#181

RE: Online Petition zum bGE

in Ökonomie 26.04.2020 22:57
von Atue (gelöscht)
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#182

Erfordernisse

in Ökonomie 02.05.2020 11:38
von Anthea | 12.405 Beiträge

Ein paar Gedanken:


„Ich lasse mir den Schneid nicht abkaufen“ war ein Spruch von Guido Westerwelle. Er war ein Mann der polarisierte. „Die Freiheitsstatue“ schlechthin. Man möchte ihn oder lehnte ihn ab. Das Schicksal vieler Menschen, die auf ihren Ideen beharren und zäh und verbissen Wege zu ebnen versuchen. Unter der Überschrift: Alle sollen besser leben versuchen sich viele an Modellen eines Bürgergeldes oder – auch genannt – bGE = bedingungsloses Grundeinkommen.

Nun gibt es natürlich durchaus aus moralischer und ethischer Sicht heraus die Erkenntnis, dass manches ein „trauriger Mut“ ist, wo es durchaus erforderlich ist, jemanden den „Schneid“ abzukaufen - ihm Einhalt zu gebieten. Dem ausufernden Kapitalismus zum Beispiel, der unzählige Leichen am Wegesrand zurücklässt. Opfer der Gier anderer.

Eine Politik, die eine Klientel des Sprichwortes bedient: „Vor Geld fallen Baals Brüder wie vor dem Kalbe nieder“, ist keine gerechte Politik! Denn sie lässt Menschen im Lande „draußen vor der Tür“.

Aber alle haben einen Anspruch auf vernünftige Lebensumstände, in denen sie „Mensch sein können“ – aufatmen wie Faust bei seinem Osterspaziergang. Und um hier im übertragenen Sinne zu reden: Wir müssen „vom Eise befreien“, womit das Eis die Verhärtung der Herzen ist, wir müssen uns nicht in uns und unseren Eigennutz verkriechen. Wir müssen hinausgehen und wieder den „anderen“ sehen.

„Man sieht nur die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht.“ Eine traurige Wahrheit, die Brecht in seiner Dreigroschenoper verkündet.

Diese Menschen müssen beachtet werden. Es muss ihnen geholfen werden. Man muss diesen durch Hartz IV stigmatisierten Menschen wieder ihre Würde zurückgeben, sie spüren lassen, dass sie wichtig sind für unsere Gesellschaft, die zum Beispiel jetzt in dieser außergewöhnlichen Krisensituation wieder viele helfende Hände braucht! Und auch nachher, damit unser Land wieder ein blühendes Land wird, ein gerechtes Land. Ein Deutschland, eine Heimat für alle ihre Bürger.

Im Bereich Bildung ist einiges zu tun. Vor allen Dingen muss sie mehr allen zugänglich sein. Eine gute Bildungsqualität ist nicht, dass an einer Institution eine Schulspeisung erfolgt. Beispielsweise wäre im Bildungsbereich eine Art von Qualitätsmanagement vorstellbar – ein quasi Wettbewerb unter Lehranstalten, wo dann der Erfolg abhängig ist von der „Qualität“ der Lehrer und Ausbilder. Nicht nur eine Benotung für Schüler. Ich bin mir nicht sicher, ob es das offen nachvollziehbar bereits gibt?

Desweiteren ist eine größere Transparenz im Gesundheitswesen vonnöten. Nicht „der gläserne Patient“ sondern die „gläsernen“ Krankenhäuser, Mediziner, Versuchsreihen, Pharmakonzerne etc.

Bekämpfung der „Altersarmut“ ist ein wichtiges Thema. Hier ist u.a. eine Möglichkeit, durch weitgehende Entlastung der Arbeitgeber von Sozialabgaben eine Bereitschaft zur Einrichtung neuer Arbeitsplätze zu erreichen. Kein Abbau sondern Aufbau.

Albert Einstein sagte:
<<Das Geld zieht nur den Eigennutz an und verführt stets unwiderstehlich zum Missbrauch<<.

Und da sich teilweise Politik und Wirtschaft offensichtlich der Aufgabe verschrieben haben, dafür Sorge zu tragen, dass große Teile der Bevölkerung niemals in diese Gefahr geraten, lässt diese Art einer Klientelpolitik wohl kaum zu einer humanistisch beeinflussten Denkungsweise mutieren.

Denn wie erkannte Francois de La Rochefoucauld:
<<Der Eigennutz spricht allerhand Sprachen und spielt allerhand Rollen, sogar die des Uneigennützigen<<.

Man erwarte jetzt von mir keine Lösungen, denn die "Aber's" kommen unweigerlich. Nach dem Motto: Wie soll das gehen? "Nichts ist unmöglich" - und da die "Hüteren", die Entscheidungsträger auf höchster Ebene der Politik eigentlich immer sehr einfallsreich sind, so es an des "kleinen Mannes" Penunzen geht, ist da ein Umdenken erforderlich. Es gibt andere Quellen, die durchaus sprudeln können und die Quelleninhaber nicht verdursten müssen.

---


Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi


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#183

RE: Erfordernisse

in Ökonomie 02.05.2020 17:26
von Atue (gelöscht)
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Zitat von Anthea im Beitrag #182
Aber alle haben einen Anspruch auf vernünftige Lebensumstände, in denen sie „Mensch sein können“


Ja, und eine wichtige Voraussetzung dafür - also quasi das Fundament - ist eine gesicherte Existenz. Von der Wiege bis zur Bahre. Bedingungslos.

