#16

RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 26.10.2019 10:47
von Anthea | 12.406 Beiträge

Soziale Themen, resp Bedürfnisse waren und sind immer Thema in Deutschland gewesen. Nur eben mehr oder weniger vernachlässigt oder aufgegriffen.
Ich fasse es mal pauschal zusammen: Genug ist nie genug.

Zuerst einmal möchte ich nochmals festhalten, dass wir in Deutschland ein recht gutes soziales Netz haben, das - eigentlich nicht so löchrig ist, das Menschen wirklich durchfallen können. Keiner muss bei uns verhungern oder erfrieren und kann immer unter ein Dach schlüpfen.

Aber: Des Menschen Wille ist sein Himmelreich oder auch: Zwingen kann man niemanden!
Und das Wort "Solidargemeinschaft" wird allzu oft missbraucht von denjenigen, die nun einmal mit anderen "nix am Hut" haben, sondern deren Credo das allgemeine Gejammer der Art ist: Warum der und nicht ich - es steht mir genau das zu wie anderen, die finanziell besser aufgestellt sind....Allerdings zustehen ohne eigene Verpflichtung! Das gehört zu deren Credo.

Und hier wäre ich wieder beim fördern und fordern! HartzIV ist eine Grundsicherung, die weitestgehend ausreichend ist. Gewisse Teile müssen angepasst werden. Das jedoch ist das kleinste Problem.
Ich habe eine Reihe von Menschen kennen gelernt, die damit zwar keine großen Sprünge machen können, wie sie selbst bekunden, aber durchaus damit leben können. Und ich habe die gesehen, die diese Lebenssicherung als ihr Taschengeld zur beliebigen Verwendung betrachten... Und diese Leute wird man immer haben, egal ob eine neue Grundsicherung nun bGE heißen sollte. Denn "Genug ist für diese nie genug". Sie möchten sich selbst leistungslos komfortabel einrichten können!

Gemacht werden sollte etwas an einer Mindestrente, die Menschen nach getaner Lebensarbeit nicht verkümmern lässt! Mindestarbeitslöhne gehören immer wieder auf den Prüfstand und Beobachtung derer Einhaltung, was die Bezahlung anbelangt.

Mein ehrlich empfundenes tiefes Mitgefühl haben Menschen, die wirklich große Schicksalsschläge erlitten haben. Aber die Klientel "Sozialschmarotzer" gehört nun einmal nicht dazu!
Natürlich ist das Gros der Menschen, das "solidarisch" mit HartzIV eine Lebensgrundlage erhält, nicht so.
Da greift direkt Empörung bei grenzenlos "sozial" Denkenden, wenn man sich über die "Abzockergilde" der auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung Lebenden ereifert. "Solche" muss ein gut aufgestellter reicher Staat auch mit verkraften können, so hörte ich schon... Ja, schon, aber muss nicht sein, oder?
Das ist genau so wie die Abwiegelung, als es um Neonazis oder islamistische Gefährder im Land ging. Ähnlicher Tenor: Ach, die paar....
Aber es wurden und werden immer mehr.

Glaubt denn wirklich jemand, dass ein bGE der Stein der Weisen sein würde? Aus meiner Sicht nur ein anderer Name für das Aufzeigen neuer alter Begehrlichkeiten. Denn eines wird es immer geben: Die Strebsamen und die Faulen, die Herren und die Untergebenen. Genug Zündstoff für den unausrottbaren Neid, das Anspruchsdenken und die Dummheit, die den Spruch: Warum nicht ich....zum Wahlspruch gemacht hat.


Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi


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#17

RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 26.10.2019 11:48
von denker_1 | 1.598 Beiträge

Das BGE löst schon allein deshalb nichts, weil es viel zu niedrig angesetzt ist. Teilhabe sichernd ist das nicht. Und was würde dann mit den Pfändungsfreigrenzen.

