#1

Bürgerschaftswahl in Hamburg

in Deutschland 23.02.2020 18:26
von Meridian | 2.862 Beiträge

Erste Prognosen, und die haben es in sich.

AfD und FDP dürfen um den Einzug in die Bürgerschaft zittern. Hoffentlich zittert v.a. die AfD vergeblich.

Leider hat die Süddeutsche den Live-Ticker nur kostenpflichtig. Kurzzeitig waren die ersten Ergebnisse zu sehen. ABer dann halt eben auf wahlrecht.de, wo eh alles aufgelistet wird.

https://www.wahlrecht.de/news/2020/buerg...mburg-2020.html


Für die SPD ist das trotz Verlusten Balsam auf ihre Seele. In welchem Bundesland hat die stärkste Partei mehr als 35%? In Bayern (CSU), Saarland (CDU, als einzige noch über 40%), Rheinland-Pfalz (SPD), Niedersachsen (SPD). Interessant, dass die SPD die meisten hohen Ergebnisse noch hat, aber anderswo sieht's schrecklich aus.
Auch die Grünen schneiden nach jetzigem Stand geringfügig besser ab als ohnehin vorhergesagt, die Linke ebenfalls. Gerade bei den Grünen wäre das ungewöhnlich, denn meistens schneiden sie etwas schlechter ab als in den Umfragen. Vielleicht hat die FFF-Bewegung mit Thunbergs Besuch das Wahlverhalten leicht beeinflusst.

CDU und FDP haben für ihr Verhalten in Thüringen die Quittung bekommen. Beide schneiden schlechter ab als in den Umfragen. Das gilt auch für die AfD. Der Anschlag in Hanau und das Verhalten der AfD könnte den Hamburger Verband, der ohnehin nicht stark ist, um den Einzug bringen. Sollte die AfD rausfliegen, wäre das der wichtigste Aspekt bei dieser Wahl überhaupt. Alles andere ist nebensächlich.

Für die Grünen könnte es zu einem "Wie gewonnen, so zerronnen; herzlichen Glückwunsch zum Status als Oppositionsführer!" werden. Ein rot-grünes Bündnis wäre so etwas wie eine GroKo und hätte eine schwache Oppostion zur Folge. Die SPD sollte auch eine Koalition mit der CDU oder mit der Linken erwägen. Mit der Linken kann es reichen, wenn FDP oder AFD rausfliegen. Fliegen beide raus, reicht es auf jeden Fall. Zudem haben die Grünen die SPD ziemlich hart angegangen, womit sich die SPD durchaus rächen kann mit dem Wechsel des Juniorpartners.


Die äußere Welt ist der Spiegel deines Inneren.


zuletzt bearbeitet 23.02.2020 18:31 | nach oben springen

#2

RE: Bürgerschaftswahl in Hamburg

in Deutschland 24.02.2020 05:54
von heiner | 881 Beiträge

Man wird das amtliche Endergebnis abwarten müssen, sicher zu sein, dass AfD & FDP, nicht mehr in der Bürgerschaft Hamburgs vertreten sind. Der "CDU/AfD/FDP-Putsch" in Thüringen hat aber doch Wirkung gezeigt, denn ein "RRG-Ergebnis" von gesamt 72% ist beachtlich. Nicht mehr viel & die "Linke" hätte sich vor die CDU geschoben, das wäre ebenfalls als beachtliche Entwicklung zu werten.
Nun wird in Hamburg regiert werden, ohne einen Politikwechsel, das ist gut so. Besser noch ist, dass die Wahrscheinlichkeit "Thüringer Verhältnisse" befürchten zu müssen, also "Machtergreifung 2.0", zumindest Mittelfristig, nicht mehr sehr wahrscheinlich ist. Was CDU & FDP in Thüringen, nachhaltig & gründlich verbockt haben, das ist das Label "Bürgerliche Mitte", das die beiden Parteien wohl erst wieder einrichten müssen, denn man ordnet sie dort nicht mehr automatisch zu. Wähler aus dem Lager von CDU/CSU sind verstärkt bei Grün & SPD zu finden, die ersthaften "Umweltschützer" tendieren zu Grün, die Wirtschaftsfraktion scheint nunmehr auch in der SPD keinen "Popans" mehr erkennen zu können. Politiker wie Olaf Scholz taugen nun mal nicht als "linkes Schreckgespenst", zumal selbst "Links" nicht mehr dazu taugt.
Wenn man sagt, die Republik hat mit Thüringen & Hamburg aufgezeigt wie Wähler auf Hinwendungen zu den "Neofaschisten" reagieren, ist das eine, wie ich meine zutreffende Analyse.


Wir wollen eine Gesellschaft, die mehr Freiheit bietet und mehr Mitverantwortung fordert. (Willy Brandt)
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#3

RE: Bürgerschaftswahl in Hamburg

in Deutschland 24.02.2020 07:33
von Anthea | 12.413 Beiträge

Lieber heiner, dein Wort in Gottes Ohr.... Aber leider sieht es momentan so aus, dass die AfD doch einzieht.


Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi


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#4

RE: Bürgerschaftswahl in Hamburg

in Deutschland 24.02.2020 09:31
von Meridian | 2.862 Beiträge

Ja, die AfD ist doch drin, ja sie liegt sogar vor der FDP.

https://www.wahlrecht.de/news/2020/buerg...mburg-2020.html

Letztlich wurde die SPD mit 39% noch stärker als in der Prognose, die Grünen mit 24% leicht gestutzt. Beide Ergebnisse entsprechen der letzten Umfrage vor der Wahl.

Trotzdem hat die SPD 3 Optionen. Neben rot-grün und rot-schwarz wäre auch rot-rot möglich, wenn auch knapp mit 62 von 121 Sitzen. Aber gerade die Hamburger SPD wird wohl kaum mit der Linken etwas anfangen, zumal die dortigen Linken weit "linkser" sind als in Thüringen.

Zur AfD: Man kann ja schon froh sein, dass sie erstmals in einer Landtagswahl an Prozenten verloren hat. An Stimmen hat sie es nicht, Im Gegenteil, dank der höheren Wahlbeteiligung hat sie netto 2000 Stimmen gewonnen. Hier ein Artikel über die Wählerwanderungen bei jeder Partei.

https://www.welt.de/politik/deutschland/...waecher-ab.html

Die AfD kann der CDU und aus dem Nichtwählerlager Wähler abgewinnen, verliert aber an Grüne (!) und "Sonstige". Die Grünen selber haben von allen Seiten Wähler abgewinnen können (v.a. von der SPD und den bisherigen Nichtwählern). Die CDU hat v.a. von der FDP geholt, verlor aber massiv an SPD und Grüne. Die FDP verlor viel an SPD, Grüne, CDU und andere, konnte aber sich dadurch retten, dass sie viele Stimmen aus dem Nichtwählerlager geholt hat.
Die SPD verlor die meisten Stimmen an die Grünen, konnte aber am meisten Nichtwähler mobilisieren, ausgerechnet die SPD...

Zur CDU: 11,2% sind für diese Partei eine Katastrophe, und das sollte nicht unter "Ist ja nur Hamburg" abgehakt werden. Zudem nur wenig besser dastehend wie die Linken in einem westdeutschen Bundesland. Es ist eine deutliche Warnung, dass es ihr die wie SPD in einigen Bundesländern ergehen wird, wenn sie nicht schnellstens Klarheit in ihren eigenen Reihen schaffen wird. Auch in Berlin dümpelt die CDU bei nur 15%, und in Brandenburg hat sie schon kräftig federn lassen.


Die äußere Welt ist der Spiegel deines Inneren.
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#5

RE: Bürgerschaftswahl in Hamburg

in Deutschland 24.02.2020 09:47
von Meridian | 2.862 Beiträge

Noch ein Artikel, der den Sieg der SPD kritischer sieht (und eigentlich hat sie mit -6,6% die größten Verluste erlitten).

https://www.welt.de/politik/article20608...-Hanseaten.html

Die einzige Partei, die wirklich gewonnen hat, sind die Grünen. Nur die Angst um zu viel "Greta" hat den Grünenaufstieg leicht gebremst und der SPD Stimmen gegeben.

Wusste nicht, dass die Kommunalwahl in Bayern schon in 3 Wochen ist. Bis dahin kann viel passieren. Davor sollte in Thüringen Ramelow gewählt werden - sollte!


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#6

RE: Bürgerschaftswahl in Hamburg

in Deutschland 24.02.2020 11:11
von heiner | 881 Beiträge

In den 1950er Jahren ging ich mit Vater ins Naturfreundehaus, am Sonntag. Eine SPD-Familie aus dem Bilderbuch, mein Bruder Jürgen noch 1972, an meiner Seite zum "Willy Brandt-Wahlkampf" & am Ende der 1970er Jahre, war "Atomkraft nein danke", der Wechsel, nicht nur meines Bruders zur neuen, "Grün-Partei" fällig. Die erste Abspaltung für die SPD, verantwortet von Helmut Schmidt. Viele Abende an Diskussion waren über das Für & Wider dieser neuen Konstellation vergangen & dass die Grünen, aus eigener Kraft, die Parlamentshürde knacken können, war klar. Dann setzte der Wähler die SPD, gemeinsam mit Grün zur Krisenbewältigung nach Kohl ein. Das konnte nicht schmerzlos abgehen, zu tief waren die Friktionen aus einer unprofessionellen, "konservativen Herrschaft". Nun konnte selbst der SPD-Vorsitzende Lafontaine, das nicht mehr als sozialdemokratische Politik anbieten & ging. Aus ehemals einer SPD, die in der Spitze mit Willy Brandt, fast 50% erreichte, waren 3 Parteien geworden, "RRG" sagt man heute.
Nun gut, in Hamburg hat dieses "RRG" immerhin 72% auf sich vereint, man kann auch sagen, wer mehrgleisig fährt & gemeinsam schlägt, hat einen Vorteil, mag sein. Tatsache ist, die SPD hat in der Verantwortung für Deutschland, immer den Finger am Puls der Nation gehabt & nicht immer alles richtig gemacht, richtiger als die Anderen jedoch, allemal.
Dass Wählerwanderungen in einer Demokratie, normal sind, das ist eine "Binse", demokratische Konstuktionsveränderungen sind es aber auch. Wenn Hamburg aufzeigt, wie eine aufgeklärte Gesellschaft tickt, so kann das auch nicht ewig dauern, bis in die tiefste Provinz auch Aufklärung dräut.


