#16

RE: Sprachliche Genauigkeit

in Schule und Bildung 19.08.2018 17:44
von Anthea | 12.404 Beiträge

Zitat von Findus im Beitrag #14
Zitat von Anthea im Beitrag #12
Eine Frage bitte, lieber Findus.Möchtest du hier die Emanzipation rein auf den sprachlichen Aspekt bezogen diskutieren? Oder möchtest du die vielen Facetten der Emanzipation und ihrer Versäumnisse resp. Erfolge diskutieren?Im ersten Falle, also wenn du den rein sprachlichen Aspekt möchtest, dann würde ich den neuen Thread "Gender...." nämlich auch nach hier transportieren.


Ich denke, wir müssten natürlich auch Lila fragen, was Sie diskutieren möchte. Den Aspekt Gender und Sprache hat immerhin Sie aufgeworfen.
Aus meiner Sicht kann Sprache nicht von der Thematik der Emanzipation als Ganzem getrennt werden. Sprache ist Ausdruck der gesellschaftlichen Diskussionen, die wir immer noch führen!


Lieber Findus, wie du bemerken kannst, habe ich die Beiträge aus "Gender....." in deinen Thread über die Emanzipation eingebunden.

Es lebe die (sprachliche) Emanzipation.

-----


Um das Herz und den Verstand eines anderen Menschen zu verstehen, schaue nicht darauf, was er erreicht hat, sondern wonach er sich sehnt. (Khalil Gibran)
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#17

RE: Sprachliche Genauigkeit

in Schule und Bildung 19.08.2018 17:48
von Anthea | 12.404 Beiträge

"Es gibt gar viele Arten von Reinigung und Bereicherung, die eigentlich alle zusammengreifen müssen, wenn die Sprache lebendig wachsen soll. Poesie und leidenschaftliche Rede sind die einzigen Quellen, aus denen dieses Leben hervordringt, und sollten sie in ihrer Heftigkeit auch etwas Bergschutt mitführen – er setzt sich zu Boden und die reine Welle fließt darüber her."

Schrieb mein hochverehrter Johann Wolfgang.


Um das Herz und den Verstand eines anderen Menschen zu verstehen, schaue nicht darauf, was er erreicht hat, sondern wonach er sich sehnt. (Khalil Gibran)
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#18

RE: Sprachliche Genauigkeit

in Schule und Bildung 19.08.2018 17:53
von Findus (gelöscht)
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Die Ironie ist, liebe Anthea, dass der Grund für dieses Thema letztlich die geringe Qualität von Lilas Beiträgen ist Das Thema Gender ist mir persönlich ansonsten höchst egal. Du weisst ja, dass ich eigentlich immer nur Mensch schreibe.



zuletzt bearbeitet 19.08.2018 17:54 | nach oben springen

#19

RE: Sprache - Warum ist Emanzipation heute noch immer so umkämpft?

in Schule und Bildung 19.08.2018 18:04
von Meridian | 2.859 Beiträge

@Findus

Du hast das Zitierte von mir falsch aufgefasst. Es geht mir nur darum, dass Sprachänderungen vom Volk kommen und selbst eine von oben angeordnete Vereinfachung nur langsam durchgesetzt werden kann.

Zu Gender: Es gibt Sprachen, wo es für die 3. Person Singular nur 1 Wort gibt, also kein er/sie/es, z.B. im Ungarischen. Das "ő" bedeutet "er", "sie" oder "es". Das löst zwar die Probleme des Gender, aber verhindert auch jede Differenzierung.

Sogar im Englischen sind die meisten Berufsbezeichnungen männlich oder weiblich genau gleich. Ausnahmen sind Steward und Stewardess oder bei ganz wichtigen Personen wie "King" und "Queen". Aber schon der "Prime minister" kann David Cameron oder Theresa May heißen. In Deutschland musste es dagegen während Merkels Antritt 2006 eine Diskussion um das Wort "Bundeskanzlerin" geben.

