auf andere, die es zu etwas gebracht haben. Ich denke nicht, dass solch ein Jugendlicher sich mit Gründen auseinandersetzt. Sondern er wird gezielt eine Partei suchen, die Besseres verspricht. Und das ist dann die Stunde der Gurus und Rattenfänger. Und die Stunde der "rebellischen Jugendlichen". Die hat es immer gegeben und wird es immer geben.

Ich denke nur an die damaligen Studentenunruhen und Demos. Aber es war eigentlich meistens so, dass, sobald einer von ihnen eine Stelle fand, er sich nicht mehr unter den Krawall-Demonstranten befand.
Ich denke schon, dass sich die Sicht der Dinge auf politische Parteien mit zunehmendem Alter und entsprechenden Erfahrungen und Umfeld verändert.


Jeder Tag ist der Anfang des Lebens. Jedes Leben ist der Anfang der Ewigkeit.
Rainer Maria Rilke
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#4

RE: Woher kommt unsere politische Haltung?

in Politische Philosophie 08.11.2017 14:03
von MaMi (gelöscht)
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Meine Eltern waren milieufremd, nach dem Muster „Gärtner heiratet Prinzessin“. Ich denke, dass mich das indirekt in meiner Haltung sehr geprägt hat, aus einem Elternhaus zu kommen, wo die väterliche Linie quasi aus dem Hilfsarbeitermilieu, unterste Schicht kommt, während die mütterliche Linie seit Generationen Selbständig waren. Ich komme oft in Situationen, dass mich Linke für rechts halten und Rechte für links.


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#5

RE: Woher kommt unsere politische Haltung?

in Politische Philosophie 08.11.2017 14:43
von Till (gelöscht)
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Zitat von MaMi im Beitrag #1
Habt Ihr Euch über diese Frage schon einmal Gedanken gemacht?

Auch in Bezug auf Euch persönlich?
Durch die Schule.

Zitat
Für die Älteren unter Euch: Hat sich Eure politische Haltung im Laufe Eures Lebens verändert

Nein.


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#6

RE: Woher kommt unsere politische Haltung?

in Politische Philosophie 08.11.2017 17:01
von Gelöschtes Mitglied
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Zitat von MaMi im Beitrag #1
Habt Ihr Euch über diese Frage schon einmal Gedanken gemacht?

Auch in Bezug auf Euch persönlich?

Da ich verschiedene Haltungen zu verschiedenen Themen besitze, hinterfrage ich diese ständig und versuche mir mittels Informationen aus verschiedenen Quellen eine echte Meinung zu bilden. Dazu gehört auch diese Frage, die man sich bewußt machen sollte, meines Erachtens, wenn man in einen Diskurs einsteigt, da dies zweckdienlich ist um auch die Haltung des Gegenübers zu verstehen.
Meine persönliche Haltung insgesamt stammt wohl auch daher, das ich in einer Familie aufwuchs in der mein Vater den größten Einfluß besaß, zum Teil sehr konservativ war (wogegen ich rebellierte) aber eben auch ein sehr großes Gerechtigkeitsgefühl hatte. Dazu kamen noch die Schulen, die ich besuchte, insbesondere die eine in der meine damalige Klassenlehrerin, eine Jüdin uns auch auf Schulausflügen und anderen Gelegenheiten, sich bemühte uns den Holocaust und das Denken dorthin nahe zu bringen. Der Besuch von Auschwitz, Dachau und der Essener Synagoge mit der Ausstellung aus jener Zeit beeindruckten mich sehr.
Ich würde mich auch nicht als Sozialist oder gar Kommunist bezeichnen, genausowenig wie ich ein Pazifist bin, aber sehr wohl als "Linken". Den Sozialismus in seiner totalitären vergangenen Form lehne ich genauso ab, wie die Gleichmacherei des Kommunismus. Nichtsdestotrotz halte ich soziale Gerechtigkeit in einer Gesellschaft für eklatant wichtig und die Demokratie ist auch, wenn sie sich ständig reformiert (denn das wäre in einer echten D. unabdingbar), meiner Ansicht nach die beste Staatsform. Allerdings ist auch die BRD davon meilenweit entfernt. Ich habe noch dazu in meinem Leben auch persönliche Erfahrungen gemacht, die mir klar machten, das alle Formen der Diktatur mit ihrem dogmatischen Anspruch nur Leid, Not und Mord verursachen.

