#1

Grenzen der Psychotherapie

in Film und Fernsehen 28.11.2018 22:02
von moorhuhn | 1.486 Beiträge

Der Film beruht auf einer wahren Begebenheit und ehrlich gesagt, an manchen Stellen hatte ich ein deja vue der besonderen Art.
Sowohl privat als auch beruflich habe /hatte ich einigen Kontakt mit Therapeuten, die immer insgeheim den Verdacht aufkommen ließen, nicht zu wissen, wovon sie reden.

https://www.focus.de/digital/internet/fe...id_9989119.html


Der frühe Vogel kann mich mal !
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#2

RE: Grenzen der Psychotherapie

in Film und Fernsehen 28.11.2018 23:07
von Anthea | 12.409 Beiträge

Liebes moorhuhn, du bist mir zuvor gekommen.
Ich werde morgen ausführlicher darüber schreiben. War sehenswert und hat viele Ansatzpunkte für eine Diskussion.
---


Um das Herz und den Verstand eines anderen Menschen zu verstehen, schaue nicht darauf, was er erreicht hat, sondern wonach er sich sehnt. (Khalil Gibran)
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#3

RE: Grenzen der Psychotherapie

in Film und Fernsehen 29.11.2018 13:49
von Anthea | 12.409 Beiträge

Liebes moorhuhn, du stellst im Grunde genommen die Frage nach „der Weisheit letzter Schluss“ bei Psychologie und Psychotherapie. Und - oh Wunder , den gibt es nicht.

Ich wollte den Beitrag eigentlich auf die Sicht und Gefühlswelt der Opfer von Vergewaltigung lenken. Aber eines haben im Grunde genommen die Erörterungen beider Dinge gemeinsam, nämlich den sicherlich nicht zu leugnenden Fakt, dass man Menschen immer nur vor den Kopf gucken kann und nicht hinein resp. in ihr „Herz“ als Synonym für eine immerwährenden Turbulenzen ausgesetzte Gefühlswelt.

„Das hätten wir nie gedacht“, das mussten schon unzählige Gutachter sich sagen, die einem entlassenen Straftäter – gerade auch auf dem Gebiet der Sexualstraftaten – „Heilung“ attestierten und gute Zukunftsprognosen.

Wer den Film gesehen hat, der sah in einer Therapie, dass Manipulation offenbar zur Heilung gehörte. Ganz richtig sagte sich später im Film die Therapeutin Susanne Rautenberg, als sie sich eine Aufzeichnung der Therapiestunde anschaute, dass sie ja den späteren Täter praktisch angefleht hatte, sich zu öffnen und etwas von sich preiszugeben. Sie hatte stolz auf ihr Gelingen später ihrem Mann davon erzählt… Nach der Tat sah sie in ihrer Vorgehensweise jedoch mangelnde Distanz. Wie man's macht, macht man es falsch? Und hinterher ist man immer klüger? Alles eine Sache von "hätte", "wäre" - Konjunktiv schlechthin... Nicht wirklich als Lösung greifbar.

Ich hatte den Eindruck, dass die körperlich erduldeten Erniedrigungen, die Vergewaltigungen und die Machtausübung des ihr körperlich überlegenen Mannes später nicht der Hauptbestandteil ihres Traumas, ihrer Wut und ihrer Rachegedanken waren. Sondern dass es viel mehr noch ihr eigener Irrtum, ihr eigenes Versagen und der Verlust ihrer eigenen Vormachtstellung bis dato war. Zumindest gleichwertig dem anderen Schmerz der körperlichen Nötigung und Demütigung.
Dafür spricht dann aus meiner Sicht die Aussage von Frau Preusker im Interview, das wahre Opfer, wo sie berichtete, dass sie später dem Täter einen Brief geschrieben hatte:

[…]“Sie habe nie eine Antwort bekommen, aber die wolle sie auch nicht, "wären ja eh nur Lügen". Mit dem Brief stellte sie das alte Machtverhältnis wieder her – das war ihr am wichtigsten.“

Hier ist der Link zu dem sehr interessanten und ausführlichen Artikel im Stern über das Interview mit dem wahren Opfer, Susanne Preusker, die sich im Februar dieses Jahres – neun Jahre nach ihrem erlebten Martyrium – das Leben nahm und die ihre „Geschichte“ in einem Buch niedergeschrieben hat.

https://www.stern.de/panorama/gesellscha...m--7938780.html

Hier ist der Link zum Video in der Mediathek.

https://www.daserste.de/unterhaltung/fil...-video-102.html

Und um auf Psychologen und Therapeuten im weitesten Sinne abzuzielen: Jedem von diesen eine eigene „Couch“ zwecks Therapie durch einen Kollegen…Ich denke, in Amerika ist das ganz normal.

