#1

Alternative Ansätze zur Finanz- und Steuerpolitik

in Ökonomie 25.12.2019 23:06
von Atue (gelöscht)
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Ich habe hier mal ein neues Thema aufgemacht, weil ich das Thema nicht weiter unter "Die Grünen" diskutieren möchte - das ist da falsch.



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#2

RE: Alternative Ansätze zur Finanz- und Steuerpolitik

in Ökonomie 25.12.2019 23:51
von Atue (gelöscht)
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Findus hat mich angefragt, wie man Vermögenssteuer und Einkommensteuer anders gestalten sollte/könnte....

Tatsächlich habe ich mir über die Jahre hinweg bezogen auf die Thematik der Staatsfinanzen ein umfangreicheres Alternativszenario zu dem erarbeitet, was wir heute in Deutschland und den meisten Staaten sehen. Dabei habe ich mehrere Kerngedanken - aber definitiv kein durchgerechnetes Szenario, das würde meine derzeitigen Möglichkeiten wahrlich sprengen.

Eine Kernüberlegung ist, dass unser heutiges Finanzsystem viele Schwachpunkte haben, aber einer überragt alle anderen, und verhindert auch, dass wir beim Wirtschaften in Richtung einer nachhaltigen Wirtschaft gehen. Dieser Schwachpunkt ist meiner Ansicht nach die Vermögensakkumulation - also das Phänomen, dass Reiche immer reicher werden, während es in der Breite immer schwerer zu werden scheint, Vermögen aufzubauen.

Meiner Überzeugung nach hat diese Schwäche systemische Ursachen - wobei ich mit SYSTEM nicht so sehr Kommunismus, Demokratie, soziale Marktwirtschaft o.ä. meine, sondern mehr, dass die derzeitigen Regeln des Systems der Finanzwirtschaft so gestrickt sind, dass sie das Phänomen der Vermögensakkumulation stützen.

Dies liegt daran, dass es keine allgemeine Regel gibt, die Vermögen natürlich und nachhaltig begrenzt.


Die Ursache hierfür erkenne ich darin, dass man Vermögen als quasi "Das habe ich mir erarbeitet/verdient" begreift - und nicht als "Das gesteht mir die Allgemeinheit zu".

Tatsächlich aber kann man Vermögen auch so begreifen, dass man es nur dann haben kann, wenn es einem die anderen zugestehen. Das ist keineswegs selbstverständlich - in der Tierwelt gilt hier im Allgemeinen das Recht des Stärkeren - oder auch das Recht des Cleveren.....und auch bei uns Menschen war es über die Anfänge der Zivilisation so, dass man "Eigentum/Vermögen" dann sein Eigen nennen konnte, wenn es keinen anderen gab, der darauf Anspruch erheben konnte.

Mit zunehmender Komplexität der Gesellschaften wurde der Begriff des Eigentums (Vermögens) weiter entwickelt, und die jeweiligen Gesellschaften haben definiert, wer welches Eigentum haben darf, und unter welchen Rahmenbedingungen das die Gesellschaft auch dem Einzelnen zugesteht.
DASS eine Gesellschaft dem Einzelnen Eigentum und Vermögen zugestehen sollte, ist heute weltweit eher Konsens. Systeme, in denen Eigentum nur noch vergesellschaftet akzeptiert waren, haben sich nicht bewährt - scheinen an der menschlichen Natur vorbei zu gehen.

Lange Zeit nicht im Blick war die Fragestellung, ob es Grenzen des Eigentums/Vermögens gibt. Natürliche Grenzen waren beständig Revolutionen, die beispielsweise ausbrachen, wenn sich kleine Eliten vom Kuchen sehr viel genommen haben, während der breite Rest nicht oder nur Krümel abbekam.

Vieles ist heute vernünftiger geregelt - insbesondere soziale Regeln helfen, dass Gesellschaften nicht zu weit auseinanderdriften - und nicht zu viel Armut entsteht.

Trotzdem - systemisch bedingt führt unser heutiges Finanz- und Wirtschaftssystem dazu, dass sich Vermögen akkumulieren - wenn nicht konsequent dagegen gearbeitet wird. Dies geschieht heute nicht konsequent, sondern allenfalls punktuell.

Die systemische Lücke schließen kann man mit der Betrachtung, dass Vermögen begrenzt sein sollte!

Jetzt also konkreter:
Man kann die systemische Lücke schließen, wenn man konsequent eine Staatsfinanzierung anstrebt, die sich an der Vermögenssituation orientiert. Das bedeutet, wer 1% des Vermögens eines Staates als sein Eigentum betrachten kann, der sollte auch 1% der Staatsausgaben finanzieren.

ICH betrachte diesen Ansatz auch als FAIR.

Meiner Auffassung nach ist ein Staatsfinanzierungssystem fair, wenn es die Finanzierungslasten entsprechend dem Vermögen organisiert.