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#7

RE: Bürgerschaftswahl in Hamburg

in Deutschland 24.02.2020 18:08
von Findus | 2.521 Beiträge

Zuerst einmal eine tatsächlich interessante Wahl. Selbst in einem Landesparlament mit 6 Parteien ist Platz für eine stabile Koalition zweier Partner.

Der Erfolg der Wahl hat mit einem zugespitzten und fairen Wahlkampf der Spitzenkandidaten von Grünen und SPD zu tun. Daher mag ich Meridians These

Zitat von Meridian im Beitrag #5
Die einzige Partei, die wirklich gewonnen hat, sind die Grünen. Nur die Angst um zu viel "Greta" hat den Grünenaufstieg leicht gebremst und der SPD Stimmen gegeben.



nicht folgen. Zumal Greta diese Bedeutung schlicht nicht hat. Interessant finde ich einen Artikel der TAZ, der den Wahlkampf von Katharina Fegebank und Peter Tschentscher begleitet hat.
Das Porträt des Wahlkampf erzählt viel über Rot und Grün in der Hansestadt. Zum einen die Geschichte von Katharina Fegebank, die Haustürwahlkampf in den den gepflegt mondänen Wohngebieten der Besserverdiener macht. Zum anderen die Geschichte von Peter Tschentscher der seinen Wahlkampf in sozial belasteteren Ortsteilen wie Billstedt macht. Beide Kandidaten sprechen unterschiedliche Wählergruppen an.
Fegebank hat nicht umsonst die Grünen "damals" in die erste und gescheiterte schwarz-grüne Koalition Hamburgs geführt. Sie denkt an eine Öffnung der Grünen weiter ins Bürgertum hinein nach. Dem Wirtschaftsliberalismus der FDP setzen die Grünen einen besser angesehenen "Ökoliberalismus" entgegen. Das bringt Zustimmung in der Hansestadt.
Tschentschner hingegen ist ein Bildungsaufsteiger. Die sozialdemokratische Bildungsexpansion ermöglichte ihm letztlich seine Karriere. Man kann vermuten, dass ihm das "Arbeiterkind" abgenommen wird und er traditionellere sozialdemokratische Milieus anspricht. Dazu würde jedenfalls im Ergebnis passen, dass die SPD bei den über 60-jährigen sogar Stimmen zulegen konnte.

Man sollte so oder so keinesfalls den Fehler machen, Rot-Grün in Hamburg mit dem früheren Rot-Grün in Bremen oder gar R2G zu verwechseln. In Hamburg sind alle Parteien bürgerlicher.

Zitat von Meridian im Beitrag #1
Die SPD sollte auch eine Koalition mit der CDU oder mit der Linken erwägen.


Die Linkspartei hat bereits am gestrigen Wahlabend angekündigt, in Opposition zu gehen - schade. Wo der Mehrwert einer Koalition mit der CDU bestehen soll, erschließt sich mir nicht. Rot-Grün ist die einzig logische Entscheidung.


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#8

RE: Bürgerschaftswahl in Hamburg

in Deutschland 24.02.2020 22:18
von Meridian | 2.862 Beiträge

Diesmal läuft es andersrum für die FDP. Während sie es in Thüringen es nach langer Zitterpartie doch noch schaffte und durch ihr Handeln bis jetzt für größtmöglichen Ärger sorgt, dürfte die FDP in Hamburg rausfliegen. Eine Verwechslung bei der Zuordnung von Stimmen zw. FDP (5%) und Grünen (22%) in einem Wahlkreis kostete ihr über 400 Stimmen, was sie jetzt unter 5% bringt.

https://www.spiegel.de/politik/deutschla...4c-785a7babe42a

Ob das endgültige, amtliche Endergebnis sie noch retten wird, ist wenig wahrscheinlich. Für die SPD ergeben sich nun sogar bequeme Mehrheiten nicht nur mit den Grünen, sondern auch mit der CDU und der Linken. Letztere hat ja laut Findus schon die Opposition vorgezogen. Es ist eine typische West-Linke, die noch auf Fundamental-Opposition setzt und eher mit der Roten Flora anbändelt. Ich denke, SPD und Linke sind in HH weiter auseinander als SPD und CDU, also ganz anders als in Thüringen oder generell im Osten. Regierungsverantwortung von Linken im Westen gibt es bislang nur in Bremen. Ein Experiment unter Ypsilanti in Hessen schlug krachend fehl infolge Intrigen in den eigenen Reihen.


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