Zitat von Anthea im Beitrag #182
Diese Menschen müssen beachtet werden. Es muss ihnen geholfen werden. Man muss diesen durch Hartz IV stigmatisierten Menschen wieder ihre Würde zurückgeben, sie spüren lassen, dass sie wichtig sind für unsere Gesellschaft, die zum Beispiel jetzt in dieser außergewöhnlichen Krisensituation wieder viele helfende Hände braucht!


Das geht über ein BGE hinaus - ist auch die Forderung danach, in der Gesellschaft auch eine soziale Existenz zu bekommen. Man könnte hier so etwas wie ein Recht auf Arbeit einbringen - aber das gleitet schnell ab in eine Pflicht zur Arbeit - oder gar zu Zwangsarbeit. Deshalb bin ich mir nicht sicher, ob ich diese berechtigte Forderung zwecks Erfüllung an den Staat deligieren würde, oder ob hier nicht auch viele Privatinitiativen und viel soziales und ehrenamtliches Engagement der bessere Ansatz sind. Der Staat könnte dieses wiederum fördern - beispielsweise indem er Ehrenamt versichert, und gewisse Auslagen erstattet u.ä.. Hier geschieht heute schon viel - wenn auch immer mehr geht.

Zitat von Anthea im Beitrag #182
Im Bereich Bildung ist einiges zu tun. Vor allen Dingen muss sie mehr allen zugänglich sein. Eine gute Bildungsqualität ist nicht, dass an einer Institution eine Schulspeisung erfolgt. Beispielsweise wäre im Bildungsbereich eine Art von Qualitätsmanagement vorstellbar – ein quasi Wettbewerb unter Lehranstalten, wo dann der Erfolg abhängig ist von der „Qualität“ der Lehrer und Ausbilder. Nicht nur eine Benotung für Schüler. Ich bin mir nicht sicher, ob es das offen nachvollziehbar bereits gibt?


Das ist eine berechtigte Forderung - aber auch ein weites Feld. Die Kernfrage, was gute Bildung ist, ist auch nicht trivial zu beantworten. Doch eine gute Schulspeisung ist schon mal keine schlechte Voraussetzung....
Der Begriff der Bildung kommt laut wikipedia vom althochdeutschen bildunga - und bedeutet so etwas wie Vorstellung und Vorstellungskraft. Es geht also bei Bildung darum, dass derjenige, der gebildet ist, sich eine gute Vorstellung machen kann, wie die Wirklichkeit ist. Es geht also dabei um ein reflektiertes Bild von der Welt, von den Mitmenschen aber auch von sich selbst.

Bei uns wird oft Bildung und Wissen gleichbedeutend gebraucht, und viel zu häufig werden Fertigkeiten geprüft und benotet, und zu selten Fähigkeiten gestärkt und ausgebaut. Zum Können gehört aber beides - und zum Machen gehört das Wollen noch dazu. Erst die Kombination als Können, Machen und Wollen aber ist Bildung, die uns Menschen ausmacht.

Zitat von Anthea im Beitrag #182
Desweiteren ist eine größere Transparenz im Gesundheitswesen vonnöten. Nicht „der gläserne Patient“ sondern die „gläsernen“ Krankenhäuser, Mediziner, Versuchsreihen, Pharmakonzerne etc.


Derzeit ist unser Gesundheitswesen als Reparaturwerkstatt organisiert. Vorsorge spielt eine viel zu kleine Rolle. Beispiel: Eckart von Hirschhausen hat erläutert, dass man mit ca. 2 Schulstunden je Schuljahr zum Thema "Erste Hilfe" geschätzt ca. 10.000 Leben im Jahr retten könnte, weil dauerhaft ein Verständnis dazu aufgebaut würde, wie man sich in einem Notfall richtig verhält. Mit überschaubarem Aufwand könnte man also viel machen - und wenn man im Gesundheitswesen die Bezahlung nicht mehr für erfolgreich bearbeitete Fälle organisieren würde, sondern dafür, dass man die Gesundheit ganz allgemein einer Region deutlich verbessert und die Lebenserwartung und Lebensqualität erhöht - dann hätten wir einen anderen Ansatz. Sagt sich aber leichter, wie das in konkrete politische Forderungen einzubringen.

Zitat von Anthea im Beitrag #182
Bekämpfung der „Altersarmut“ ist ein wichtiges Thema. Hier ist u.a. eine Möglichkeit, durch weitgehende Entlastung der Arbeitgeber von Sozialabgaben eine Bereitschaft zur Einrichtung neuer Arbeitsplätze zu erreichen. Kein Abbau sondern Aufbau.


Da bin ich völlig dabei - halte aber den BGE-Ansatz, oder wie ich ihn als Vorstufe quasi vertrete in Form einer allgemeinen Existenzgrundsicherung, für einen Weg, der auch dieses Thema löst. Denn diese Grundsicherung stünde jedem zu - und Rentenansprüche würde man dann ergänzend im Erwerbsleben aufbauen, so dass der, der sich diese erarbeitet, auch im Alter in jedem Fall deutlich mehr hat, als nur die Existenzgrundsicherung. Ob man dies in Form eines Rentenanspruchs erarbeitet, oder in Form einer Lebensversicherung oder auch damit, dass man ein eigenes Häuschen mit schönem Garten sein eigen nennt, ist dann nur noch bedingt wichtig.

Zitat von Anthea im Beitrag #182
Albert Einstein sagte:&lt;&lt;Das Geld zieht nur den Eigennutz an und verführt stets unwiderstehlich zum Missbrauch&lt;&lt;.