Allerdings ist das ein allgemeiner Anspruch, der im Detail dann doch viele Probleme macht - weshalb sich eine Staatsfinanzierung ausschließlich über eine Vermögenssteuer doch als recht problematisch erweist. Trotzdem ist es hilfreich, mal Modelle durchzudenken, was passieren würde, wenn man auf alle sonstigen Steuern und Abgaben des Staates verzichten würde, und tatsächlich die Staatsfinanzierung auf ein Vermögenssteuermodell umgestellt würde.

Eine wichtige Fragestellung ist dabei, bewertet man nur das Privatvermögen, oder zieht man auch Unternehmen zur Staatsfinanzierung mit heran - und nimmt dann deren nationales Unternehmensvermögen als Grundlage.

Beide Wege sind möglich und durchaus auch sinnvoll - ich entscheide mich regelmäßig für den Weg, dass ich Unternehmen keine Aufgaben zur Staatsfinanzierung zumute, weil diese in jedem Fall die entsprechenden Zahlungen nicht selbst tragen - weil sie sie nicht tragen können. Sie würden Steuern und Abgaben (wie heute auch) nur auf die Preise ihrer Produkte umlegen können, und damit auch wieder auf Endverbraucher weiterbelasten.

Insofern bevorzuge ich es, vor allem die Privatvermögen als Grundlage einer vernünftigen Staatsfinanzierung heranzuziehen - und nicht die Firmenvermögen.

Für Deutschland wäre die theoretische Kennzahl bei ca. 8,9% an Vermögensbesteuerung, die man nehmen müsste, damit man die Staatsfinanzen heute über eine alleinige Vermögenssteuer erwirtschaften könnte.

Allerdings muss man dabei fragen, was genau als Vermögen gilt.....auch trivialvermögen? Oder auch: Welcher Wert wird einem Objekt zugeordnet, welches gar nicht zum Verkauf ansteht? Also beispielsweise das Haus in München - bekommt es den Wert zugeordnet, den es bei der Erstellung hatte? Oder den spekulativen Wert, den es erzielen könnte, wenn man er verkauft?

Ähnliches bei Aktien - wie werden diese beim Vermögen bewertet? Mit dem spekulativen Wert der Börse, oder mit dem realen Wert, den das Unternehmen aufgrund seines Wertes repräsentiert?

Es ist nicht so ganz leicht, hier gute Antworten zu geben - wer hier mal nach rechts, mal nach links abbiegt, bringt Hebel in Bewegung, die nicht zu verachten sind.....

Trotzdem - der generelle Ansatz, dass man die Staatsfinanzierung fair entsprechend dem Vermögen organisieren sollte, verliert deshalb ja nicht an Richtigkeit!


Machen wir den anderen Versuch, und schauen uns mal an, wie fair unser Steuer- und Sozialsystem ist, wenn man den Maßstab des Vermögens anlegt. Tatsächlich gibt es erstaunlicherweise dazu eine OECD-Statistik, die genau dieses auswertet. OBWOHL wir heute keine Vermögenssteuer haben, ergibt sich nach OECD-Statistik, dass unser Staatsfinanzierungssystem weitgehend fair nach diesem Kriterium funktioniert. Klar gibt es im Detail und bei Einzelnen Abweichungen und Ungerechtigkeiten - aber im großen und ganzen ist die Staatsfinanzierung nicht nur in Deutschland, sondern in vielen westlichen Ländern erstaunlich nah dran an dem von mir formulierten Ideal!

Ausreißer findet man regelmäßig vor allem bei den reichsten 1-5% der Staaten! In Deutschland vor allem beim reichsten 1%.

DIE tragen deutlich unterproportional zur Staatsfinanzierung bei, was in der Folge dazu führt, dass die anderen deren fehlende Finanzierungssolidarität mittragen müssen.

Wie könnte man das korrigieren?
Dazu gibt es viele Möglichkeiten - eine wäre, die Erbschaftssteuer anders zu organisieren, und große Erbschaften deutlich stärker zu besteuern.
Eine andere Variante wäre, eine moderate Vermögenssteuer von 1-2% einzuführen - für Vermögen oberhalb von 10 Millionen Euro.

Es gibt aber viele weitere Varianten - beispielsweise auch die, dass man die Beitragsbemessungsgrenze für die Sozialversicherungssysteme abschafft.......wobei das nach derzeitiger Rechtslage nicht unproblematisch wäre, weil es hier entsprechende höchstrichtlerliche Entscheidungen gibt, die hierbei Grenzen vorgeben! Zumindest mal für die Krankenversicherung.....(vergleichbares kann man aus dem entsprechenden Urteil für die Pflegeversicherung annehmen!)

Also - ihr seht - ich habe eine ungefähre Vorstellung, was man ändern muss - aber wenn es sehr konkret wird, dann sehe ich auch viel Gestaltungsspielraum! Und - schon bei meiner Grundannahme kann man anderer Meinung sein.....



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#3

RE: Alternative Ansätze zur Finanz- und Steuerpolitik

in Ökonomie 26.12.2019 11:01
von Findus | 2.520 Beiträge

Vielen Dank für deinen Beitrag Atue.
Ich muss vor einer Antwort erstmal über die Inhalte nachdenken.


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