#1

Sind Demonstrationen eigentlich nützlich?

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 14.03.2022 14:45
von Anthea | 12.406 Beiträge

Es gibt nichts, wo nicht irgendwer meint, auf die Straße gehen zu müssen. Entweder mit eigener Schrei- oder Kreischstimme, mit gebastelten Transparenten, auf denen in mehr oder weniger die Richtlinien korrekter deutscher Sprache beachtend entsprechende Unmutskundgebungen sichtbar werden. Aber was bringen diese Straßenaufläufe?
Na ja, Beachtung, "man" wird gesehen. Ein jeder Teilnehmer sein eigener Held, ein Kämpfer, für was auch immer.
Was ficht Leute an im Verbund mit anderen grölend durch die Straßen zu ziehen?
Ich habe noch nie etwas von Straßenkundgebungen gehalten.
Möglichst lauert an irgendeinem Punkt noch ein Redner und schmettert was ins Mikro. Und wenn dann noch ein Künstler eine Gesangeseinlage gibt, dann ist der Volksfestcharakter schon irgendwie getroffen.

Ernsthaft: Was bringen solche "Veranstaltungen"? Von Pegida bis Querdenker, Impfgegner, "Grünlingen" und "Bräunlingen", und, und, und...

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Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi


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#2

RE: Sind Demonstrationen eigentlich nützlich?

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 14.03.2022 18:24
von moorhuhn | 1.486 Beiträge

Zitat von Anthea im Beitrag #1
Ein jeder Teilnehmer sein eigener Held, ein Kämpfer, für was auch immer.


Ich denke, es ist eher der Gruppeneffekt, der jedem Einzelnen hilft, sein Ego aufzupolieren bzw. sich "zugehörig" zu fühlen.
Ganz rational gesehen, sind Demonstrationen in einer Demokratie eher zahnlose Tiger, weil der zur Schau gestellte "Volkswille" die Empfänger zwar aufmerksam macht, sie aber nicht zu schnellen Entscheidungen zwingt. (Ausnahmen sind Demos, die mit Streik einhergehen)
Demos in Deutschland sind aus meiner Sicht "Jammern auf hohem Niveau", bzw. Beruhigung des eigenen schlechten Gewissens, weil es denen, für die man demonstriert, augenblicklich schlechter geht. So gesehen am WOE in Leipzig, als Tausende auf dem Augustusplatz gegen Putin aufmarschierten, was den Null interessiert und außer einem Verkehrschaos nichts gebracht hat. Ich weiß, ich bin pöhse.

Anders ist es vielleicht, wenn Demonstrationen von der Gefahr begleitet sind, dass die Empfänger mit Repressalien drohen und sie Ausdruck "echter Not" sind. Da trennt sich dann auch oft die Spreu vom Weizen und man trifft in der Mehrheit jene an, die ein wirkliches Interesse an Veränderung und weniger den Volksfestcharakter im Fokus haben.

Meine DDR- Sozialisation hat mir zu Demonstrationen oder Kundgebungen ein gespaltenes Verhältnis eingebracht, weil damals immer nur für bereits bestehende Zustände beifallsheischende Zustimmung eingefordert wurde. Ich mag diese Aufläufe bis heute nicht.


Der frühe Vogel kann mich mal !


Anthea hat sich bedankt!
zuletzt bearbeitet 14.03.2022 18:25 | nach oben springen

#3

RE: Sind Demonstrationen eigentlich nützlich?

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 14.03.2022 18:37
von Anthea | 12.406 Beiträge

Genau so sehe ich das auch!

Wenn ich schon so Wichtigtuer höre, so sie über ihr Event berichten. Tenor: WIR haben...
Da ist des Volkes wahrer Himmel... In der Menge...

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Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi


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#4

RE: Sind Demonstrationen eigentlich nützlich?

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 14.03.2022 21:35
von Dr. Yes | 1.341 Beiträge

Es ist schwer zu sagen, ob Demos etwas bewirken oder nicht. Diese hier wohl eher nicht (die Meldung hätte glatt aus dem Postillon stammen können).

Man darf vor allem nicht auf kurzfristige Auswirkungen schauen; die gibt es selten. Aber die 68er-Demos haben Deutschland durchaus verändert. Speziell die Demos im Frankfurter Westend in der Zeit (mit dem prominenten Teilnehmer Joschka Fischer) hatten tatsächlich zur Folge, dass man sich mehr Gedanken über Architektur und Stadtbild machte und die Zerstörung der schönen Gründerzeit-Villen stoppte.


Sita usvi late in ista per canes
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#5

RE: Sind Demonstrationen eigentlich nützlich?

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 14.03.2022 23:01
von Atue (gelöscht)
avatar

Selbstverständlich ändern Demos was! Man darf sie nur nicht über- oder unterbewerten.

Der psychologische Wirkmechanismus der dabei angesprochen wird, ist die "pluralistische Ignoranz".