Letzten Endes sprichst du ab diesem Absatz auf ein Thema an, welches ich unter Verteilungsgerechtigkeit verstehen würde.
Meine Antwort darauf ist klar:
Stell die Staatsfinanzierung so um, dass diese im Wesentlichen entsprechend des Vermögens anteilig organisiert ist. Würde man dies tun, wäre einerseits ausreichend Differenzierung nach wie vor möglich (jeder soll auch bei entsprechender Leistung sich mehr leisten können....) andererseits wäre der Kardinalfehler unseres derzeitigen Wirtschaftssystems behoben, nämlich der, dass eine Vermögensakkumulation quasi schon im System verankert ist.

Es ist eine andere Denkhaltung, wenn man Vermögen so denkt, dass man es sich leisten können muss.

Eine solche Organisation in einem demokratischen Staat, in der jeder mitbestimmt, wie hoch die Staatsausgaben auch für soziales sind - dann stellt sich ein neues Gleichgewicht ein zu dem, was die Bürger an Vermögen haben wollen und akzeptieren.

Das dann noch in einer BGE-Gesellschaft - vieles wäre anders !



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#184

RE: Erfordernisse

in Ökonomie 02.05.2020 18:30
von Findus | 2.520 Beiträge

Zitat von Atue im Beitrag #183
Ob man dies in Form eines Rentenanspruchs erarbeitet, oder in Form einer Lebensversicherung oder auch damit, dass man ein eigenes Häuschen mit schönem Garten sein eigen nennt, ist dann nur noch bedingt wichtig.


Es ist schon eine wichtige Detailfrage. Die gesetzliche Rentenversicherung arbeitet unabhängig im Sinne der versicherten. Bei einer privaten Lebensversicherung will das Unternehmen selbstverständlich mitverdienen - mit oder ohne bGE.

Zitat von Atue im Beitrag #183

Stell die Staatsfinanzierung so um, dass diese im Wesentlichen entsprechend des Vermögens anteilig organisiert ist. Würde man dies tun, wäre einerseits ausreichend Differenzierung nach wie vor möglich (jeder soll auch bei entsprechender Leistung sich mehr leisten können....) andererseits wäre der Kardinalfehler unseres derzeitigen Wirtschaftssystems behoben, nämlich der, dass eine Vermögensakkumulation quasi schon im System verankert ist.


Vermögensakkumulation ist dann kein Problem, wenn es sich ausschließlich um Vermögen geschaffen aus eigener Hände Arbeit handelt. Ich glaube es war ein Vorschlag der Grünen, am 18. Geburtstag jedem jungen Menschen 50.000 Euro in die Hand zu drücken um allen gleiche Startchancen zu geben. So könnte sich jeder der möchte etwas eigenes aufbauen.



zuletzt bearbeitet 02.05.2020 18:32 | nach oben springen

#185

RE: Erfordernisse

in Ökonomie 03.05.2020 00:56
von Atue (gelöscht)
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Zitat von Findus im Beitrag #184
Es ist schon eine wichtige Detailfrage. Die gesetzliche Rentenversicherung arbeitet unabhängig im Sinne der versicherten. Bei einer privaten Lebensversicherung will das Unternehmen selbstverständlich mitverdienen - mit oder ohne bGE.

Ich wollte auch nicht sagen, dass es nicht wichtig wäre - allerdings verliert dieses Detail in meinen Überlegungen deutlich an Bedeutung. Man mache sich klar: Wesentliche Teile der heutigen Rentenversicherung sind nichts anderes als eine Existenzgrundsicherung. Irgendwo zwischen 800€ und 1000€ der gesetzlichen Rente sind genau dafür da, dass du dir deine eigene Existenzgrundsicherung finanzierst. Wenn deine Rente niedriger ist, zahlt dir genau diesen Teil nach Auflösung wesentlicher Teile deines Vermögens die Sozialkasse.

Die Durchschnittsrentenbezüge betrug in 2019 im Westen 864€ - im Osten 1075€ (was an den unterschiedlichen Lebensentwürfen vor allem von Frauen im Westen bzw. Osten liegt). Man sieht hier schon - der Teil oberhalb der Existenzgrundsicherung bei der Rente ist im Schnitt nicht sonderlich relevant sondern im Schnitt nur ein kleiner Teil.

Sofern man die Existenzgrundsicherung aus der Rente herausoperiert und in ein BGE o.ä. überführt, bleibt für die eigentliche Rente nur ein kleiner Ansparbetrag je Monat übrig - ob man diesen dann noch als gesetzliche Rente organisiert, oder eben als irgendwie sonst geartete Vorsorge aus dem Erwerbsleben für das Alter - da kann es gute Argumente für alle möglichen Ansätze geben - es ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass heute der überwiegende Teil der Rentenzahlungen für nichts anderes draufgeht, als für eine Existenzgrundsicherung.