Zitat

Für die Älteren unter Euch: Hat sich Eure politische Haltung im Laufe Eures Lebens verändert,
und wenn ja warum oder ist sie eher gleich geblieben?

In einzelnen Punkten: Ständig
... in der Gesamtkonsequenz nicht.

Zitat
Warum denken die einen so, dass sie eher zur Wahl der Union neigen und andere so,
dass sie eher zur Linken neigen usw.? Was meint Ihr?

Es ist oftmals Erziehung oder politische Unkenntnis oder auch weil viele sich einbilden, das sie dadurch eine Art von Prestige bekommen, indem sie sich denen zuwenden, deren Mittel angeblich den Zweck heiligen. Leute die zur Union oder noch schlimmer zur AfD tendieren, besitzen i. d. R. kaum politisches Wissen, Aufgeklärtheit oder oftmals sogar gar kein großes politisches Interesse oder gehören zu der Klientel, die sich davon Vorteile erhoffen.


Du kannst dir nicht aussuchen wie du stirbst. Oder wann. Du kannst nur entscheiden wie du lebst. Jetzt. (Joan Baez)
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#7

RE: Woher kommt unsere politische Haltung?

in Politische Philosophie 08.11.2017 17:57
von moorhuhn | 1.486 Beiträge

Die Sozialisation in einer Diktatur, in der jegliches Denken und Handeln ideologisch ausgeschlachtet wurde, hat dazu geführt, dass ich keiner politischen Richtung vertraue, bzw. davon überzeugt bin, dass politische Parteien, egal, welche Werte und Ziele sie verfolgen, diese eh über Bord werfen, wenn sie nur ein Zipfelchen der Macht erhaschen könnten. Kann man am derzeitigen Koalitionshickhack sehr gut beobachten.
Ich bin nicht unpolitisch, setze mich sehr interessiert mit der politischen Wirklichkeit auseinander, gebe aber zu, dass über die Zeit ein gewisser Fatalismus meine Einstellung zu Chancen und Risiken politischer Handlungsoptionen bestimmt.
Ursache dafür sind in erster Linie überkommene Gesetze, die in Stein gemeißelt, wirkliche Reformen oder auch unabhängige Parteiarbeit schon im Keim ersticken. Konkrete Beispiel dafür sind das Parteiengesetz, Diäten für Abgeordnete, Beamtengesetze und andere diverse Versorgungsbestimmungen für unsere "Volksvertreter". In diesen Papieren weht ein arg sozialistischer Wind, leider aber wieder nur für eine Minderheit. Und ja, da denke ich sehr kritisch und zweifele auch immer wieder die Verhältnismäßigkeit an. Ein Abgeordneter, der (fleißig und motiviert, oder eben auch nicht) zwei Legislaturperioden absolviert hat, braucht sich um seine Alterszeit keine Sorgen mehr zu machen. Eine Krankenschwester, ein Bandarbeiter oder anderer Arbeitnehmer mit weitaus mehr Berufsjahren müssen da ganz anders rödeln.
Wir leisten uns die horrende Alimentierung aller Ruheständler inclusive ihrer Witwen und Witwer, über Kanzler, B- Präsidenten, Bundestagspräsidenten, Minister und und und...
Vor diesem Hintergrund hat sich meine politische Haltung nach Entkommen aus der Diktatur geprägt- keine Partei wird diese Pfründe selbstlos aufgeben, ergo wird ihre Politik immer nur halbherzig, opportunistisch und letztlich egozentrisch ausgerichtet sein.
Dankbar bin ich aber nach wie vor, dass ich das hier so schreiben kann, ohne Angst haben zu müssen, in 5 Minuten abgeholt zu werden.