Meine Frau war bis 2018 selbständig tätig, Einkommen 800-1000€/Monat. Die AOK berechnet aber Beiträge für diese Zeit bei GESHÄTZTEM Einkommen von 4000€/Monat und dafür will sie nun Beiträge. Obwohl meine Frau nie so hohes Einkommen hatte. Wenn das BGE kommt, darf sie erst mal zahlen, weil die Pfandungsfreigrenze wohl eher nicht erhöht werden wird mit dem BGE!

Wie viele sind auf Telefonwerbung reingefallen und dürfen nun zahlen und kommen aus ihrem Vertrag nicht raus. Wer unter der Pfändungsfreigrenze liegt mit seinem Einkommen, könnte einfach sagen, Sorry, ich kann nicht zahlen. Im BGE Fall holt sich diese Betrügerclique dann das Geld, sobald das Gesamteinkommen infolge BGE die Pfändungsfreigrenze überschreitet.


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#18

RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 26.10.2019 18:33
von kuschelgorilla | 3.292 Beiträge

Zitat von Findus im Beitrag #11
Und am Ende wird aus der Hausfrau per definitonem eine Arbeitnehmerin


Stimmt auffallend. Denn die Arbeiten der/des Hausfrau/-manns sind defacto Tätigkeiten, die der Gesellschaft zu Gute kommen - und sei es "nur" um den Partner für andere Arbeiten, Aktionen, weiteres Engagement ... freizustellen. Auch eine funktionierende Familie ist ganz sicher ein Beitrag zur Gesellschaft.

Zitat von Findus im Beitrag #11
Wir können das alles diskutieren, solange wir uns mit Begriffen wie "Care-Work" nicht selbst in die Tasche lügen.
Aber das war nicht die Intention meines Beitrages.


Mal nachgefragt - in wie weit würden wir uns denn möglicher Weise bei der Sorgearbeit in die eigene Tasche lügen?

Zitat von Findus im Beitrag #11
So sympathisch die Idee des Grundeinkommens ist, woher nimmst du die Sicherheit, dass sie für 82 Millionen Menschen funktioniert? Du hast dir doch irgendwas gedacht, wie ich dich vom lesen kenne.


Ich wiederhole mich ungern - Sicherheit gibt es nicht. Auch das BGE ist sicher kein all umfassendes Sicherheitsnetz.
Kennst du die Pilotversuche zum BGE?


Meine Motivation ging heute morgen winkend und lächelnd an mir vorbei


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#19

RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 26.10.2019 18:55
von Findus | 2.520 Beiträge

Zitat von kuschelgorilla im Beitrag #18
Mal nachgefragt - in wie weit würden wir uns denn möglicher Weise bei der Sorgearbeit in die eigene Tasche lügen?


Ich schließe mich deinen Ausführungen an, dass die Arbeit die privat und im Ehrenamt geleistet wird, gesellschaftlich nützlich ist. Und doch teile ich die Auffassung nicht, dass "Laien"-Arbeit die gleiche Wertigkeit hat, wie eine Arbeit die besondere fachliche Kompetenzen braucht.
Natürlich ist es gesellschaftlich nützlich, wenn Angehörige gepflegt werden und auch moralisch richtig. Trotzdem gibt es Grenzen des leistbaren, die gerade in der Historie von Pflege, Erziehung und Sozialer Arbeit zu einer Professionalisierung der Arbeitsfelder geführt hat. Der Begriff "Care-Work" hat zumindest den Professionellen gegenüber auch eine abwertende Nuance. Meine persönliche Meinung, darf jeder gerne anders sehen.

Das Laien- und das Ehrenamt haben für mich daher nicht nur Vorteile, sondern auch Grenzen. Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Ich sorge mich, dass eine gute soziale Infrastruktur abgebaut werden könnte. Ich sehe den Fachkräftemangel. Und eine gute Arbeit um eine gute gesundheitliche und soziale Versorgung zu gewährleisten ist doch auch ein gesellschaftlicher Wert?

