#1

Dinge beim Namen nennen

in Diverse Nachrichten 07.04.2018 10:02
von Anthea | 12.414 Beiträge

Ist eigentlich doch nicht verkehrt? Aber manche vertragen keinen Klartext. In dem Falle hat Jens Spahn über Orte im Ruhrgebiet gesprochen (Essen, Duisburg). Und bemängelt, dass dort in den „Arbeitervierteln“ eine Art von Rechtlosigkeit sich in den vergangenen Jahren Raum verschafft hat. Denn die Polizei hätte manche Gebiete eher gemieden, als dort für Ordnung zu sorgen.

Genau das trifft meine Erinnerung, wenn ich an eine Doku denke, wo prekäre, verdreckte Viertel gezeigt wurden im maroden Ruhrgebiet und Anwohner zu Wort kamen. Genau so wie in Teilen von Berlin hieß es, dass sich Polizisten gar nicht mehr in gewisse Gebiete wagen würden...

Der Stein des Anstoßes war das Wort „Arbeiterviertel“, das vom OB Link kritisiert wurde. Das sei eine Geringschätzung hart arbeitender Menschen“. Was für ein Unfug. Und wenn man von „Millionärsvierteln“ oder so schreibt, dann ist das dem Neid geschuldet? Oder was?

Hätte ihm "verdreckte Asi-Viertel" besser gefallen?

Leider ist es ja so, dass das einstmals blühende Ruhrgebiet vergessen wurde. Denn das Wichtigste war ja der Aufbau der neuen Bundesländer. Dahinein wurden die Gelder gesteckt. Das ist Fakt.

https://www.express.de/news/politik-und-...edchen-29018792

---


Um das Herz und den Verstand eines anderen Menschen zu verstehen, schaue nicht darauf, was er erreicht hat, sondern wonach er sich sehnt. (Khalil Gibran)
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#2

RE: Arbeiterviertel

in Diverse Nachrichten 07.04.2018 10:50
von Jackdaw | 454 Beiträge

Zitat von Anthea im Beitrag #1
[…] Der Stein des Anstoßes war das Wort „Arbeiterviertel“, das vom OB Link kritisiert wurde. Das sei eine Geringschätzung hart arbeitender Menschen“. […]
In der Zeit, in der die Städte des Ruhrgebietes von der Schwer- bzw. Montanindustrie dominiert und geprägt wurden, waren die Arbeiterviertel in der Tat die Wohngebiete der Unternehmensbelegschaften… mit der Deindustrialisierung, dem sog. Strukturwandel, sind die einstigen Arbeiterviertel zu Problemvierteln geworden - mit entsprechend hoher Arbeitslosigkeit, Hoffnungslosigkeit und Kriminalität. Wenn ein Jens Spahn nunmehr den historisch korrekten Terminus "Arbeiterviertel" benutzt, um AfD-like den hohen Bevölkerungsanteil von Ausländern und "Parallelgesellschaften" hervorzuheben, dann besteht der Skandal doch eher darin, dass in den Städten die Möglichkeit, über reguläre Arbeit seine individuelle Existenz aufzubauen und zu sichern, einer stark geschrumpften und weiter schrumpfenden Anzahl der Einwohner offen steht.
Zitat von Anthea im Beitrag #1
[…] Leider ist es ja so, dass das einstmals blühende Ruhrgebiet vergessen wurde. Denn das Wichtigste war ja der Aufbau der neuen Bundesländer. Dahinein wurden die Gelder gesteckt. Das ist Fakt. […]
Es stimmt, dass mit der Wiedervereinigung und dem Solidaritätszuschlag viel Geld in die neuen Bundesländer geflossen ist; dem dennoch unveränderten Unterschied der Einkommen, Beschäftigungsquote und Lebensuzfriedenheit scheint dies jedoch nicht entgegengewirkt zu haben. Die Ironie der Geschichte ist, dass einige der einstigen Industriereviere Westdeutschlands kaum zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung mittlerweile so aussehen, wie Ostdeutschland vor der Grenzöffnung.