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#8

RE: Woher kommt unsere politische Haltung?

in Politische Philosophie 09.11.2017 13:36
von Gelöschtes Mitglied
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Zitat von moorhuhn im Beitrag #7
Die Sozialisation in einer Diktatur, in der jegliches Denken und Handeln ideologisch ausgeschlachtet wurde, hat dazu geführt, dass ich keiner politischen Richtung vertraue, bzw. davon überzeugt bin, dass politische Parteien, egal, welche Werte und Ziele sie verfolgen, diese eh über Bord werfen, wenn sie nur ein Zipfelchen der Macht erhaschen könnten. Kann man am derzeitigen Koalitionshickhack sehr gut beobachten.
Wobei Du aber auch ausblendest, das jeder Bürger das Recht besitzt mitzumischen, eigene Parteien zu gründen, wenn er keine findet die seinen Überzeugungen nahekommt oder eben in einer einzutreten und somit sogar direkt in den eigenen Bereichen Einfluß zu nehmen. Alleine auf kommunaler Ebene kann man sich dort schon sehr gut einbringen. Was den sogenannten "Koalitionshickhack" angeht, ist dieser doch eben auch wiederum ein Beleg darüber das es eben auch um inhaltliche Konzepte, wie bspw. das Erreichen von Klimazielen, Sozialpolitik, Bildung ecetera geht und es eben schwierig bis unmöglich ist, dort Einigkeit zu erzielen. Dies wäre in der von Dir miterlebten Diktatur eben nicht möglich gewesen. Ich persönlich finde es immer zu leicht, wenn man sich mittels pauschaler Kritik über "die da oben" ausläßt, aber eben nichts zur Gestaltung beiträgt. Ist immer sehr bequem die Anderen machen zu lassen und dann über die Ergebnisse herumzumäkeln...

Zitat
Ich bin nicht unpolitisch, setze mich sehr interessiert mit der politischen Wirklichkeit auseinander, gebe aber zu, dass über die Zeit ein gewisser Fatalismus meine Einstellung zu Chancen und Risiken politischer Handlungsoptionen bestimmt.
Ursache dafür sind in erster Linie überkommene Gesetze, die in Stein gemeißelt, wirkliche Reformen oder auch unabhängige Parteiarbeit schon im Keim ersticken. Konkrete Beispiel dafür sind das Parteiengesetz, Diäten für Abgeordnete, Beamtengesetze und andere diverse Versorgungsbestimmungen für unsere "Volksvertreter". In diesen Papieren weht ein arg sozialistischer Wind, leider aber wieder nur für eine Minderheit. Und ja, da denke ich sehr kritisch und zweifele auch immer wieder die Verhältnismäßigkeit an. Ein Abgeordneter, der (fleißig und motiviert, oder eben auch nicht) zwei Legislaturperioden absolviert hat, braucht sich um seine Alterszeit keine Sorgen mehr zu machen. Eine Krankenschwester, ein Bandarbeiter oder anderer Arbeitnehmer mit weitaus mehr Berufsjahren müssen da ganz anders rödeln. Wir leisten uns die horrende Alimentierung aller Ruheständler inclusive ihrer Witwen und Witwer, über Kanzler, B- Präsidenten, Bundestagspräsidenten, Minister und und und...
Vor diesem Hintergrund hat sich meine politische Haltung nach Entkommen aus der Diktatur geprägt- keine Partei wird diese Pfründe selbstlos aufgeben, ergo wird ihre Politik immer nur halbherzig, opportunistisch und letztlich egozentrisch ausgerichtet sein.

Du hast in meinen Augen soweit recht, wenn Du Mißstände, was die von Dir benannten Berufsgruppen betrifft anprangerst und das es sicherlich auch bei Fraktionen und derer Abgeordneten eine sogenannte Selbstbedienungsmentalität gibt ist auch nicht von der Hand zu weisen. Allerdings wird es die Situation der Krankenschwester nicht beeinflussen, wenn man das Unrecht daraus vergleicht und bemängelt, sondern letztlich nur dann, wenn man jene Problem anfasst, benennt und versucht abzustellen. Was die Abgeordneten betrifft, sollten sie meines Erachtens auch Vorteile daraus bekommen und gut bezahlt werden, weil es sonst niemand mehr machen will, der dafür eventuell über eine hohe Befähigung verfügt. (Warum sollte ein Rechtanwalt bspw., der vielleicht so um die 20 - 30000 € im Monat verdient, einen Posten annehmen, indem er weit weniger bekommt und schlecht abgesichert ist?) Auch würde man Korruption und Lobbyismus noch mehr Tor und Tür öffnen, als es jetzt schon der Fall ist. Also sollen sie doch ruhig alle gut verdienen und ihre Diäten und Altersabsicherung bekommen, allerdings sollte es sowohl Transparenz darüber geben und auch eine Begrenzung der "Nebenverdienste", sowie eine lange Übergangsphase, was den ggf. Wiedereintritt in die "freie Wirtschaft" betrifft. (Ich wäre für 5 Jahre).