Zitat von kuschelgorilla im Beitrag #18

Ich wiederhole mich ungern - Sicherheit gibt es nicht. Auch das BGE ist sicher kein all umfassendes Sicherheitsnetz.
Kennst du die Pilotversuche zum BGE?


Ich habe über den Versuch in Finnland gelesen und über einen Versuch mit dem Modell "negative Einkommenssteuer", der in einer deutschen Großstadt vor Jahren stattgefunden hat. Das finnische Modell fand ich im Vergleich besser.


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#20

RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 26.10.2019 19:48
von kuschelgorilla | 3.292 Beiträge

Zitat von Findus im Beitrag #19
... Ich sorge mich, dass eine gute soziale Infrastruktur abgebaut werden könnte. Ich sehe den Fachkräftemangel. Und eine gute Arbeit um eine gute gesundheitliche und soziale Versorgung zu gewährleisten ist doch auch ein gesellschaftlicher Wert?


Ich kann jetzt aus zeitlichen Gründen nicht in der Gänze auf deinen Post eingehen.
Die soziale Infrastruktur wird aktuell schon ganz massiv abgebaut. In der medizinischen Versorgung fällt es schon richtig auf. Fachkräftemangel? Wenn diese Arbeiten (Sorgearbeit) entsprechend wertgeschätzt würde und damit auch würdig entlohnt würde, hätten wir dieses Problem nicht in diesem Maße. Natürlich ist derlei qualitativ hochwertige Arbeit ein gesellschaftlicher Wert - zumindest aus meiner Sicht. Aber durch die zunehmende Privatisierung der medizinischen Versorgung zählt eben nur noch der Profit. Die Wertschätzung gilt nun dem Profit und nicht mehr der medizinischen Versorgung, nicht mehr dem Menschen sondern nur noch dem Schnöden Mammon. In der Altenversorgung ist es nicht anders.

Sicher ist eine professionelle Sorgearbeit etwas anderes, als eine private. Aber es ist ja noch nicht mal die professionelle Sorgearbeit angemessen wertgeschätzt und bezahlt. Von der privaten will ich an dieser Stelle gar nicht reden...

Aber du merkst es auch an den von mir verwendetem Wort: WERT. Mit dem BGE Hand in Hand gehen muss ein Wertewandel. Solange Risikofinanzgeschäfte über Gebühr wertgeschätzt werden und die Arbeit am Menschen so unterbewertet wird, werden wir nie einen respektvollen Umgang miteinander haben. Die Prioritätensetzung ist meines Erachtens komplett aus dem Lot.


Meine Motivation ging heute morgen winkend und lächelnd an mir vorbei


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#21

RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 26.10.2019 21:07
von Beowulf (gelöscht)
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Vielleicht sollten wir erst mal anfangen zu überlegen welche geellschaftlichen Veränderungen auf uns zukommen werden? Wie sieht die Arbeit der Zukunft aus, wenn die fortschreitende Globalisierung und Digitalisierung, die wie kein anderer technischer Fortschritt wohl kaum aufzuhalten sein wird?

