#1

Der atheistische Glaube

in Religion und Ethik 16.10.2020 12:17
von Anthea | 12.407 Beiträge

Muss ein Atheist grundsätzlich alle Götter und Göttinnen ablehnen? Oder benennt er sie nur anders?

Vom Shamanismus, vom Islam vom Polytheismus hin zum Pantheismus betrachtet gibt es eine Einheit, die alle Richtungen eint. Sie glauben an einen Willen, der hinter allem liegt und seinen Ursprung in einer verborgenen Realität hat.
Nun wird der Atheist Probleme mit dem Wort "Wille" haben, wodurch er dieses lieber durch Zufall oder Determination ersetzt.

Der Theist hat eine mehr oder weniger klare Vorstellung von "seinem" Gottwesen, an das er glaubt. Der Atheist reagiert ablehnend auf diese und ist eigentlich nur existent, weil es die Gläubigen gibt. Auch diese sind nicht aus sich heraus konstanter Überzeugung von der Richtigkeit ihrer Annahme eines Gottes. Auch sie zweifeln, überwinden jedoch diese Unsicherheit und machen die Ablehnung des Zweifels zur weiteren Weltanschauung mit einem existierenden Gott. Diejenigen, die weiterhin zweifeln, sind die, die ich als die wahren und ehrlichen Gläubigen bezeichne: Die Agnostiker. Die wissen, dass sie gar nicht wirklich wissen können.

Telepathie ist eine Frage von Sender und Antenne. Und Theisten verfügen offenbar darüber, senden in Form von Gebeten ihre Botschaften und empfangen Hoffnung, Trost - was auch immer, jedenfalls alles für sie selbst positive Dinge.

Nun lässt sich auch eine Nichtexistenz nicht beweisen. Der Atheist will das auch gar nicht, fühlt sich jedoch immer wieder bedrängt von Gläubigen, die ihm ihr persönliches (Nicht)wissen als finales Ergebnis aufdrängen wollen. Von vornherein wohl zum Scheitern verurteilt. Der Atheist hat kein Gottesbild und hat auch wohl meistens kein Bedürfnis, sich eines "malen" zu lassen. Hier und heute und die Erinnerungen an und von gestern ohne die hehren Sphärenklänge eines "Jenseits". Für Letztere hat der Atheist keinen Sensor.

Gott "lebt" in den Köpfen und Herzen der Menschen als eine rein subjektive Erfahrung. Das ist gut - auch ohne Existenzbeweis. Das ist im Grunde genommen bei allen Fragen im metaphysischen Bereich ein Problem bei Erklärungen, die leicht in den Bereich der Pseudowissenschaft verbannt werden. Nichtdestotrotz ist das Interesse an "paranormalen Dingen sehr hoch und wirklich widersprechen kann man nicht, wenn es heißt, dass unsere "Schulweisheit" nicht des Wissens letzter Schluss ist und es viel mehr Dinge zwischen Himmen und Erde gibt, die nicht beantwortet werden können...

Das Menschsein hat viele Facetten, angefangen von Verstand und Vernunft über Instinkt durch Emotion. Also durch das "Bauchgefühl" oder das, was die "Seele" vorgibt. Und wenn etwas bei Menschen vorderlastiger ist, so ist dies absolut kein Grund für eine Abwertung. Nur "Fanatismus" ist abzulehnen, bei den Extremen "Gottloser" oder "Bigotter".

Interessant ist natürlich auch eine Betrachtungsweise, die einmal, ich glaube von Sloterdijk erwähnt wurde. Der Art, dass eine Gläubige zu ihrem atheistischen Mann sagte: Ich will verstehen, aber du hast gehobene Ansprüche und willst weiterhin nicht verstehen...
Es kann natürlich auch umgekehrt gewesen sein, dass die Atheistin zum Gläubigen sprach. Aber eher unwahrscheinlich. Eigentlich "missionieren" Atheisten nicht.

Sei dem, wie auch immer. "Glauben oder Nichtglauben", das ist immer noch die Frage.