Zitat
]Dankbar bin ich aber nach wie vor, dass ich das hier so schreiben kann, ohne Angst haben zu müssen, in 5 Minuten abgeholt zu werden.


Genau diese Dankbarkeit sollte sich meines Erachtens auch darin zeigen, das man an einer Demokratie selbst mitgestaltet, denn davon lebt sie. Es sind nicht die Volksvertreter die sie möglich machen, sondern alle die sich von "unten heraus" engagieren, ob in Parteien, in Ehrenämtern oder indem man ganz einfach jenen entgegentritt deren einzige Intention ist die Multikultur und Pluralität einer Gesellschaft zu zerstören und mit pauschaler Hetze zu diffamieren.
Kritik ist immer gut, sofern sie sachlich begründet ist.


Du kannst dir nicht aussuchen wie du stirbst. Oder wann. Du kannst nur entscheiden wie du lebst. Jetzt. (Joan Baez)


zuletzt bearbeitet 09.11.2017 13:38 | nach oben springen

#9

RE: politische Haltung?

in Politische Philosophie 10.11.2017 15:45
von Jackdaw | 454 Beiträge

Zitat von Anthea im Beitrag #3
[…] Ich denke nur an die damaligen Studentenunruhen und Demos. Aber es war eigentlich meistens so, dass, sobald einer von ihnen eine Stelle fand, er sich nicht mehr unter den Krawall-Demonstranten befand. […]
Die damaligen Studenten, insbesondere die besonders rebellischen, politisch aktiven, gehörten keineswegs prekären gesellschaftlichen Schichten an, sondern waren zumeist Söhne und Töchter weiter überdurchschnittlich gut versorgter Bevölkerungskreise. Die Studentenunruhen basierten ja gerade auf dem mit der höheren Schulbildung erworbenen historischen und philosophischen Wissen und dem daraus gewonnenen Unwillen, gewissermaßen erblich in die Rolle künftiger gesellschaftlicher Elite zu rücken, ohne mit den als falsch erkannten Traditionen zu brechen bzw. sich der gesellschaftlichen Verantworten zu stellen… der damals ausgetragene Generationenkonflikt umfasste, sie es seinerzeit ein RAF-Unterstützer mal ausgedrückt haben soll, das Selbstbild einer "nachholenden Résistance".
Die politische Haltung war ein amorphes Gemisch jugendlichen Übermutes, dem Willen, die Welt zu verbessern und die Lehren aus den Schriften der Existenzialisten, der Frankfurter Schule für Sozialforschung, Karl Marx, Frantz Fanon, Eldridge Cleaver und Pierre-Joseph Proudhon (u.a.) "in die Tat umzusetzen"… 


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#10

RE: politische Haltung?