Eine Welt mit selbstfahrenden Autos, Flugzeugen ohne Piloten, Schiffen ohne Besatzung, Fabriken ohne nennenswertes Personal, bis hin in medizinische Einrichtungen ohne Ärzte ecetera. Arbeit wird bis auf wenige Ausnahmen, hochkarätige Fachkräfte einfach nicht mehr notwendig sein. Millionen von Arbeitsplätzen werden einfach nicht mehr existent sein. Bezieht man die fortschreitende Ausbreitung der Menschheit ein, das vielleicht sogar Mond und Mars bevölkert werden, was sicher wie Science Fiction klingen mag, aber durchaus sogar im Bereich des technisch Möglichen liegt, ist das jetzige gesellschaftliche Modell der Arbeit sicher eines das ausläuft. Insofern wird es sicher immer wichtiger werden, Maschinen zu besteuern und in meinen Augen ein bedingungsloses Grundeinkommen unausweichlich und zwar Eines das nicht nur die Grundbedürfnisse deckt. Deswegen halte ich persönlich es für wichtig, das man dazu jetzt nicht nur die Weichen stellt, sondern das eben Politik den Wert der Nachhaltigkeit hier auch erkennt und jetzt handelt, statt wie die fortschrittfeindlichen Konservativen und Neoliberalen ihrer staatlich legitimierter Korruption namens Lobbyismus den Vorzug geben. Der jetzige Weg führt nämlich, auch angesichts der großen Umweltzerstörungen, dem menschengemachten Klimawandel eher in die Richtung Selbstauslöschung.

Steigende Mieten beispielsweise sind hausgemacht, alleine durch den Rückzug der Regierungsverantwortung aus dem sozialen Wohnungsbau (1990 noch 3 Mio jetzt ca. 1,2 Mio), der Privatisierung dessen durch Zuschüsse und einer Sozialbindung, die dann nach wenigen Jahren ausläuft, somit Sozialwohnungen dem Markt mehr entzieht als neu gebaut werden und damit den Druck auf Geringverdiener erhöht, weil diese dann "luxussaniert" werden und insgesamt mehr teure entstehen.
Hier wurden also mit dem Geld von Fördermitteln und dem Mietzins der Mieter langfristig teure Wohnobjekte finanziert und letztlich dem Wohnungsmarkt also jenen Mietern und Steuerzahlern entzogen, diese also enteignet. Was spricht also dagegen das auch bei den großen Wohnungsgesellschaften zu machen, die davon profitieren? Ich finde beispielsweise den Mietendeckel der in Berlin versucht wird, als ersten Schritt sehr gut...

Die nächste Frage die sich mir stellt ist, warum wir uns eine Armee leisten, die letztlich nie eine wirkliche Aufgabe hatte, also obsolet war, die den zweitgrößten Posten im Bundeshaushalt beansprucht und trotzdem mies ausgestattet ist?
Welche Grenzen wollen wir schützen, was hat die Bw. im Ausland verloren und wollen wir wirklich Weltpolizei spielen?
Finnland hat eine Grenze zu Russland, die ca. 1300 Km lang ist und kommt mit rund 1/10 der Staatsausgaben wie wir aus. Was könnte man mit den Mitteln, die übrig sind alles anfangen. Angefangen von der Bildung, die bei uns stark reformbedürftig ist, über die Infrastruktur, erneuerbare Energien, Breitbandausbau ecetera ecetera. Darum ist die soziale Frage auch immer eine, die Fragen mit Einsparpotential, einer Finanztraktionssteuer, einer Vermögens- oder Reichensteuer und der Schließung von Steuerschlupflöcher, sowie der von massiver Steuerverschwendung beinhaltet.

Alles Andere ist in meinen Augen Kratzen an der Oberfläche von Symptomen, wie es die Konservativen und Neoliberalen und da schließe ich Rot/Grün mit ein, seit Jahrzehnten verbrechen...


Marie von Ebner-Eschenbach:

Ein Urteil lässt sich widerlegen, aber niemals ein Vorurteil.
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#22

RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 26.10.2019 23:44
von Gelöschtes Mitglied
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Zitat von Findus im Beitrag #15
Der Gemischtwarenladen hat auch Vorteile. Er ermöglicht es, dass - wenn alles richtig läuft - jeder individuell auf seinen Bedarf zugeschnitten Unterstützung bekommt. In den Sozialgesetzbüchern stecken auch nicht nur finanzielle Leistungen, sondern auch Leistungen wie Krankengymnastik, Weiterbildung, Rehabilitation, Beratung usw.
Den Kanon der 12 SGB könnte ein BGE - Gesetz also nicht auflösen. Es würde vielmehr zu einem weiteren Gesetz, dass sämtliche finanziellen Leistungen regeln möchte.