---


Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi


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#2

RE: Der atheistische Glaube

in Religion und Ethik 16.10.2020 19:30
von Findus | 2.521 Beiträge

Zitat von Anthea im Beitrag #1
Muss ein Atheist grundsätzlich alle Götter und Göttinnen ablehnen?


Gegenfrage: Wäre ein Atheist der an Götter glaubt nicht religiös? Ist der Atheist überhaupt fähig zu glauben?


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#3

RE: Der atheistische Glaube

in Religion und Ethik 16.10.2020 19:56
von kuschelgorilla | 3.292 Beiträge

Atheismus als Glauben? Sind Zweifler gläubig oder ungläubig?


Meine Motivation ging heute morgen winkend und lächelnd an mir vorbei
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#4

RE: Der atheistische Glaube

in Religion und Ethik 16.10.2020 20:56
von Anthea | 12.407 Beiträge

Zitat von kuschelgorilla im Beitrag #3
Atheismus als Glauben? Sind Zweifler gläubig oder ungläubig?


"Zweifler", also die Agnostiker, nicht Atheisten, haben den richtigen "Glauben"..."Ich weiß, dass ich nicht(s) weiß!

---


Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi


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#5

RE: Der atheistische Glaube

in Religion und Ethik 16.10.2020 23:37
von Atue (gelöscht)
avatar

Warum sollte irgendwer überhaupt irgendetwas müssen?

Wenn wir Menschen uns mal endlich gegenseitig als vollwertige Individuen anerkennen, dann wird es auch einfacher mal tolerant anzuerkennen, dass der eine an Gott, der andere an Nichts und der Dritte von mir aus an Spaghetti glaubt.

Relevant ist nicht, woran wir glauben, sondern wie tolerant wir miteinander umgehen. Sowohl kluge Atheisten als auch kluge Philosophen als auch kluge Religiöse aller Art kommen immer wieder zu der Überzeugung, dass ein vernünftiges Miteinander der Menschen geht, und wichtig ist. Und es werden allgemeine Regeln formuliert, die helfen können, ein vernünftiges Miteinander zu organisieren - und interessanterweise sind diese Regeln regelmäßig eigentlich unabhängig vom Glauben oder Nicht-Glauben und von der Religion.

Der überzeugendste menschliche Lebensansatz ist für mich der Individualismus!



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#6

RE: Der atheistische Glaube

in Religion und Ethik 17.10.2020 09:33
von Findus | 2.521 Beiträge

Zitat von Atue im Beitrag #5


Der überzeugendste menschliche Lebensansatz ist für mich der Individualismus!


Ja, in jedem Fall. Selbst kannst du glauben was du möchtest und würdest dieses Recht jeder anderen Person ebenso zugestehen,


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#7

RE: Der atheistische Glaube

in Religion und Ethik 18.10.2020 11:29
von kuschelgorilla | 3.292 Beiträge

Zitat von Anthea im Beitrag #4
Zitat von kuschelgorilla im Beitrag #3
Atheismus als Glauben? Sind Zweifler gläubig oder ungläubig?


"Zweifler", also die Agnostiker, nicht Atheisten, haben den richtigen "Glauben"..."Ich weiß, dass ich nicht(s) weiß!

---



Und manche wissen noch nicht mal das...


Meine Motivation ging heute morgen winkend und lächelnd an mir vorbei
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#8

RE: Der atheistische Glaube

in Religion und Ethik 18.10.2020 11:32
von kuschelgorilla | 3.292 Beiträge

Zitat von Findus im Beitrag #6
Zitat von Atue im Beitrag #5


Der überzeugendste menschliche Lebensansatz ist für mich der Individualismus!


Ja, in jedem Fall. Selbst kannst du glauben was du möchtest und würdest dieses Recht jeder anderen Person ebenso zugestehen,


Den ersten Teilsatz stimmen wohl die allermeisten zu.
Beim zweiten Teilsatz hakts dann bei den allermeisten wohl aus. Anderen die gleichen Rechte zuzugestehen, wie man sie selbst für sich beansprucht kann nur so weit gelingen, soweit sie nicht mit meinen kollidieren...