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#3

RE: Dinge beim Namen nennen

in Diverse Nachrichten 07.04.2018 12:25
von Findus (gelöscht)
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Zitat von Anthea im Beitrag #1
Der Stein des Anstoßes war das Wort „Arbeiterviertel“, das vom OB Link kritisiert wurde. Das sei eine Geringschätzung hart arbeitender Menschen“. Was für ein Unfug. Und wenn man von „Millionärsvierteln“ oder so schreibt, dann ist das dem Neid geschuldet? Oder was?


Und wo bitte hat der Oberbürgermeister Recht? Es ist doch gut, wenn ein Bürgermeister nicht nur sensibel ist für den Umgang mit Sprache sondern sich dafür einsetzt, dass seine Bürger nicht von einem ahnungslosen Minister stigmatisiert werden.
Stadtteile intakt zu halten ist nicht allein eine Frage von Polizeipräsenz, sondern primär auch die Frage eines gut gemachten Quartiersmanagements.


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#4

RE: Dinge beim Namen nennen

in Diverse Nachrichten 07.04.2018 12:30
von Anthea | 12.414 Beiträge

Zitat von Findus im Beitrag #3
Zitat von Anthea im Beitrag #1
Der Stein des Anstoßes war das Wort „Arbeiterviertel“, das vom OB Link kritisiert wurde. Das sei eine Geringschätzung hart arbeitender Menschen“. Was für ein Unfug. Und wenn man von „Millionärsvierteln“ oder so schreibt, dann ist das dem Neid geschuldet? Oder was?


Und wo bitte hat der Oberbürgermeister Recht? Es ist doch gut, wenn ein Bürgermeister nicht nur sensibel ist für den Umgang mit Sprache sondern sich dafür einsetzt, dass seine Bürger nicht von einem ahnungslosen Minister stigmatisiert werden.
Stadtteile intakt zu halten ist nicht allein eine Frage von Polizeipräsenz, sondern primär auch die Frage eines gut gemachten Quartiersmanagements.


Eben, der OB hat nun einmal nicht Recht! Die Stelle sehe ich- wie offensichtlich du auch nicht - nämlich auch nicht.
Worin siehst du ein Stigma, wenn ein Arbeiter so genannt wird? Grubenarbeiter, Kanalbauarbeiter etc. Ganz gängige Bezeichnungen.
Die Stadtteile sind nun einmal nicht intakt gehalten worden, sondern man ließ sie verkommen.

---


Um das Herz und den Verstand eines anderen Menschen zu verstehen, schaue nicht darauf, was er erreicht hat, sondern wonach er sich sehnt. (Khalil Gibran)


zuletzt bearbeitet 07.04.2018 12:31 | nach oben springen

#5

RE: Dinge beim Namen nennen

in Diverse Nachrichten 07.04.2018 12:37
von Findus (gelöscht)
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Mir ist im Grundbeitrag ein "nicht" beim tippen abhanden gekommen - sorry für die Verwirrung.

Aber so argumentiert ist mir deine Meinung gut nachvollziehbar. Mir ging es eher darum, dass aus dem Kontext, wie Spahn den Begriff "Arbeiterviertel" verwendet, mir doch deutlich seine Geringschätzung deutlich zu werden scheint.

Die Situation in den Stadtteilen ist für mich ein Beleg, dass Kommunalpolitik viel wichtiger als bisher genommen werden müsste. Es gibt eben viele Dinge vor Ort, die Bund und Land eben nicht sinnvoll gestalten werden können, sondern die das Engagement von Politik und Bürgern vor Ort benötigt.
Geld ist zwar kein Allheilmittel, aber ein Stück ist die finanzielle Lage der Kommunen auch ein Faktor, der Gestaltungsspielräume einschränkt. Wenn man bedenkt, für wie viele Aufgaben die Kosten von Bund und Ländern an die Kommunen weitergereicht werden...


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#6

RE: Dinge beim Namen nennen

in Diverse Nachrichten 07.04.2018 12:46
von Anthea | 12.414 Beiträge

Zitat von Findus im Beitrag #5
Mir ist im Grundbeitrag ein "nicht" beim tippen abhanden gekommen - sorry für die Verwirrung.