Es ist übrigens dieses Faktum - also dass wesentliche Teile der Rentenversicherung missbraucht werden, um die Existenzgrundsicherung aus der eigenen Tasche zu finanzieren - der das heutige Rentensystem zweifelhaft sein lässt. Die Finanzierung der Existenzgrundsicherung ist im heutigen System eigentlich eine Aufgabe des Steuerrechts (so wird auch die Grundsicherung im Alter aus dem SGB finanziert! Aber auch Hartz IV, die Steuerbefreiung des Existenzminimums, das Kindergeld etc.....nur nicht die Existenzgrundsicherung im Alter!) und nicht eine Aufgabe der Umlage aus der Rentenversicherung - am Rentenversicherungssystem sind ja nicht alle beteiligt, und durch die Beitragsbemessungsgrenze auch nicht alle in gleichem Umfang! Das führt gerade dazu, dass Reiche und Superreiche (also sagen wir mal so ungefähr die Reichsten 1-2%) enorm von unserem Rentensystem auf Kosten derer profitieren, die die Umverteilung im Rentensystem von Wohlhabenderen zu Ärmeren finanzieren müssen.
Zitat von Findus im Beitrag #184
Vermögensakkumulation ist dann kein Problem, wenn es sich ausschließlich um Vermögen geschaffen aus eigener Hände Arbeit handelt. Ich glaube es war ein Vorschlag der Grünen, am 18. Geburtstag jedem jungen Menschen 50.000 Euro in die Hand zu drücken um allen gleiche Startchancen zu geben. So könnte sich jeder der möchte etwas eigenes aufbauen.
Stimmt - wenn es denn wirklich um Vermögen aus eigener (!) Hände Arbeit geht. Spekulationsgewinne zählen dann nicht mehr, Erbschaften sind damit außen vor, und die Aufteilung von Unternehmensgewinnen muss anders organisiert werden, und Unternehmensgewinne, die durch Maschinenarbeit entsteht muss auch anders bewertet werden.....
Gerade weil dies realistisch nicht oder bestenfalls schwer zu organisieren ist, weil sich Einkommen regelmäßig wesentlich stärker nach Angebot und Nachfrage richten, und weil nicht alle Einkommensarten überhaupt oder angemessen besteuert werden, halte ich den gleich wirkenden Vorschlag einer jährlichen Vermögenssteuer für einen realistischeren - gleichwohl aber ebenfalls nicht für einen realistischen Ansatz.

Der Vermögenssteueransatz zur Finanzierung staatlicher Ausgaben ist auch charmanter - denn ungleiche Startbedingungen gleicht der locker binnen weniger Jahre aus. Das gute an dem Vermögenssteueransatz ist, dass gerade junge Menschen sich relativ schnell ein Vermögen aufbauen können - problematisch (aber ehrlicher) ist die Behandlung im Alter.
Trotzdem ist und bleibt der Vermögenssteueransatz in Reinform ein theoretisches Modell - es kann aber helfen, vernünftige Modelle zu konzipieren, die in ihrer Wirkung dem Vermögenssteueransatz ähnlich sein sollten.

Der Vorschlag der Grünen ist aus meiner Sicht keine gute Lösung. Mit 18 kann ich ja nicht mehr von Startchancen sprechen - da wurde einiges an Chancen schon die Jahre zuvor ungleich behandelt. Und: Der Millionärssohn, der die 50.000 bekommt, und noch 100.000 von seinen Eltern dazu....hat auch eine andere Ausgangslage als der, der die 50.000 braucht, um im Wesentlichen sein Studium zu finanzieren. Hier gefällt mir ein BGE-Ansatz besser.



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#186

RE: Erfordernisse

in Ökonomie 03.05.2020 09:39
von Findus | 2.520 Beiträge

Zitat von Atue im Beitrag #185

Die Durchschnittsrentenbezüge betrug in 2019 im Westen 864€ - im Osten 1075€ (was an den unterschiedlichen Lebensentwürfen vor allem von Frauen im Westen bzw. Osten liegt). Man sieht hier schon - der Teil oberhalb der Existenzgrundsicherung bei der Rente ist im Schnitt nicht sonderlich relevant sondern im Schnitt nur ein kleiner Teil.



Ich nehme mal die offiziellen Zahlen der Deutsche Rentenversicherung:

Im Jahr 2019 beträgt die Standardrente nach 45 Jahren brutto 17 847,- € (umgerechnet auf 12 Monate: 1487,25 €). Dies bedeutet, dass dir netto nach Abzug deiner Sozialabgaben (Krankenversicherung für Rentner) 15.920,- € bleiben. Ist die Sozialversicherung abgezogen, hattest du im Jahr 2019 als Standardrenter 1.326,67 € monatlich netto zur Verfügung.
45 Rentenjahre werden heute kaum noch erreicht, weil Ausbildungs- und Studienzeiten und der frühere Zivildienst nicht mehr angerechnet werden. Allein die früheren Regelungen wieder einzuführen würde auch bezogen auf die Rente einen Unterschied machen.

Zitat

Sofern man die Existenzgrundsicherung aus der Rente herausoperiert und in ein BGE o.ä. überführt, bleibt für die eigentliche Rente nur ein kleiner Ansparbetrag je Monat übrig - ob man diesen dann noch als gesetzliche Rente organisiert, oder eben als irgendwie sonst geartete Vorsorge aus dem Erwerbsleben für das Alter - da kann es gute Argumente für alle möglichen Ansätze geben - es ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass heute der überwiegende Teil der Rentenzahlungen für nichts anderes draufgeht, als für eine Existenzgrundsicherung.



Das Atue, ist eine Frage des Verdienstes. Ein Bauzeichner würde jetzt vermutlich vehementen Widerspruch äußern. Der Gedanke alle gut abzusichern ist richtig. Wer Leistung erbringen will sollte es trotzdem tun und dafür auch leistungsgerecht vergütet werden. Dies muss sich auch bei der Rente wiederfinden.

Zitat

Es ist übrigens dieses Faktum - also dass wesentliche Teile der Rentenversicherung missbraucht werden, um die Existenzgrundsicherung aus der eigenen Tasche zu finanzieren - der das heutige Rentensystem zweifelhaft sein lässt. Die Finanzierung der Existenzgrundsicherung ist im heutigen System eigentlich eine Aufgabe des Steuerrechts (so wird auch die Grundsicherung im Alter aus dem SGB finanziert! Aber auch Hartz IV, die Steuerbefreiung des Existenzminimums, das Kindergeld etc.....nur nicht die Existenzgrundsicherung im Alter!)