Meine Motivation ging heute morgen winkend und lächelnd an mir vorbei
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#9

RE: Der atheistische Glaube

in Religion und Ethik 18.10.2020 18:43
von Atue (gelöscht)
avatar

Im Individualismus kann man vier Stufen unterscheiden:

1) Jeder macht was er will, soweit und solange man ihn gewähren lässt
2) Der Einzelne bringt in das Ganze ein, was ihn bewegt
3) Der Einzelne bezieht in den Gemeinschaftsprozess mit ein, was die anderen bewegt
4) Der Einzelne identifiziert sich mit dem Ganzen

Wenn man "Jeder" und "Der Einzelne" jeweils durch ICH ersetzt, werden die Stufen noch klarer.


Regelmäßig ist es schwer, wenn die Teilnehmer an einer Debatte oder an einem politischen Meinungsbildungsprozess sich nicht wenigstens auf Stufe 3) begeben - denn erst dort ist ein echter Dialog (mit seinen Merkmalen des Teilnehmens, des Mitteilens und der Sinnorientierung und den Haltungen des Wohlwollens, des Freimuts und der Sinnorientierung) überhaupt möglich.



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#10

RE: Der atheistische Glaube

in Religion und Ethik 18.10.2020 22:07
von Teddybär | 1.675 Beiträge

Sicher ist nur, dass unsere Welt, die durch einen totalitären Rationalismus definierte ist, ohne Glauben auseinander fallen muss. Dieser ganze gefährliche Klamauk eines Donald Trumps, zusammen mit diversen Verschwörungs-Theorien und -Theoretiker, wie die in des Präsidenten Fahrwasser schwimmenden Q-Anon Sektierer, ist nur durch einen Mangel an Glauben und durch das Entschwinden einer (irdischen oder jenseitigen) Heilserwartung möglich. Noch können die Sektierer das Loch, welches durch das Entschwinden einer (irdischen oder jenseitigen) Heilserwartung aufgetan ist, nicht füllen, aber sie werden dazu lernen und dann in einem religiösen (Pseudo-)Gewande in Erscheinung treten und dann wehe uns !!


Es gibt immer ein a🐻|Plüsch ist liebe|🐻🐻🐻 an die Macht|🐻🐻🐻 aller Wälder und Wiesen vereinigt euch!!|The First Reel Director in 🐻wood|

🐻 nutzt telegram.org als Messenger
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#11

RE: Der atheistische Glaube

in Religion und Ethik 18.10.2020 23:12
von SirPorthos | 3.127 Beiträge

Liebe Gemeinde,

der Titel dieses Strangs ist schon ein Widerspruch.

"Der atheistische Glaube".

Entweder man glaubt, oder man lässt es.

Tertium non datur.

Mir ist beides Recht. Es möge jeder nach seiner Facon selig werden.

Meine Wahl ist der Glaube an meinen Herrn Jesus Christus, der für mich das Licht der Welt ist.

Aber das muss jeder für sich selber entscheiden, denn ein Glaube darf nicht erzwungen werden.

Lieben Gruß aus dem alten Land !


Imperare sibi maximum bellum est


zuletzt bearbeitet 18.10.2020 23:13 | nach oben springen

#12

RE: Der atheistische Glaube

in Religion und Ethik 19.10.2020 07:45
von Anthea | 12.407 Beiträge

Lieber SrPorthos,

das, was du "Widerspruch" nennst, ist gewollt. Und bedingt ein "um die Ecke denken".
Du könntest genau so gut den Spruch: Ich weiß, dass ich nichts weiß als unsinnig erachten, da er Ausschluss meint,

Wenn dich jedoch die Formulierung stört, dann nimm einfach: "Die atheistische Einstellung". Denn "Glauben" ist nichts anderes als eine ganz persönliche, nicht beweisbare Denkungsweise eines jeden Einzelnen.