Im Französischen, wo es nur männlich und weiblich gibt, gibt es diese dagegen auch in der 3. Person Plural männliche und weibliche Unterscheidung, nämlich "ils" und "elles", beides auf deutsch "sie". Auf die Frage, was bei einer geschlechtlich gemischten Personengruppe zu verwenden ist, lautet die Antwort "ils", auch wenn unter 1000 Leuten nur 1 Mann vorhanden ist. Ich muss aber sagen, wer jetzt fordert, dass bei der weiblicher Mehrheit künftig "elles" verwendet werden soll, dem muss ich entgegenhalten, dass das bei einer großen Gruppe die Mehrheit gar nicht so einfach zu ermitteln ist. Soll ich bei 954 Leute erst die Männer zählen, die vielleicht auf 475 (oder 479, oder wenn es mit 477 genau halbe-halbe ist) kommen?
Wegen des fehlenden Neutrums wird auch in anderer Hinsicht das männliche Pronomen bevorzugt. Bei Sätzen wie "es regnet" kommt im Französischen "il pleut", wörtlich "er regnet". Auch hier können Feministen mit Forderungen kommen wie: Was spricht gegen "elle pleut" (sie regnet)? Könnte dazu führen, dass die Franzosen genau deswegen doch noch ein Neutrum einführen. Auch in den anderen romanischen Sprechen Italienisch, Spanisch und Portugiesisch fehlt das Neutrum (im Lateinischen dagegen nicht), nur das Rumänisch hat sein Neutrum behalten.


Die äußere Welt ist der Spiegel deines Inneren.
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#20

Bundeskanzlerin

in Schule und Bildung 19.08.2018 18:17
von Findus (gelöscht)
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Ich mag gut recherchierte Beiträge. Danke @Meridian.
Dein Beispiel der Diskussion um das Wort "Bundeskanzlerin" ist ein sehr gutes Beispiel. Die Diskussion um das Wort Bundeskanzlerin wurde geführt und führte 2004 zur Aufnahme des Wortes in den Duden. Im Jahr 2005 - dem Jahr der vorgezogenen Bundestagswahl - wurde die "Bundeskanzlerin" sogar Wort des Jahres. Interessant an der Begründung der Deutschen Gesellschaft für Sprache ist keine sprachlich begründete. Eine weibliche Endung gibt es für durchaus viele Berufsbezeichnungen. Die Deutsche Gesellschaft für Sprache begründete die Wahl zum Wort des Jahres vielmehr damit, dass das Wort Bundeskanzlerin zeige, dass die Wahl einer Frau an die Spitze des Staates Realität geworden ist. In den vergangenen Jahrzehnten sie dies gesellschaftlich noch nicht denkbar gewesen.
Kurz: Sprache hat sich hier vom "Volke" aus entwickelt - gesellschaftliche Realität spiegelt sich seit 2004 in Sprache wieder.



zuletzt bearbeitet 19.08.2018 18:17 | nach oben springen

#21

RE: Sprache - Warum ist Emanzipation heute noch immer so umkämpft?

in Schule und Bildung 19.08.2018 19:23
von Anthea | 12.404 Beiträge

Ich sage es mal ganz schlicht und einfach: Hauptsache, dass man einander versteht.

Ich habe mich vormals nie diskriminiert gefühlt, wenn nicht speziell zusätzlich auf das weibliche Geschlecht sprachlich abgeziel wurde.
Und ich fand schon die Regeln blöd, dass bei Stellenangeboten beide Geschlechter explizit genannt werden mussten. Denn der Quatsch war/ist doch der, dass, wenn sich ein Unternehmen zur Besetzung einer Position eine Frau vorgestellt hatte, es genau die Gründe finden würde, warum eine Frau dem Mann vorgezogen wurde - und umgekehrt.
Es war immer sinnvoll, genaue Protokolle bei Vorstellungsgesprächen anzufertigen, um danach beweisen zu können, warum man Frau X einem Herrn Y vorzog.
Denn es gab für einige neue "Einkommensmodelle". Firmen verklagen, die dann beweisen sollten, warum sie ihn nicht genommen hatten. Und auch wenn zugunsten der Firma entschieden wurde, so erhielt der Kläger immer noch ein paar Euro zugsprochen.

---


Um das Herz und den Verstand eines anderen Menschen zu verstehen, schaue nicht darauf, was er erreicht hat, sondern wonach er sich sehnt. (Khalil Gibran)
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#22

RE: Sprache - Warum ist Emanzipation heute noch immer so umkämpft?

in Schule und Bildung 19.08.2018 19:57
von Findus (gelöscht)
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Einander zu verstehen ist immer gut.