Nein, Vorteile hat die jetzige Regelung nicht. Denn heute werden durchaus gleiche Sachtatbestände (beispiel Kindergeld und Kindergeld bei Hartz IV) unterschiedlich geregelt. Teilweise werden sogar nur ähnliche Warenkörbe zur Berechnung von sozialen Leistungen herangezogen, und die Fristen, wann diese Warenkörbe neu betrachtet werden, sind auch nicht einheitlich geregelt. DAS meine ich, wenn ich von Auräumen spreche.

Im Steuerrecht ist das Existenzminimum nochmals anders geregelt als im SGB - da sind Leistungen steuerlich absetzbar, und andere nicht.

Das Existenzminimum gehört aber einheitlich geregelt - und es ist kein Vorteil, dass die Definitionen dazu voneinander abweichen.

Inhaltlich würde sich durch das Zusammenziehen der Definitionen und durch das Vereinheitlichen von Anrechnungs- und Absetzmöglichkeiten gar nicht so arg viel verändern - aber immer wenn man beim Existenzminimum anlangen würde, wäre klar, dass man nicht nur die Rentner, oder die Arbeiter oder auch die Hartzer damit trifft, sondern dass es eben vom Grundsatz her eine einheitliche konsistente Sicht gäbe.


Zitat von Anthea im Beitrag #16
Glaubt denn wirklich jemand, dass ein bGE der Stein der Weisen sein würde? Aus meiner Sicht nur ein anderer Name für das Aufzeigen neuer alter Begehrlichkeiten. Denn eines wird es immer geben: Die Strebsamen und die Faulen, die Herren und die Untergebenen. Genug Zündstoff für den unausrottbaren Neid, das Anspruchsdenken und die Dummheit, die den Spruch: Warum nicht ich....zum Wahlspruch gemacht hat.


Bisher war der Ansatz stets, die faulen durch Druck und Strafe aus ihrer Trägheit zu reißen. Erfolg: höchst fragwürdig, diese Klientel gibt es noch immer.
Nebenwirkung: Hohe Bürokratiekosten und: Wegen ein paar Prozenten Faule werden sehr viele Redliche benachteiligt und drangsaliert.

Ich kann nicht erkennen, wie uns das die letzten 200 Jahre wirklich weiter gebracht hat.


Zitat von Beowulf im Beitrag #21
Eine Welt mit selbstfahrenden Autos, Flugzeugen ohne Piloten, Schiffen ohne Besatzung, Fabriken ohne nennenswertes Personal, bis hin in medizinische Einrichtungen ohne Ärzte ecetera. Arbeit wird bis auf wenige Ausnahmen, hochkarätige Fachkräfte einfach nicht mehr notwendig sein. Millionen von Arbeitsplätzen werden einfach nicht mehr existent sein. Bezieht man die fortschreitende Ausbreitung der Menschheit ein, das vielleicht sogar Mond und Mars bevölkert werden, was sicher wie Science Fiction klingen mag, aber durchaus sogar im Bereich des technisch Möglichen liegt, ist das jetzige gesellschaftliche Modell der Arbeit sicher eines das ausläuft. Insofern wird es sicher immer wichtiger werden, Maschinen zu besteuern und in meinen Augen ein bedingungsloses Grundeinkommen unausweichlich und zwar Eines das nicht nur die Grundbedürfnisse deckt. Deswegen halte ich persönlich es für wichtig, das man dazu jetzt nicht nur die Weichen stellt, sondern das eben Politik den Wert der Nachhaltigkeit hier auch erkennt und jetzt handelt, statt wie die fortschrittfeindlichen Konservativen und Neoliberalen ihrer staatlich legitimierter Korruption namens Lobbyismus den Vorzug geben. Der jetzige Weg führt nämlich, auch angesichts der großen Umweltzerstörungen, dem menschengemachten Klimawandel eher in die Richtung Selbstauslöschung.