Was versteht man darunter:
Pluralistische Ignoranz. Tendenz, sich am Verhalten anderer Personen zu orientieren, um v.a. uneindeutige Situationen besser einschätzen zu können

Lehrbuch der Psychologie


So ist beispielsweise bekannt: Wenn ein Mensch in eine Notsituation kommt, aber keiner der dabeistehenden reagiert, kann die Situation aus dem Ruder laufen. Regiert aber der Erste, springen regelmäßig weitere bei und die Notsituation kann sich auflösen.

Bei Demos ist es eine ähnliche Situation. Solange beispielsweise die Querdenker alleine demonstriert haben, wurden sie immer mehr. Sie haben sich bestätigt gefühlt, denn sie erlebten subjektiv ja nur Zustimmung. Erst mit Gegendemonstrationen hat sich die Situation verändert - an einigen Orten wurden die Gegendemos deutlich umfangreicher als die Demos - die schließlich versiegt sind.

Auch in Russland ist das Phänomen derzeit zu beobachten. Putin will um jeden Preis verhindern, dass eine öffentlich wahrnehmbare Opposition entsteht. Deshalb wird mit allen Mitteln verhindert, dass es zu Demonstrationen kommt. Umgekehrt ist es mit der kleinen aber vorhandenen Zahl an Menschen, die selbst dort bereit sind, in die offene Opposition zu gehen. Sie schöpfen ihre Kraft auch durch die internationalen Proteste - dadurch haben sie das Gefühl, nicht allein zu sein.

Auch Gretas Verhalten ist ein Beispiel dafür, was Demos verändern können. Auch vor Greta hatten vernünftige Menschen das Gefühl, dass es langsam aber sicher an der Zeit wäre, sich mal dem Thema Klimawandel ernsthaft zu widmen. Mit Greta ist aber eine Solidarbewegung entstanden, die Millionen Menschen weltweit dazu gebracht hat, ihrem Unbehagen über die mangelhaften Handlungsweisen der Politik mittels Demos zum Ausdruck zu bringen. Konkret hat das Einfluss gehabt auf die Parteien, die mehr Klimapolitik in ihre Programme haben einfließen lassen, um nicht abgewählt zu werden.

Demos sind kein Allheilmittel, und man darf sie nicht über- oder unterbewerten - sie können aber zur Meinungsbildung beitragen, und sind deshalb ein wichtiges Instrument einer jeden Demokratie.



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#6

RE: Sind Demonstrationen eigentlich nützlich?

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 15.03.2022 10:03
von Anthea | 12.406 Beiträge

Zitat von Atue im Beitrag #5
sie können aber zur Meinungsbildung beitragen, und sind deshalb ein wichtiges Instrument einer jeden Demokratie.

Demos können aber auch eigenmeinungsverstärkend wirken. Ein in einer Tendenz "Vorgebildeter" wird, wenn er zwei Demonstrationen der Art für und gegen sieht, die seine Meinung unterstützende wählen.
Auch ist die Tendenz hin zur Mehrheit einer Auffassung. Nach dem Motto: So viele können nicht irren.
Doch können sie.
Und die wahren Kämpfer, die Richtiges sagten, wurden oft bekämpft. Teufelswerk, wie es hieß.
Und sie bewegt sich doch...

Wenn jemand etwas lernen will, sich (weiter)bilden, dann gibt es viele Möglichkeiten. Und bedarf nicht unbedingt der "Marktschreier" auf den Straßen Manchmal oder sogar meistens ist nun einmal weniger eben mehr! Eine einzige gezielte Protestaktion bleibt mehr und besser und nachhaltiger wirkend in den Köpfen der Menschen als ein Pulk von "Spaziergängern" oder anderes. Wie beispielsweise heute eine Mitarbeiterin im russischen Staatsfernsehen, die ein Plakat gegen den Krieg als Protest hochhielt.

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Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi


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#7

RE: Sind Demonstrationen eigentlich nützlich?

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 15.03.2022 23:09
von Atue (gelöscht)
avatar

Völlig korrekt. Die "eigenmeinungsverstärkung" ist eine Ausprägung der pluralistischen Ignoranz.

Ich bestreite in keiner Weise, dass es ausreichend Demonstrationen gibt, die kaum nützlich oder sinnvoll sind.
Mir geht es vor allem darum, dass Demonstrationen ein wichtiges Instrument sein KÖNNEN um Meinungsfreiheit überhaupt zu ermöglichen. Allein schon deshalb halte ich Demonstrationen im Allgemeinen für nützlich - im speziellen muss jeder Einzelfall individuell betrachtet werden.

Demonstrationen sind eben auch nicht nur die Aktionen, bei denen hundertschaften sich zusammenrotten, sondern oft genug auch die kleinen aber feinen Aktionen von Einzelnen - wie die heldenhafte Tat der russischen Reporterin.

Vor ihr ziehe ich meinen virtuellen Hut!



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