Die Rente ist eine Versicherungsleistung, die sich aus den Einzahlungen ihrer Mitglieder finanziert. Ich mag daher deiner Argumentation nicht folgen.
Die Grundsicherung im Alter ist übrigens Teil der Sozialhilfe. Wo du - da folge ich deinem Argument - Verbesserungen forderst, müsstest du auf Verbesserungen in der Sozialhilfe drängen.

Zitat von Atue im Beitrag #185

Zitat von Findus im Beitrag #184
Vermögensakkumulation ist dann kein Problem, wenn es sich ausschließlich um Vermögen geschaffen aus eigener Hände Arbeit handelt. Ich glaube es war ein Vorschlag der Grünen, am 18. Geburtstag jedem jungen Menschen 50.000 Euro in die Hand zu drücken um allen gleiche Startchancen zu geben. So könnte sich jeder der möchte etwas eigenes aufbauen.
Stimmt - wenn es denn wirklich um Vermögen aus eigener (!) Hände Arbeit geht. Spekulationsgewinne zählen dann nicht mehr, Erbschaften sind damit außen vor, und die Aufteilung von Unternehmensgewinnen muss anders organisiert werden, und Unternehmensgewinne, die durch Maschinenarbeit entsteht muss auch anders bewertet werden.....


Das hast du jetzt vor allem mit den Erbschaften sehr weit ausgelegt, vom Prinzip hast du natürlich Recht.
Interessant, dass sich im Grunde auch die Vermögenssteuer über dein Argument herleiten lässt:

Zitat

Gerade weil dies realistisch nicht oder bestenfalls schwer zu organisieren ist, weil sich Einkommen regelmäßig wesentlich stärker nach Angebot und Nachfrage richten, und weil nicht alle Einkommensarten überhaupt oder angemessen besteuert werden, halte ich den gleich wirkenden Vorschlag einer jährlichen Vermögenssteuer für einen realistischeren [...].

Der Vermögenssteueransatz zur Finanzierung staatlicher Ausgaben ist auch charmanter - denn ungleiche Startbedingungen gleicht der locker binnen weniger Jahre aus. Das gute an dem Vermögenssteueransatz ist, dass gerade junge Menschen sich relativ schnell ein Vermögen aufbauen können - problematisch (aber ehrlicher) ist die Behandlung im Alter.
Trotzdem ist und bleibt der Vermögenssteueransatz in Reinform ein theoretisches Modell - es kann aber helfen, vernünftige Modelle zu konzipieren, die in ihrer Wirkung dem Vermögenssteueransatz ähnlich sein sollten.



In den jungen Jahren mit Ausbildung und Familiengründung wird mehr Geld benötigt als im Alter. Es gab einen schönen Vergleich von Prof. Hurrelmann. Er ist in der Armutsfoschrung durchaus bekannt. Der Vergleich lautet: Ein Kind über 18 Jahre großzuziehen bedeutet finanziellen Aufwand im Gegenwert eines kleinen Einfamilienhauses.
Dieses kleine Einfamilienhaus wurde natürlich nicht gebaut. Das Geld ging in Versorgung, Erziehung und Ausbildung der Kinder - unserer zukünftigen Rentenzahler.
Es gibt keinen Familienbonus in der Rente. Hier wäre das bGE vermutlich für Familien deutlich gerechter.

Zitat

Der Vorschlag der Grünen ist aus meiner Sicht keine gute Lösung. Mit 18 kann ich ja nicht mehr von Startchancen sprechen - da wurde einiges an Chancen schon die Jahre zuvor ungleich behandelt. Und: Der Millionärssohn, der die 50.000 bekommt, und noch 100.000 von seinen Eltern dazu....hat auch eine andere Ausgangslage als der, der die 50.000 braucht, um im Wesentlichen sein Studium zu finanzieren. Hier gefällt mir ein BGE-Ansatz besser.



Dann darf der Millionärssohn jedoch kein bGE bekommen.


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#187

RE: Erfordernisse

in Ökonomie 03.05.2020 12:03
von Atue (gelöscht)
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Zitat von Findus im Beitrag #186
Ich nehme mal die offiziellen Zahlen der Deutsche Rentenversicherung:Im Jahr 2019 beträgt die Standardrente nach 45 Jahren brutto 17 847,- € (umgerechnet auf 12 Monate: 1487,25 €). Dies bedeutet, dass dir netto nach Abzug deiner Sozialabgaben (Krankenversicherung für Rentner) 15.920,- € bleiben. Ist die Sozialversicherung abgezogen, hattest du im Jahr 2019 als Standardrenter 1.326,67 € monatlich netto zur Verfügung.45 Rentenjahre werden heute kaum noch erreicht, weil Ausbildungs- und Studienzeiten und der frühere Zivildienst nicht mehr angerechnet werden. Allein die früheren Regelungen wieder einzuführen würde auch bezogen auf die Rente einen Unterschied machen.


Wenn die Zahlen der DRV abweichen, dann nicht wesentlich. Ich habe vom durchschnittlichen Rentenbezug gesprochen - das ist das, was die Menschen dann auch verkonsumieren können.
Aber danke für die offiziellen Zahlen zur Standardrente - wie das zusammenhängt, kann man zumindest qualitativ beispielsweise hier nachlesen.


Zitat von Findus im Beitrag #186
Das Atue, ist eine Frage des Verdienstes. Ein Bauzeichner würde jetzt vermutlich vehementen Widerspruch äußern. Der Gedanke alle gut abzusichern ist richtig. Wer Leistung erbringen will sollte es trotzdem tun und dafür auch leistungsgerecht vergütet werden. Dies muss sich auch bei der Rente wiederfinden.