Aber so argumentiert ist mir deine Meinung gut nachvollziehbar. Mir ging es eher darum, dass aus dem Kontext, wie Spahn den Begriff "Arbeiterviertel" verwendet, mir doch deutlich seine Geringschätzung deutlich zu werden scheint.

Die Situation in den Stadtteilen ist für mich ein Beleg, dass Kommunalpolitik viel wichtiger als bisher genommen werden müsste. Es gibt eben viele Dinge vor Ort, die Bund und Land eben nicht sinnvoll gestalten werden können, sondern die das Engagement von Politik und Bürgern vor Ort benötigt.
Geld ist zwar kein Allheilmittel, aber ein Stück ist die finanzielle Lage der Kommunen auch ein Faktor, der Gestaltungsspielräume einschränkt. Wenn man bedenkt, für wie viele Aufgaben die Kosten von Bund und Ländern an die Kommunen weitergereicht werden...



Klär mich bitte auf, woraus du explizit bei der Verwendung des Begriffes "Arbeiterviertel" eine Geringschätzung ersiehst? WIE hat er das gesagt? Mit heruntergezogenen Mundwinkeln, um eine Verächtlichmachung deutlich zu machen? Ich würde es auch so verwenden und schätze sicherlich arbeitende Bevölkerung nicht gering ein. Aber bei der Kritik an Spahn geht es mMn um Antipathie ihm gegenüber. Und außerdem darf/dürfte der OB ein schlechtes Gewissen haben, dass es in seinem Bereich Kritik an Zuständen geben kann.
---


Um das Herz und den Verstand eines anderen Menschen zu verstehen, schaue nicht darauf, was er erreicht hat, sondern wonach er sich sehnt. (Khalil Gibran)
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#7

RE: Dinge beim Namen nennen

in Diverse Nachrichten 07.04.2018 13:04
von Findus (gelöscht)
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Zitat von Anthea im Beitrag #6
Klär mich bitte auf, woraus du explizit bei der Verwendung des Begriffes "Arbeiterviertel" eine Geringschätzung ersiehst? WIE hat er das gesagt? Mit heruntergezogenen Mundwinkeln, um eine Verächtlichmachung deutlich zu machen? Ich würde es auch so verwenden und schätze sicherlich arbeitende Bevölkerung nicht gering ein. Aber bei der Kritik an Spahn geht es mMn um Antipathie ihm gegenüber. Und außerdem darf/dürfte der OB ein schlechtes Gewissen haben, dass es in seinem Bereich Kritik an Zuständen geben kann.


Es geht nicht um dem allgemeinen Begriff des "Arbeiterviertels". Der ist sachlich verwendet, eine rein stadtplanerische Kategorie.

Aber zu Spahn. Wie etwas gesagt wird, ist keine Frage allein von Gestik oder Mimik, die mit einem Zeitungsartikel in der Regel auch gar nicht als Information transportiert werden. Zum einen ist da Watzlawicks Sender-Empfänger Modell - vereinfacht: wie eine Nachricht ankommt, entscheidet verkürzt der Empfänger. Bei ca.82 Mio. Menschen im Land kann dies ein sogar höchst unterschiedlicher Eindruck von Spahns Rede sein.


In deiner Quelle wird der besagte Satz von Spahn zitiert: „Schauen Sie sich doch Arbeiterviertel in Essen, Duisburg oder Berlin an. Da entsteht der Eindruck, dass der Staat gar nicht mehr willens oder in der Lage sei, Recht durchzusetzen.“

Es fällt zuerst auf, dass Spahn nicht über Arbeiterviertel im allgemeinen redet, sondern über Viertel in Essen und Duisburg. Ein Stadtoberhaupt muss da schon hellhörig werden.
Als zweites fällt auf, dass Spahn zu dem negativen Fazit bekommt, dass in den entsprechenden Vierteln ein großes - nicht genauer bezeichnetes - Problem besteht. Das liest ja auch du aus dem Artikel heraus.
Als drittes fällt auf, dass Spahn eben genau den Begriff des "Arbeiterviertels" gewählt hat. Es gibt stadtplanerisch oder soziologisch auch andere Begriffe, die zur Verfügung stehen eine entsprechende Sozialstruktur zu beschreiben.