in Politische Philosophie 10.11.2017 15:57
von Anthea | 12.405 Beiträge

Zitat von Jackdaw im Beitrag #9
Zitat von Anthea im Beitrag #3
[…] Ich denke nur an die damaligen Studentenunruhen und Demos. Aber es war eigentlich meistens so, dass, sobald einer von ihnen eine Stelle fand, er sich nicht mehr unter den Krawall-Demonstranten befand. […]
Die damaligen Studenten, insbesondere die besonders rebellischen, politisch aktiven, gehörten keineswegs prekären gesellschaftlichen Schichten an, sondern waren zumeist Söhne und Töchter weiter überdurchschnittlich gut versorgter Bevölkerungskreise. Die Studentenunruhen basierten ja gerade auf dem mit der höheren Schulbildung erworbenen historischen und philosophischen Wissen und dem daraus gewonnenen Unwillen, gewissermaßen erblich in die Rolle künftiger gesellschaftlicher Elite zu rücken, ohne mit den als falsch erkannten Traditionen zu brechen bzw. sich der gesellschaftlichen Verantworten zu stellen… der damals ausgetragene Generationenkonflikt umfasste, sie es seinerzeit ein RAF-Unterstützer mal ausgedrückt haben soll, das Selbstbild einer "nachholenden Résistance".
Die politische Haltung war ein amorphes Gemisch jugendlichen Übermutes, dem Willen, die Welt zu verbessern und die Lehren aus den Schriften der Existenzialisten, der Frankfurter Schule für Sozialforschung, Karl Marx, Frantz Fanon, Eldridge Cleaver und Pierre-Joseph Proudhon (u.a.) "in die Tat umzusetzen"… 


Ich wollte das keinesfalls vermischen. Und es ist eigentlich schon klar, dass Studenten nicht gerade einem "prekären" Milieu entstammten.
Ich schrieb in Bezug auf Jugendliche als "Rebellen" - und hier nichtnur bezogen auf eine Unterschicht:
:
"Und die Stunde der "rebellischen Jugendlichen". Die hat es immer gegeben und wird es immer geben.

Ich denke nur an die damaligen Studentenunruhen und Demos. Aber es war eigentlich meistens so, dass, sobald einer von ihnen eine Stelle fand, er sich nicht mehr unter den Krawall-Demonstranten befand."

Und ein "politisches Gemisch" bis zur Findung der eigenen politischen Richtung gibt es auch heute noch bei den Nachdenklichen. Die auf dem Wege zu dieser Findung diverse Richtungen auf den Prüfstand erheben.


---


Jeder Tag ist der Anfang des Lebens. Jedes Leben ist der Anfang der Ewigkeit.
Rainer Maria Rilke
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#11

RE: politische Haltung?

in Politische Philosophie 10.11.2017 17:26
von Jackdaw | 454 Beiträge

Zitat von Anthea im Beitrag #10
[…] die Stunde der "rebellischen Jugendlichen" hat es immer gegeben und wird es immer geben. […]
Eher nicht… vielleicht mag der einzelne Jugendliche auch vor Aufkommen der Jugendkultur bisweilen rebellisch gewesen sein, aber als gesellschaftliches, ja gesellschaftliche Usancen umstürzendes Phänomen ist das doch eher vergleichsweise jung und begann zunächst in subkultureller Distanz von den altväterlichen Gewohnheiten unter den noch recht jungen, nach damaligem Recht oftmals noch Minderjährigen, die als Kriegsheimkehrer Schwierigkeiten hatten, ins zivile Leben zurückzufinden… man darf nicht unterschätzen, welchen Einfluss der rasche technische Fortschritt auch auf gesellschaftliche Entwicklungen ausgeübt hat, als Marlon Brando und James Dean Leinwandlegenden wurden - und das Publikum ihren Rollenbildern zu gleichen beschloss… 

Dabei war dies anfänglich noch unpolitisch und wurde eher als hedonistisch oder unmoralisch angesehen - die Grenzen waren da fließend und der Geist oder Ungeist stärker traditionsorientierter "Werte" zeigte sich doch noch bis in die 80er/90er Jahre, als CDs mit dem Warnaufkleber "Parental Advisory Explicit Lyrics" versehen wurden, was wiederum recht schnell eher zur verkaufszahlenunterstützenden Maßnahme umgedeutet wurde… 

Machen wir uns doch nichts vor: Die Mehrheit auch demokratisch verfasster Gesellschaften bzw. Staaten lebt eher unpolitisch, und wo der Bürger dann doch Gelegenheiten entdeckt, seinem Willen politischen Ausdruck zu verleihen, handelt es sich zumeist zumeist um Abwehrmaßnahmen gegenüber öffentlichen Maßnahmen/Vorhaben, die sich in Form von Protestmärschen, Aufläufen, Warnstreiks und ähnlich choreographiert "geschlossem Auftreten" einer Gruppe, die ihrem Vorrednet unisono zujubelt darstellt.