Das will ich auch bei der Rente abbilden oder so abgebildet lassen.
Mein Ansatz ist, die Rente um die Existenzgrundsicherung zu "befreien" - weil diese Form der Absicherung eigentlich, wie du richtig schreibst, ins Sozialrecht gehört und nicht ins Rentenrecht.
Stand heute ist sie im Rentenrecht, solange du selbst für dich sorgen kannst - aber im Sozialrecht, wenn du nicht mehr für dich sorgen kannst.
Im ersteren Fall hast du dich gefälligst selbst darum zu kümmern, dass du dir das Existenzminimum leisten kannst, im zweiten Fall sorgt die Gemeinschaft der Steuerzahler dafür. Beide Fälle sind heute aber schon real und im Recht abgebildet - ich plädiere nur dafür, diese beiden Fälle nicht mehr unterschiedlich zu behandeln, sondern grundsätzlich zu sagen, die Gemeinschaft ist für das Existenzminimum zuständig, und dann bitte über Steuern - der Einzelne kann darüber hinaus noch vorsorgen.

In der Praxis würde das aber bedeuten, dass der Finanzbedarf für die Existenzgrundsicherung ja dennoch da wäre - und der müsste finanziert werden. Ohne ins Detail zu gehen ist es valide anzunehmen, dass die finanzielle Belastung dafür in etwa ähnlich wäre wie heute - was bedeuten würde, dass das, was wir heute in die RV zahlen, zu einem erheblichen Teil zukünftig in die allgemeine Existenzgrundsicherung fließen würde. Also bleibt weniger übrig, was man in die RV einzahlen kann - dafür bekommt man dann eine niedrigere Rente, was aber nicht schlimm ist, weil diese niedrigere Rente ja vollends als Aufstockungsbetrag zur Existenzgrundsicherung da wäre.

Also Beispiel heute:
Du bekommt 1400€ Rente, 800€ davon sind die von dir selbst angesparte Existenzgrundsicherung, 600€ sind echte Konsumfähigkeit über die Existenzgrundsicherung hinaus.
Zukünftig:
Du bekommst nur noch 600€ Rente, 800€ aber Existenzgrundsicherung bekommst du in jedem Fall - deine Konsumfähigkeit über die Existenzgrundsicherung hinaus wäre gleich.

Für 600€ Rente sind geringere Renteneinzahlungen notwendig - aber die 800€ Existenzgrundsicherung müssen ja auch finanziert werden. Selbst wenn es im Detail anders aussehen würde (Steuer statt Sozialabgabe...je nach Finanzierungsmodell) bleibt am Ende vieles doch sehr ähnlich wenn man die Konsumfähigkeit anschaut.


Zitat von Findus im Beitrag #186
Die Rente ist eine Versicherungsleistung, die sich aus den Einzahlungen ihrer Mitglieder finanziert. Ich mag daher deiner Argumentation nicht folgen.
Die Grundsicherung im Alter ist übrigens Teil der Sozialhilfe. Wo du - da folge ich deinem Argument - Verbesserungen forderst, müsstest du auf Verbesserungen in der Sozialhilfe drängen.


Die Rente ist heute so organisiert - beinhaltet aber nach dem von mir verurteilten Bedürftigkeitsprinzip implizit eine Leistung, die ins Sozialrecht gehört (meiner Ansicht nach): Die Existenzgrundsicherung.

Das bGE in Form der Existenzgrundsicherung wäre gerade eine Art Sozialhilfe - lediglich deutlich anders organisiert, gerade nicht nach dem Bedürftigkeitsprinzip, sondern nach dem Bedarfsprinzip.

Zitat von Findus im Beitrag #186
Dann darf der Millionärssohn jedoch kein bGE bekommen.

:-)

Das hatte wir im Prinzip schon - entscheidend ist nicht, ob der Millionärssohn ein bGE bekommt, sondern wie das bGE finanziert wird.
Nehmen wir an, wir würden es über eine Vermögenssteuer (und eine Mehrwertsteuer in gleicher Höhe) finanzieren - dann wäre der von den Eltern gepimperte Millionärssohn sicher Vermögend und würde diese bezahlen müssen. Wäre er so vermögend, dass die Vermögenssteuer (bzw. Mehrwertsteuer) das bGE überschreitet, wäre er sogar Nettozahler.
Nur der Hinweis: Das Kindergeld für den Millionärssohn wird heute auch bezahlt....



Danke für deinen Beitrag - habe ein paar wichtige Aspekte für mich gefunden, die mich weitergebracht haben!



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#188

RE: Erfordernisse

in Ökonomie 03.05.2020 12:09
von Findus | 2.520 Beiträge

Zitat von Atue im Beitrag #187
Nur der Hinweis: Das Kindergeld für den Millionärssohn wird heute auch bezahlt....
Danke für deinen Beitrag - habe ein paar wichtige Aspekte für mich gefunden, die mich weitergebracht haben!


Es ist komplexer. Der Millionär wird im Gegensatz zum Geringverdiener mehr als das Kindergeld bekommen. Er macht schlicht den steuerlichen Kinderfreibetrag geltend.


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#189

RE: Erfordernisse

in Ökonomie 03.05.2020 12:50
von Atue (gelöscht)
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Zitat von Findus im Beitrag #188
Es ist komplexer. Der Millionär wird im Gegensatz zum Geringverdiener mehr als das Kindergeld bekommen. Er macht schlicht den steuerlichen Kinderfreibetrag geltend.


Meine "harmloseste" Einstiegsforderung zur Bereinigung des Steuer- und Sozialrechts ist genau deshalb auch, dass man das Kindergeld auf den Maximalsatz der steuerlichen Förderung (Beispiel 2016: 3044€ je Jahr = 253,67€ im Monat) anhebt, als Festbetrag auszahlt und zwar für alle Kinder. Im Gegenzug kann dann der Steuerfreibetrag entfallen - die Progressionskurve kann man entsprechend anpassen, so dass das weitgehend ein Nullsummenspiel ist.



