Wie schon in diesem Thread geschrieben, war ich im Sommer 2019 in Breslau.
Eine sehr schöne Stadt einem wunderbaren historischem Kern. Beeindruckend war auch die Jahrhunderthalle mit dem benachbarten Ogrod Japonski (japanischer Garten) und der künstliche See vor der Halle mit seinen vielen Fontänen. Diese "tanzten" nach bekannten Musikstücken, die aus öffentlichen Lautsprechern kamen.
Etwas Besonderes kann ich noch zur Bahnfahrt mit dem Kulturzug sagen: Es ist ein Zug, mit dem man am Freitag von Berlin aus hinfahren und am Sonntag zurückfahren kann. Betrieblich ist es ein IRE (sowas wie ein beschleunigter Regionalexpress). Er bestand aus 2 älteren Dieseltriebwägen, die eigentlich für den Regionalverkehr gedacht sind. Klimatisiert war er nicht. Auf der Hinfahrt war das kein Problem, da war es mit 25°C angenehm warm, und da man die Fenster öffnen konnte, umso besser. Auf der Rückfahrt waren dagegen 37°C. Das war nicht mehr angenehm, noch dazu, dass wir irgendwo in der Pampa 15min in der prallen Sonne auf freier Strecke standen. Kostenlose Sauna war im Kulturzug also auch inbegriffen.
Auf der Hinfahrt gab es ein Kulturprogramm: Jeder bekam einen Zettel auf deutsch und polnisch, auf dem Fragen über Breslau standen mit je 4 Antwortmöglichkeiten. Zu jeder Antwort war ein Buchstabe zugeordnet. Beantwortete man alle Fragen richtig, bekam man das gesuchte Lösungswort.
Ich wusste wenig über Breslau, und der von mir noch zuvor gekaufte Reiseführer war auch nicht hilfreich. Also ging ich die Lösung anders an und schaute mir die zu den Antworten zugehörigen Buchstaben genauer an. So konnte ich in der 1. Frage eine Antwort mit einem Q ausschließen, weil in der 2. Frage kein U angeboten wurde. Aber erst die vorletzte Frage brachte mich weiter. Da wurden nur polnische Buchstaben (d.h. mit landestypischen Akzenten) angeboten. Also musste die Lösung ein polnisches Wort sein, das zudem für Deutsche bekannt war. Nach kurzem Überlegen fiel mir ein es wie Schuppen vor den Augen: Solidarnosc. Auf den letzten 2 Buchstaben gehören Akzente. Ich überprüfte rasch, ob das zu den Fragen passte. Es passte. Ich überprüfte zudem, ob auch die richtigen Antworten einigermaßen sinnvoll erschienen. Auch das passte recht gut. So gab füllte ich den Zettel aus und gab ihn ab. Es wurden 2 Gewinner ausgelost. Ich war einer davon. Der Gewinn war ein Buch auf deutsch und polnisch über Breslau.
Ich gebe zu, die Lösung des Rätsels war über einen Schleichweg, aber der Weg ist das Ziel. Das Internet habe ich jedenfalls nicht benutzt, aber das Netz war im Ländlichen eh schlecht.
Mir fiel im Breslauer Hauptbahnhof noch was auf: Der Bf selber war saniert und sah wunderschön aus. Die meisten Züge waren recht modern, so dass der Kulturzug recht alt erschien. Sogar ein Hochgeschwindigkeitszug nach Warschau war zu sehen. Es kam aber auch ein langer Schnellzug mit ukrainischen Kurswägen nach L'viv (Lemberg). Doch so international Breslau sich gibt, so wenig internationale Züge gibt es. Der Kulturzug fährt ja nur 1-2x pro Woche (über Liegnitz - Cottbus), der nach L'viv fährt auch nicht jeden Tag. An 6 Tagen pro Woche fährt der NightJet von Berlin (hier über Frankfurt/Oder - Zielona Gora) über Breslau nach Wien. Einen Direktzug nach Prag gibt es nicht, was eigentlich sehr beschämend ist
Natürlich testete ich auch die polnische Küche. Am ersten Abend war das Essen eher ein Reinfall. Es war eines der international ausgerichteten Restaurants, und die Piroggen schmeckten eher standardmäßig. Am zweiten Abend habe ich ein kleineres Lokal in der Altstadt entdeckt, das von jungen Leute betrieben wurde, die die polnische Küche erneuern wollten. Was es genau war, wusste ich nicht, aber es war hervorragend.
Meine Unterkunft war ein Plattenbau in einem Außenbezirk. Es hätte besser sein können. Das Frühstück war vom Buffet und nicht einmal schlecht. Das Weißbrot war immerhin frisch gebacken und daher knusprig.
Was die Preise betrifft: Billig ist Breslau keineswegs mehr. In einem Supermarkt waren die Preise nur wenig unter dem deutschen Niveau, wenn überhaupt. In der Gastronomie konnte man es mit oft recht günstigen Möglichkeiten in Berlin-Schöneberg oder Kreuzberg vergleichen. Berlin-Mitte ist hingegen deutlich teurer.
Noch was fiel mir in Breslau auf: Ich habe kein altes Auto mehr gesehen, keinen Trabbi, keinen Skoda, keinen Lada, keinen Fiat 500. Der Fuhrpark ist eher noch moderner als in DE (Audi, BMW und Mercedes stark vertreten), zudem sah ich auch Luxuskarrossen wie Maserati oder einen Corvette. Mir kam der boshafte Gedanke an ein früheres Vorurteil, wonach in Polen keine Autos mehr geklaut werden, sondern die Polen bald selber zu den Beklauten gehören werden.
Aber auch der Fuhrpark der Straßenbahnen war moderner als derjenige einer Stadt im Ruhrgebiet.
Nun, es war mein erstes Mal in Schlesien. Gerne wäre ich auch in das nahe Gebirge gefahren, das schemenhaft vom Zug zu sehen war. Vielleicht fahre ich dort auch einmal hin. Ein Berg hatte eine charakteristische Form, es könnte die Schneekoppe sein.