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Um das Herz und den Verstand eines anderen Menschen zu verstehen, schaue nicht darauf, was er erreicht hat, sondern wonach er sich sehnt. (Khalil Gibran)
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#4

RE: Grenzen der Psychotherapie

in Film und Fernsehen 29.11.2018 22:36
von moorhuhn | 1.486 Beiträge

"Ich hatte den Eindruck, dass die körperlich erduldeten Erniedrigungen, die Vergewaltigungen und die Machtausübung des ihr körperlich überlegenen Mannes später nicht der Hauptbestandteil ihres Traumas, ihrer Wut und ihrer Rachegedanken waren. Sondern dass es viel mehr noch ihr eigener Irrtum, ihr eigenes Versagen und der Verlust ihrer eigenen Vormachtstellung bis dato war. Zumindest gleichwertig dem anderen Schmerz der körperlichen Nötigung und Demütigung." (Anthea)

Mit Sicherheit war das so, Anthea. Dafür spricht auch ihre oft wiederholte Aussage: "Er hat mich zu seiner Nutte gemacht." Dass sie trotz ihrer Kenntnisse nicht verhindern konnte, für einen Mann als reines Objekt zu fungieren.
Allerdings setzt da meine Kritik vom Eingangsthread an. Diese Erhabenheit und Kraft meiner Wassersuppe, mit der sie wenige Zeit vor dem Angriff ihren Kollegen abgebügelt hat, der nur um ein wenig Teamwork und den Blick aus mehreren Perspektiven gebeten hatte, fand ich unerträglich arrogant, beinahe schon hybrid.

Und ja, man MUSS den Blick mehr auf die Opfer lenken. "Wir verurteilen die Tat, aber würdigen die Täter." (Kollege von Rautenberg; sinngemäß) Wer/was würdigt die Opfer? Gefängnisstrafen in lockerer Umgebung mit Option zum Waffenbau und vorzeitiger Entlassung, amtliche Psychater, die im Morgenkreis ihre schwarzen Schäfchen anflehen, doch endlich mal ihre Gefühle zu offenbaren, Bürokraten, die sich sogar die Fahrt in die Klinik vom Opfer bezahlen lassen?
Opfer sind gebrochene Menschen, denen man in der Regel keinen Morgenkreis anbietet, im Gegenteil, die Wartezeit auf einen Termin beim Seelendoktor kann schon mal 6 Monate dauern. Und wenn es dann soweit ist, haben Opfer in all den Gesprächen, Übungen und pharmakologischen Experimenten auch stets im Hinterkopf, dass der Seelendoktor zwei Stunden später ihren Peinigern in der gleichen Art und Weise begegnet, immer überzeugt von der eigenen Urteilsfähigkeit und dem Bewusstsein, genau zu wissen, wie diese Menschen sich fühlen.
Man kann es eben nicht wissen! Gefühle, Verhalten und kognitive Prozesse entsprechen keinem wissenschaftlich abhakbarem Raster, insofern muss dies als große Unbekannte in der Gleichung akzeptiert und Experimente bei Sexualstraftätern oder generell bei Menschen mit psychopatischen Anlagen unterlassen werden.

So tragisch dieser Fall Preusker auch ist, er ist einer unter vielen, man könnte jetzt mal recherchieren, wieviele Missbrauchsopfer sich pro Jahr das Leben nehmen. Und man könnte auch mal das StGB hernehmen, das bei Vergewaltigung ohne Todesfolge lächerliche (unwürdige) Strafmaße aufruft.
Umso mehr sollte ein Umdenken in der Strafjustiz einsetzen!


Der frühe Vogel kann mich mal !


zuletzt bearbeitet 29.11.2018 22:46 | nach oben springen

#5

RE: Grenzen der Psychotherapie

in Film und Fernsehen 29.11.2018 23:03
von Anthea | 12.409 Beiträge

Was interessant war, das war ihre Reaktion auf ganz normale und verständliche Fragen, gestellt von ihrem Verlobten und auch von ihrer Therapeutin. Sinngemäß, ob sie denn nicht gewusst habe, dass es sich um einen Psychopathen handelte, ob sie denn sich gewehrt habe... Alles Fragen, die sie ausrasten ließen. Warum? Weil sie darin eine Kritik an ihrer professionellen Urteilsfähigkeit sah. Ich empfand das so.

Eine andere Frau, die vergewaltigt wurde, hätte bei einer solchen Frage anders reagiert, beziehungsweise gedacht. Nämlich vermutet, dass man ihr Misstrauen entgegenbringen würde. Und ob sie nicht selbst irgendwie mitschuldig sei. Man denke an Spießrutenlaufen von Opfern in einer Männerwelt. Das Opfer war "aufreizend" gekleidet, oder so. Was viele von einer Anzeige absehen ließ.

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Um das Herz und den Verstand eines anderen Menschen zu verstehen, schaue nicht darauf, was er erreicht hat, sondern wonach er sich sehnt. (Khalil Gibran)


zuletzt bearbeitet 29.11.2018 23:05 | nach oben springen

#6

RE: Grenzen der Psychotherapie

in Film und Fernsehen 29.11.2018 23:18
von moorhuhn | 1.486 Beiträge

Sie hat aus meiner Sicht ausschließlich darauf hingearbeitet, ihr verlorenes Gesicht wieder einzufangen. Die Anklage gegen die Haftanstalt war letztlich auch nur eine Aktion, die von ihrem Eigenanteil ablenken sollte. Wer jahrelang in einem Hochsicherheitsgefängnis arbeitet, müsste eigentlich vertraut sein mit Schwächen im System. Diese hat sie wohl vor dem Angriff nie angeprangert, darüberhinaus allen Mitarbeitern das Gefühl gegeben, immer und überall alles im Griff zu haben.

Dennoch, ganz tief unten tobten die Geister, die sie rief. Und das ist ein Prozess, der ihr erstmalig vor Augen führte, durch welche Hölle Opfer solcher Psychopaten wirklich gehen. Insofern hätte sie nun echte Kompetenzen für ihren Beruf, nur dass sie keine Kraft mehr hat, ihn auszuüben.


Der frühe Vogel kann mich mal !


zuletzt bearbeitet 29.11.2018 23:19 | nach oben springen


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