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#190

Existenzminimum im Steuerrecht und im Sozialrecht

in Ökonomie 05.05.2020 23:43
von Atue (gelöscht)
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Über vielerlei Gesetze ist in Deutschland das Existenzminimum vor dem Zugriff des Staates geschützt, und wird umgekehrt durch den Staat gewährt, wenn man nicht selbst dafür aufkommen kann.

Über die letzten 20 Jahre ist dabei schon einiges in die richtige Richtung reformiert worden, so reden wir beispielsweise inzwischen wenigstens von einer halbwegs einheitlichen Ermittlungsgrundlage des Existenzminimums, welches dann mal im Steuerrecht, mal in der Sozialgesetzgebung Anwendung findet.

Im Detail gibt es aber doch immer wieder Punkte, die deutlich unterschiedlich geregelt sind - was dann schon die Frage aufkommen lässt, warum dem so ist. Man sollte doch annehmen, dass es genau ein Existenzminimum gibt, und dass es deshalb auch in allen Rechtsgebieten einheitlich gehandhabt werden sollte....

Ein Beispiel:
Bei Hartz IV bekommt ein volljähriger allein lebender Single folgende Leistungen:
432€ für das Bestreiten des normalen Lebens, dazu noch Geld für eine angemessene Wohnung und das Heizen derselben. (Weitere Leistungen sind für die weitere Betrachtung nicht wesentlich)
Für die Wohnung wird in der Regel so ca. 45qm als noch angemessen akzeptiert. Je nach Wohnort kann das dann zu einer Leistung für die Wohnung und Heizung von sagen wir mal 200€ - 600€ ergänzend führen.

Im Steuerrecht kennen wir das Pendant der Steuerbefreiung des Existenzminimums. Wiederum bei einem Single wird ein steuerlicher Freibetrag für das Existenzminimum gewährt, der 9408€ beträgt. Dieser setzt sich inhaltlich zusammen aus dem Regelsatz von 5196€, was auf den Monat heruntergebrochen ziemlich genau dem Hartz IV Regelsatz entspricht. Dazu kommt noch die Kosten für die Unterkunft, die pauschaliert mit 3552€ angegeben werden - was 296€ im Monat sind, oder bei einer 45qm-Wohnung einem Satz von günstigen und wohl eher in ländlichen Gebieten erreichbaren Satz von 6,58€ je qm entspricht. Im Sinne einer Pauschalierung passt auch dies im Verhältnis zu Hartz IV. Und schließlich sind noch 660€ im Jahr für die Heizung eingeplant - was bei einer 45qm-Wohnung auch passen sollte.

Bis hierhin passen also die Regelungen zur Betrachtung des Existenzminimums noch halbwegs gut zwischen Sozialrecht und Steuerrecht.

Unpassend wird es aber, wenn man sich die Regelungen anschaut, wenn wir nicht mehr über einen Singlehaushalt sprechen, sondern beispielsweise von einer Ehe:

Bei Hartz IV sprechen wir dann von einer Bedarfsgemeinschaft - und unter der Annahme, dass es Synergieeffekte bezüglich des Existenzminimums gibt, werden in einer solchen Bedarfsgemeinschaft für den Zweiten Teilnehmer 389€ statt 432€ gewährt. In sich ist diese Argumentation sicherlich auch nachvollziehbar - gemeinsam kann man günstiger größere Packungen einkaufen etc. etc....
Bei der Wohnung werden für das Existenzminimum weitere 15qm für den zweiten Teilnehmer als angemessen akzeptiert.

Anders dagegen im Steuerrecht. Da wird das Existenzminimum des zweiten Steuerpflichtigen in voller Höhe angerechnet, also so, als ob es sich um zwei Einzelpersonen handeln würde und jeder vollständig für sich selbst wirtschaften würde. Die Frage, dass es synergetische Effekte bezogen auf das Existenzminimum gibt, wird sowohl beim Regelsatz, als auch bei den pauschalierten Beträgen für Wohnung und Heizung quasi verneint.

Während im Sozialrecht bei Hartz IV die Bedarfsermittlung eine fundamentale Rolle spielt, wird beim gleichen Thema im Steuerrecht auf die Bedarfsermittlung weitgehend verzichtet und deutlich pauschaliert.

Nun kann man auf die Idee kommen, dass das ja auch zwei unterschiedliche Fälle sind, einmal geht es um einen Steuerzahler, und das andere mal um einen Leistungsempfänger.....beim Steuerzahler darf man ja dann auch vielleicht etwas großzügiger sein.....nur - diese unterschiedliche Behandlung führt faktisch auf der Steuerseite dazu, dass dem Fiskus Milliardenbeträge entgehen, die schließlich durch Steuern an anderer Stelle ausgeglichen werden müssen. Konkret könnte dem entsprechend einer, der zu den reicheren 50% der Gesellschaft gehört argumentieren, dass er dadurch eine höhere Steuerlast tragen muss, weil über diese unzureichende Regelung im Steuerrecht gerade das Existenzminimum von Ärmeren künstlich hoch gerechnet wird, und damit diese zu wenige Steuern bezahlen.

Argumentieren könnte aber auch ein Single, dass er ungerecht gegenüber Menschen behandelt wird, die in einer Ehe leben - denn die werden faktisch auch über das doppelt angerechnete Existenzminimum steuerlich subventioniert.