---

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Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi


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#13

RE: Der atheistische Glaube

in Religion und Ethik 19.10.2020 11:41
von Athineos | 551 Beiträge

Zitat von Anthea im Beitrag #12

Du könntest genau so gut den Spruch: Ich weiß, dass ich nichts weiß als unsinnig erachten, da er Ausschluss meint,



---

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Du könntest in erster Linie diese Aussage für unsinnig erachten, da sie so NIE überliefert wurde! Da ich annehme, die wengsten können ( noch ) Altgriechisch, hier die Übersetzung der entsprechenden Stelle ( Platon, Apologie 21d–22a ) nach Rudolf Rufener:

Beim Weggehen aber sagte ich zu mir: ‚Verglichen mit diesem Menschen bin ich doch weiser. Wahrscheinlich weiß ja keiner von uns beiden etwas Rechtes; aber dieser glaubt, etwas zu wissen, obwohl er es nicht weiß; ich dagegen weiß zwar auch nichts, glaube aber auch nicht, etwas zu wissen. Um diesen kleinen Unterschied bin ich also offenbar weiser, dass ich eben das, was ich nicht weiß, auch nicht zu wissen glaube.‘ Von da ging ich zu einem anderen, den man für noch weiser hält als jenen. Dort bekam ich genau denselben Eindruck und machte mich auch bei diesem und dann noch bei vielen anderen unbeliebt. Daraufhin fuhr ich nun der Reihe nach fort und merkte dabei mit Betrübnis und Erschrecken, dass ich mir immer mehr Feinde machte. Dennoch schien es mir nötig, dem Götterspruch größtes Gewicht beizulegen. Darum musste ich zu all denen gehen, die etwas zu wissen schienen, um zu sehen, was das Orakel meine.
Die zentrale Aussage ist also οὖτος μὲν οἴεταί τι εἰδέναι οὐκ εἰδώς, ἐγὼ δέ, ὥσπερ οὖν οὐκ οἶδα, οὐδὲ οἴομαι ..... aber dieser glaubt, etwas zu wissen, obwohl er es nicht weiß; ich dagegen weiß zwar auch nichts, glaube aber auch nicht, etwas zu wissen. Die geniale Gemeinheit des Sokrates liegt also in der sophistischen Umkehrung des Vergleichs, der in diesem Fall unmöglich und logisch nicht erlaubt ist!


Μολών λαβέ!


zuletzt bearbeitet 19.10.2020 11:42 | nach oben springen

#14

RE: Der atheistische Glaube

in Religion und Ethik 19.10.2020 11:45
von Athineos | 551 Beiträge

Zitat von SirPorthos im Beitrag #11


Entweder man glaubt, oder man lässt es.

Tertium non datur.

Mir ist beides Recht. Es möge jeder nach seiner Facon selig werden.

Meine Wahl ist der Glaube an meinen Herrn Jesus Christus, der für mich das Licht der Welt ist.

Aber das muss jeder für sich selber entscheiden, denn ein Glaube darf nicht erzwungen werden.




Gut gebrüllt, Löwe!
Dieser Aussage kann ich Satz für Satz zustimmen, da sie auch meine Maxime ist!
Danke!


Μολών λαβέ!
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#15

RE: Der atheistische Glaube

in Religion und Ethik 19.10.2020 12:19
von Anthea | 12.407 Beiträge

Zitat
Du könntest genau so gut den Spruch: Ich weiß, dass ich nichts weiß als unsinnig erachten, da er Ausschluss meint,



Zitat
Du könntest in erster Linie diese Aussage für unsinnig erachten, da sie so NIE überliefert wurde




Das ist nun einmal so bei weisen Sprüchen, die zu "geflügelten Worten" werden. Und wenn sich dann noch Übersetzungsfehler einschleichen, dann können diese natürlich keinen Anspruch auf Originale erheben.

Mir war beim Schreiben sehr wohl bewusst, dass es tatsächlich heißen muss: "Ich weiß, dass ich NICHT weiß. Aber der Spruch passte mit dem falschen "s" nun einmal aus meiner Sicht besser zum eigentlichen Thema "Gottwissen oder Gottglaube". "Nichts" ist immer deutlicher, wenn es um das Wissen bezüglich der Existenz Gottes geht, resp. die definitive Leugnung der Atheisten.
---:


Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi


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