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#12

RE: Woher kommt unsere politische Haltung?

in Politische Philosophie 10.11.2017 18:10
von moorhuhn | 1.486 Beiträge

Nun ja, Vexator, auf den Spruch: "Ich persönlich finde es immer zu leicht, wenn man sich mittels pauschaler Kritik über "die da oben" ausläßt, aber eben nichts zur Gestaltung beiträgt. Ist immer sehr bequem die Anderen machen zu lassen und dann über die Ergebnisse herumzumäkeln..." reagiere ich immer etwas allergisch. Er ist ebenso pauschal und bedient ein Totschlagargument.
Auch wenn ich mich darüber nicht ausgelassen habe, können Sie meine Lebensleistung nicht beurteilen und mir mangelnden Gestaltungswillen unterstellen.
Sagen wir es mal so, ich setze seit fast 30 Jahren im Bildungs-und Entwicklungsbereich den Gestaltungswillen der politischen Parteien um. Dazu gehört u.a. auch eigene Reflexion, Initiative und Engagement. Ein konkretes Beispiel dafür wäre, dass ich regelmäßig in Zusammenarbeit mit Kommunal- und Landespolitikern Planspiele, Podiumsgespräche für meine Schüler organisiere, und meinen Politikunterricht lebensnah und aktuell gestalte. Das sind für mich sehr wohl Anteile an der Gestaltung politischer Wirklichkeit, vor allem sind sie konkret und verfolgen nicht irgendwelche wenig bis gar nicht definierten Handlungsspielräume, die Ihnen sofort eingefallen sind. ("eigene Parteien zu gründen, in den eigenen Bereichen Einfluß zu nehmen.") Das sind für mich Blasen, die platzen, weil sie keine inhaltliche Substanz besitzen.
Klar können Sie mir jetzt vorhalten, dass meine Haltung zu politischen Akteuren teilweise widersprüchlich zu meiner Tatigkeit verläuft. So what, dies ist ein Forum, welches ein Stück weit auch ehrliche Meinungen diskutiert, die Betrachtungen über politische Parteien und Misstände in der politischen Wirklichkeit thematisiere ich bei meinen Schülern und Kooperationspartnern gleichermaßen. Übrigens auch ein Umstand, über den ich sehr dankbar bin, früher war Linientreue angesagt, jegliche Kritik hatte zu unterbleiben.
Ich hoffe, ich habe Ihnen meine "Dankbarkeit" ausreichend geschildert. Sorry, dass dies etwas gedauert hat, aber ich war bis jetzt sehr mit Gestaltung beschäftigt.



zuletzt bearbeitet 10.11.2017 18:14 | nach oben springen

#13

RE: Woher kommt unsere politische Haltung?

in Politische Philosophie 10.11.2017 19:22
von Jackdaw | 454 Beiträge

Zitat von moorhuhn im Beitrag #7
Die Sozialisation in einer Diktatur […]
[…];widerspricht Deinem Einwand, […]
Zitat von Vexator im Beitrag #8
[…] das[s] jeder Bürger das Recht besitzt, eigene Parteien zu gründen […][quote]Übrigens bewirkt der Eintritt in eine bestehende Partei keinesfalls, dass die eigene Mitgestaltung der politischen bzw. sozialen Verhältnissen gelänge. Iinnerhalb der Parteilinie bzw. der "Fraktionsdisziplin" schrumpft diese Gestaltungsmacht darauf, Parteitagsbeschlüssen zuzustimmen oder überstimmt zu werden.
[quote="Vexator"|p6492][…] diese Dankbarkeit sollte sich meines Erachtens auch darin zeigen, das man an einer Demokratie selbst mitgestaltet […]
Die Ausübung eines Ehrenamtes mag ja löblich sein, ist aber de facto nur dem möglich, der die dafür nötige Zeit und Energie erübrigt, was nur kann, wer ökonomisch gut genug abgesichert ist, dies Amt anzunehmen oder sich davon versprechen darf, Vorteile für seinen Haupterwerb zu gewinnen…deswegen sind es auch so oft Unternehmer, Geschäftsführer oder Bundespräsidenten, die bevorzugt als Schirmherren auserwählt werden, wenn es darum geht, Aufrufe für Spendengelder zu personalisieren, d.h. mit einem Gesicht zu versehen…



zuletzt bearbeitet 10.11.2017 19:27 | nach oben springen

#14

RE: Woher kommt unsere politische Haltung?