Es ist natürlich nur ein Eindruck. Aber sage mal, liegt es bei diesen Grundannahmen nicht nahe Spahn so zu lesen, als wenn er das "Arbeiterviertel" im Sinne eines negativen, konservativen Reizwortes versteht?

Und genau dass kann ein Oberbürgermeister der betreffenden Städe als Stadtoberhaupt dann so auch nicht stehen lassen.



zuletzt bearbeitet 07.04.2018 13:27 | nach oben springen

#8

RE: Dinge beim Namen nennen

in Diverse Nachrichten 10.04.2018 00:14
von Meridian | 2.863 Beiträge

Hier eine sehr differenzierte Antwort auf Spahns Äußerungen von Sigmar Gabriel.

https://www.tagesspiegel.de/politik/erwi...t/21153002.html

Ein schöner und längst überfälliger Kommentar! Doch warum kommt er erst von Politikern, wenn sie nicht mehr in hohen Ämtern sind? Gabriel hatte verschiedene Ministerien und war lange Zeit SPD-Chef. Entweder war er nur feige, oder es ist vielmehr traurige Realität, dass man als Politiker solche Äußerungen erst dann machen kann, wenn man keine Posten mehr zu verlieren hat. Wenn dem so ist, dann zeigt das nur, wie heruntergekommen die Politik (und insbesondere die SPD) ist. Jetzt wo Gabriel nur noch Bundestagsabgeordneter ist, äußert er sich freier, den zu verlieren hat er ja nichts mehr. Und vor der SPD-Führung kann er nach dem Motto "Ist mein Ruf erst ruiniert..." agieren. Schlimmstenfalls würde Nahles darauf hinarbeiten, ihn aus der SPD zu werfen.


Die äußere Welt ist der Spiegel deines Inneren.
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#9

RE: Dinge beim Namen nennen

in Diverse Nachrichten 10.04.2018 09:28
von Anthea | 12.414 Beiträge

Sehr gute Analyse. Gabriel ist ein kluger Kopf - auch Querkopf. Sicherlich nicht einfach zu "handlen", und das können so manche gar nicht "verknusern". Und dann greifen irgendwelche "Würstchen" aus dem Hinterhalt an.
Auch in gewissem Sinne bei der "Causa Gabriel".

---


Um das Herz und den Verstand eines anderen Menschen zu verstehen, schaue nicht darauf, was er erreicht hat, sondern wonach er sich sehnt. (Khalil Gibran)
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#10

RE: Dinge beim Namen nennen

in Diverse Nachrichten 10.04.2018 11:53
von Till (gelöscht)
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Gabriel ist zweifelsohne ein kluger Kopf. Leider hat er seine Klugheit nicht immer zielführend eingesetzt. Von dem, was er in dem Beitrag schreibt, habe ich in seinen 8 Jahren SPD-Vorsitz so gut wie nichts gehört.


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#11

RE: Dinge beim Namen nennen

in Diverse Nachrichten 10.04.2018 11:58
von Anthea | 12.414 Beiträge

Zitat von Till im Beitrag #10
Gabriel ist zweifelsohne ein kluger Kopf. Leider hat er seine Klugheit nicht immer zielführend eingesetzt. Von dem, was er in dem Beitrag schreibt, habe ich in seinen 8 Jahren SPD-Vorsitz so gut wie nichts gehört.


Das stimmt so leider. Ist aber das alte Lied von "wes' Brot ich ess', des' Lied ich sing. Anders: Karrieredenken vor Wahrheit. Er war immer so etwas wie eine graue Eminenz auf Beobachtungsposten.

---


Um das Herz und den Verstand eines anderen Menschen zu verstehen, schaue nicht darauf, was er erreicht hat, sondern wonach er sich sehnt. (Khalil Gibran)
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#12

RE: Dinge beim Namen nennen

in Diverse Nachrichten 10.04.2018 12:29
von Till (gelöscht)
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SPD-Vorsitz ist nicht wirklich die oberste Sprosse der Karriereleiter. Zumindest hat Gabriel die Aufgaben des SPD-Vorsitzenden gründlich missverstanden. Und "wes' Brot ich ess', des' Lied ich sing"? Gabriel ist selbst Seeheimer.


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