Also alles gut und Emanzipation abgeschlossen?


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#23

RE: Sprache - Warum ist Emanzipation heute noch immer so umkämpft?

in Schule und Bildung 19.08.2018 20:07
von Anthea | 12.404 Beiträge

Zitat von Findus im Beitrag #22
Einander zu verstehen ist immer gut.

Also alles gut und Emanzipation abgeschlossen?


Also ich verstehe in den Problemen der Emanzipation weitaus anderes als eine genderkorrekte Anrede.
Wer sich als Frau an sowas aufhängt, die hat arge Probleme mit Selbstbewusstsein.

Die österreichischen Tanten fand ich immer besonders putzig, die sich mit dem Titel ihres Mannes anreden ließen. ;-)

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#24

RE: Sprache - Warum ist Emanzipation heute noch immer so umkämpft?

in Schule und Bildung 19.08.2018 21:59
von Gelöschtes Mitglied
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Sprache bestimmt das Bewußtsein - und das Bewußtsein bestimmt die Sprache.

Veränderungen in der Sprache geschehen permanent - trotzdem dauern größere Umbrüche regelmäßig nicht Jahrzehnte sondern Jahrhunderte.
Veränderungen im Bewußtsein hingegen sind aktuell teilweise sehr schnelllebig.Das liegt unter anderem am Internet und am Smartphone.

Die Sprache hält mit dem Tempo nicht mehr Schritt.
Deutsch als Sprache ist auch ziemlich ungeeignet, um beispielsweise ein drittes Geschlecht in die Sprache mit einzubeziehen. Sprachen wie Latein wären da geeigneter gewesen, weil man einfach über neue Endungen weitere Geschlechter hätte definieren können. Diese Variante steht im Deutschen so nicht so einfach zu Verfügung.

Die typischen Versuche das Deutsche anzupassen, wirken alle weitgehend befremdlich. Es sind Kopfgeburten, die im normalen Alltag der Menschen nicht ankommen.


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#25

RE: Sprache - Warum ist Emanzipation heute noch immer so umkämpft?

in Schule und Bildung 20.08.2018 20:40
von Findus (gelöscht)
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Ich bedanke mich, Atue, dass du einen Erklärungsansatz zu liefern versuchst.
Um das mal zu durchdenken: Warum bringen neue Medien denn zwingend eine Ungleichzeitigkeit von Gedanke und Entwicklung von Sprache? Das müsste deine Arbeitshypothese mit beantworten, um alltagstauglich zu werden.

Ich finde deinen Gedanken interessant.


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#26

RE: Sprache - Warum ist Emanzipation heute noch immer so umkämpft?

in Schule und Bildung 21.08.2018 00:04
von Gelöschtes Mitglied
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In Zeiten vor dem Buchdruck konnten gesellschaftliche Veränderungen im kleinen Raum auch mit einer moderaten Anpassung der Sprache einhergehen. Es ist ein wenig so, wie wenn Jugendsprache erst mal einzelne Vokabeln bis in Alter übernimmt, so dass langsam aber kontinuierlich die Sprache sich beständig mit dem Entwickelt, wie sich auch die Gesamtgesellschaft entwickelt.

Die Gesamtgesellschaftliche Entwicklung hat sich aber mit dem Buchdruck und seitdem mit neuen Medien immer schneller bewegt - weil immer schneller neue Gedanken in immer größeren gesellschaftlichen Kreisen gedacht werden konnten.

Neue Vokabeln sind leicht in eine Sprache zu integrieren - dem entsprechend erleben wir heute nicht nur aber auch im Deutschen dass jedes Jahr eine Vielzahl an Vokablen hinzukommen - bei der Grammatik aber wirken Medien sogar verlangsamend.
Früher war die leicht veränderte Grammatik und Aussprache ein Differenzierungsmerkmal von Orten, Landschaften, Herrschaftsgebieten u.ä. - heute führen Bücher, Rechtschreibkorrekturprogramme und bundesweit einheitliche Rundfunksender sowie auch das Internet dazu, dass Abweichungen von der Norm gerade im Bereich der Grammatik eher seltener werden.