Und schließlich gibt es noch die Gruppe derer, die sich im Grenzbereich zwischen Hartz IV und Zuverdienst, versus Geringverdiener mit Aufstockung und schließlich dem Geringverdiener knapp oberhalb dieser Grenze bewegt. Sofern beispielsweise ein Hartz IV Empfänger sich sukzessive entlang einer solchen Linie hoch arbeitet kann es zu der absurden Situation kommen, dass er mit weniger Stunden als Aufstocker mehr Geld zur Verfügung hat, als dann, wenn er geringfügig mehr Geld verdient, und damit aus Hartz IV rausfällt. Dies vor allem dann, wenn er eine teure Wohnung beispielsweise in einem der Ballungsgebiete bewohnt.

Wäre es nicht besser, diese Unstimmigkeiten zwischen den Ansätzen im Steuerrecht und im Sozialrecht bezüglich derselben Thematik des Existenzminimums einheitlich zu regeln?

Wer weitere Unstimmigkeiten sucht, findet die sofort, wenn noch Kinder ins Spiel kommen.....die höchste staatliche Förderung für Kinder (die im Wesentlichen das Existenzminimum behandelt) bekommen nicht die Bedürftigsten, sondern besonders Reiche....



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#191

RE: Existenzminimum im Steuerrecht und im Sozialrecht

in Ökonomie 26.06.2020 18:02
von Teddybär | 1.675 Beiträge

2021 soll es keine Rentenerhöhung geben.

Aber 2021 sind Bundestagswahlen.
Rentner sind eine sehr große Gruppe, die Wahlen entscheiden kann.

Keine Regierung wird es sich mit den Pensionären verscherzen wollen.
Darum wetten ich, dass die Senioren in Deutschland nicht ganz leer ausgehen werden ?


Es gibt immer ein a🐻|Plüsch ist liebe|🐻🐻🐻 an die Macht|🐻🐻🐻 aller Wälder und Wiesen vereinigt euch!!|The First Reel Director in 🐻wood|

🐻 nutzt telegram.org als Messenger
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#192

RE: Existenzminimum im Steuerrecht und im Sozialrecht

in Ökonomie 04.07.2020 14:14
von Findus | 2.520 Beiträge

Die Ost-Renten werden wohl leicht steigen aufgrund des gesetzlichen Angleichungsmechanismus.
Auf eine sinkende Wirtschaftslage haben weder Rente noch bGE eine Antwort. Das Geld für beides muss erwirtschaftet oder eben an anderen Haushaltsstellen entnommen werden. Das wir eine Nullrunde haben und nicht mit Einbußen rechnen müssen, ist dem Versicherungsprinzip zu verdanken. Ein bGE wäre in der Corona-Krise wohl krisenanfälliger gewesen als die gesetzliche Rente.


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#193

RE: Existenzminimum im Steuerrecht und im Sozialrecht

in Ökonomie 04.07.2020 19:31
von kuschelgorilla | 3.292 Beiträge

Zitat von Findus im Beitrag #192
... Ein bGE wäre in der Corona-Krise wohl krisenanfälliger gewesen als die gesetzliche Rente.



Kannst du diese These auch argumentativ untermauern?


Meine Motivation ging heute morgen winkend und lächelnd an mir vorbei
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#194

RE: Existenzminimum im Steuerrecht und im Sozialrecht

in Ökonomie 04.07.2020 19:49
von Findus | 2.520 Beiträge

Weil die Rentenversicherung aus Versicherungsbeiträgen und hieraus angelegten Rücklagen speist. Natürlich wird man höhere Rentenbeiträge nach Corona früher erheben müssen. Dieses Modell ist jedoch deutlich abgefederter als eine Finanzierung über Steuern.
Ein bGE würde hingegen über Steuermittel finanziert. Wenn man bedenkt, welch Milliarden größes Loch im Bundeshaushalt in wenigen Wochen entstanden ist, besteht durchaus die Gefahr, dass man an einem bGE zu Gunsten z.B. von Wirtschaftshilfen kürzen würde. Steuerfinanzierung führt in schlechten Zeiten zu Leistungskürzungen.

Wenn du jetzt Zahlenmaterial willst, dann wirst du auf die Ökonomen warten müssen, die das jetzt erheben. Wir hatten schlicht im Vorfeld keine Pandemie, aus der man Vergleichswerte ableiten könnte. Uns bleibt "nur" die aktuelle Erfahrung der Wirtschaftswissenschaften und der Sozialwissenschaften.
Über die Corona-Krise hat Deutschland nicht seine bisherige Wirtschafts- und Sozialpolitik über den Haufen geworfen. Aus dem Krisenmanagement lassen sich daher auch keine Veränderungen der Sozialpolitik ableiten.

PS: Eine deutsch-spanische Vergleichsstudie wäre interessant, um diese Frage weitergehend zu klären.



zuletzt bearbeitet 04.07.2020 19:54 | nach oben springen

#195

RE: Existenzminimum im Steuerrecht und im Sozialrecht

in Ökonomie 04.07.2020 22:10
von kuschelgorilla | 3.292 Beiträge

Ich danke dir, lieber Findus.
Ich bin mit der argumentativen Linie durchaus zufrieden.
Diese Argumentation ist aber letztlich nur mit der aktuellen, realen finanziellen Wirtschaftshilfe, die meines Erachtens keine Vision in die Zukunft liefert, realistisch. Würde man Wirtschaftshilfe auch als Vision betrachten, als eine Vision in anstehende Reformen und gesellschaftliche Veränderungen, könnte zum Beispiel auch das bGE argumentativ als eine Investition in dei Zukunft betrachten.
Letztlich ist es aus meiner Sicht sekundär, woraus man eine Altersvorsorge finanziert.


Meine Motivation ging heute morgen winkend und lächelnd an mir vorbei
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