in Politische Philosophie 10.11.2017 20:07
von moorhuhn | 1.486 Beiträge

Hab ich überhaupt nichts dagegen, Jackdaw. Wenn dieses "Ehrenamt" allerdings von meinen Steuergeldern finanziert wird, hat dies schon einen Anflug von Ironie!
Und man möge sich auch mal vor Augen halten, inwiefern solche Ämter politisch und ökonomisch wertvoll sind.
Die unterste Ebene, wo Menschen ohne jeden Vorteilsanspruch für Verbesserungen ihrer Lebensbedingungen eintreten, Lebensmittel fair verteilen, sich um sozial Schwache kümmern oder Aufklärungsarbeit leisten, damit Randgruppen überhaupt einen Zugang finden zum politischen System- die hat meinen vollen Respekt, nicht irgendwelche Parteifuzzis oder alimentierte Volksvertreter, die im Falle einer Wahlniederlage das Handtuch schmeißen. Da sieht man dann genau, was ihr hochgelobtes Engagement für einen Hintergrund hatte.
Und auch hierfür wieder ein Beispiel:
In Sachsen ist aufgrund des fulminanten Aufschwunges der AfD als erstes unsere Bildungstante zurückgetreten, hat wohl mit der Gestaltung doch nicht so geklappt. Sie zieht sich zurück ins Private, gut gepolstert, ohne Sorgen für die Zukunft.
Ich finde diese Aufforderung, "sich einbringen, statt zu meckern" scheinheilig und an der politischen Realität vorbei geschrammt. Man kann sich immer nur soweit einbringen, als dass es der vorgegebene Rahmen zulässt und nicht selten führt das eben zu Frust und Verweigerung.
Noch ein Wort zur milde belächelten jungen Generation. Sicher kann man man sie mit den 68igern nicht mehr vergleichen, vor allem, was den Bildungsgrad angeht. Allerdings erlebt man "mitten drin", dass gerade bildungsferne Schichten sehr oft ein soziales Gespür haben und einfach machen, wenn auch nicht immer mit angemessenen Mitteln.


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#15

RE: politische Haltung?

in Politische Philosophie 09.10.2020 22:27
von denker_1 | 1.598 Beiträge

Bei mir ist es ein Teil Erziehung und ein Teil praktisches Erleben der gesellschaftlichen Wirklichkeit, Die hat bei mir ein tiefes Misstrauen gegenüber dem Staat, egal welcher Gesellschaftsordnung und ein ebenso tiefes Misstrauen gegenüber den offiziellen Verlautbarungen der Staatsmedien hinterlassen.

Warum ich gegen Faschismus bin. Weil ich in meinem 8. Schuljahr auf dem Etterberg bei Weimar mit meiner Schulkasse das KZ Buchenwald besichtigt und von den Greueltaten der Kaz Mannschaft erfahren und später in der 9. Klasse den Roman von Bruno Apitz gelesen habe. Eine Regierung die solche Lager braucht um sich an der Macht zu halten, hat für mich jede Legitimation verloren, das gilt auch für Lenin und Stalin mit deren Gulags.

Der 2. Weltkrig hat da auch seinen Teil getan obwohl ich 1958 geboren wurd, aber in der DDR! Dennoch bin ich keine Stalinist geworden und auch kein Sozialist. Kommunismus ist ein Ideal für das zu kämpfen es sich lohnt, aber auf gar keinen Fall nochmals der marxistisch leninistische Weg. Von oben geht da gar nichts, der Wille zu einer gemeinwohlorientierten Gesellschaft muss von Volk kommen und wo sich Menschen freiwillig in Kommunen zusammen finden funktioniert das auch, egal wie streng die Regeln dort sind. Weil sich die Menschen freiwillig für die Kommune entscheiden, wer nicht mehr will, kann auch wieder weggehen ohne das ihm das verübelt wird, ganz im Gegensatz zum Ostblock. Unser heutiges System ist aber auch nicht der Weisheit letzter Schluss.


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