Eine gesellschaftliche Entwicklung wie dem der Gender-Gerechtigkeit bei Frauen und Männern würde dem Deutschen und anderen Sprachen aber Änderungen in der Grammatik abverlangen!
Und es ist zwar kein Problem, neue Vokabeln für ein drittes Geschlecht aufzunehmen - aber grammatikalische Anpassungen in die Sprache einzubringen, die ein drittes Geschlecht erfordern würde, wird eher behindert.

Konkret: Wir können Transsexuelle benennen - dafür haben wir eine Vokabel. Wir können sie aber nicht korrekt ansprechen - dafür haben wir keine Grammatik.

Die Bedeutung von Grammatik und Vokabeln ist in unterschiedlichen Sprachen durchaus unterschiedlich. Deshalb gibt es Sprachen, die sich leichter tun, neue Vokabeln aufzunehmen, und andere, die auch offen für grammatikalische Anpassungen sind, weil in ihnen die Grammatik keine so große Rolle spielt - oder leichter modifizierbar ist.

Im Deutschen ist es extrem leicht, neue Vokabeln mit aufzunehmen - und mehr noch: wir sind ziemlicher Weltmeister in dem, dass man aus bestehenden Vokabeln durch einfache Kombination mit anderen Vokabeln neue Wörter erschaffen kann. Andere Sprachen nutzen dafür andere Konstrukte - kombinieren Laute, variieren Satzstellungen, drücken bestimmte Bedeutungen über Endungen oder Vorsilben aus. Dem gegenüber ist die Satzstellung im Deutschen ziemlich konservativ.

Im Deutschen tun wir uns mit einigen Dingen systemisch schwer - beispielsweise mit einem neuen Geschlecht, oder einen neuen Rolle von Frau und Mann. Einfach sind Vokabeln und Wortbildung, schwer sind Dinge, die in der Grammatik ihren Ausdruck finden.

Wer sich mal näher mit der Sprache als solches beschäftigt, lernt schnell auch, dass wir im Deutschen längst nicht alles ausdrücken können. So tun wir uns auch schwer mit allen 9 Zeiten, die es prinzipiell gibt - schwierig sind auch alle denkbaren Formen des Konjunktivs auszudrücken. Es gibt Sprachen, da ist das jeweils kein Problem!
Die Vokabel Handy als Wortschöpfung aufzunehmen war hingegen trivial - und auch wenn sie englisch klingt, ist sie faktisch eine deutsche Wortschöpfung.

Sprache bestimmt das Bewußtsein - Bewußtsein bestimmt die Sprache. Weil wir Gendergerechtigkeit mit unserer Sprache schwer denken können, fällt es uns auch schwer, das passende Bewußtsein dafür genauso schnell in der Gesellschaft zu entwickeln. Denkt man über weitere Geschlechter nach, wird die Problematik im Deutschen klar.

Ich bin schon sehr gespannt auf die Rechtssprechung der nächsten Jahre, wenn das Thema von weiteren Geschlechtern sukzessive durch die Gerichte gehen wird......wie aber soll konkret eine Ausschreibung Geschlechtergerecht geschrieben werden, wenn man ganz neutral nicht nur Männer und Frauen ansprechen will, sondern auch alle noch weiteren denkbaren Geschlechter?

Liebe Frauen und Männer und Diverse,
sie können sich gerne als Geschäftsführer, Geschäftsführerin oder diverse Geschäfts- was auch immer bewerben. Ihr Geschlecht spielt keine Rolle, ausser dass wir darauf bestehen müssen, dass Visitenkärtchen ggf. in der Ansprache auf 40 Zeichen beschränkt sind......
Sofern sie mit dieser Einschränkung leben können, freuen wir uns schon, mit dir, ihnen, oder wem auch immer zusammen arbeiten zu können......


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#27

RE: Sprache - Warum ist Emanzipation heute noch immer so umkämpft?

in Schule und Bildung 24.04.2024 15:33
von denker_1 | 1.598 Beiträge

Zitat von Anthea

Die österreichischen Tanten fand ich immer besonders putzig, die sich mit dem Titel ihres Mannes anreden ließen. ;-)



Frau Wachtmeister, Frau Ober Frau Lehrer oder Frau Kommerzienrat ....



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