Maschinen zu besteuern ist nicht notwendig - es reicht die Umsatzsteuer. Im Bereich der Sozialleistungen schlage ich vor, ähnlich zu verfahren, und eine Art Sozialumsatzumlage einzuführen, die die paritätische Finanzierung der Sozialversicherungssysteme sicherstellt - und zwar unabhängig von den Mitarbeitern, und abhängig zum Umsatz.


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#23

RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 27.10.2019 04:36
von Beowulf (gelöscht)
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Zitat von Atue im Beitrag #22

Maschinen zu besteuern ist nicht notwendig - es reicht die Umsatzsteuer. Im Bereich der Sozialleistungen schlage ich vor, ähnlich zu verfahren, und eine Art Sozialumsatzumlage einzuführen, die die paritätische Finanzierung der Sozialversicherungssysteme sicherstellt - und zwar unabhängig von den Mitarbeitern, und abhängig zum Umsatz.


Bitte sehe meine Aussage im Kontext, dann wird es nämlich angesichts der großen zu erwartenden Umbrüche sehr wohl notwendig Maschinen und sicher auch Vermögen zu besteuern, denn Arbeit ist dann nicht mehr im ausreichenden Maße vorhanden. Die Umsatzsteuer ist perse eine der ungerechtesten Steuern, da sie ein durchlaufender Posten im betrieblichen Kostenablauf ist und letztlich nur den Endverbraucher trifft und die Ärmeren im höheren Maße, als die Begüteteren. Genauso würde Deine "Sozialumsatzumlage" lediglich die Preise erhöhen. Auch das wäre lediglich ein Kratzen an der Oberfläche und natürlich eine weitere Umverteilung von "unten nach oben", wo es doch darum geht soziale Gerechtigkeit wieder herzustellen, bzw. zu verhindern, das sich die Situation der sozialen Ungerechtigkeit noch mehr verschärft, denn das fördert Populismus und Unzufriedenheit.

Ich finde übrigens, ganz allgemein ausgedrückt und ja hier auch diskutiert, die Unterstellung das es "Faule" überproportional bei H4-Beziehern geben soll und das es dagegen Sanktionen geben "muß", pervertiert. Menschen aufgrund dieser Pauschalunterstellung, die nichts anderes als medial geförderte Vorurteile darstellen, das Existenzminimum zu verweigern, teilweise sogar in die Obdachlosigkeit zu zwingen oder sogar hungern zu lassen oder sogar von Amts wegen zur Tafel, einer privaten Initiative, zu schicken ist mehr als nur pervers. Zumal wir uns hoffentlich einig sind, das kein Staat das Recht besitzt seine soziale Verantwortung auf Private und Ehrenamtler abzuwälzen. So sinnvoll ich die Arbeit der Tafel ansehe und so sehr ich diese respektiere, für den deutschen Staat ist deren pure Existenz in meinen Augen eine Schande und ein absolutes Armutszeugnis.

Auch sehe ich keine überbordende und aufgeblähte Verwaltung beim BGE, wie hier schon mal angeklungen, sondern eher ein Abbau derselben. Denn wenn es ein BGE gäbe könnte man eher an Verwaltung sparen. Die Verwaltung von prekären Jobs was Aufstockung angeht bspw., die komplette H4 Verwaltung und auch die im Rentenbereich würde wegfallen. Meiner Meinung nach wäre ein BGE in Höhe von 1200 €, Stand heute, angemessen. Das BGE könnte man ja erst ab dem 21. Lebensjahr vollständig zur Verfügung stellen und vorher auf die Hälfte reduzieren, es sei denn das Kind würde vorher aus dem Elternhaus ausziehen. Ich würde dann gleichzeitig einen Steuersatz von mindestens 50 % erheben, wie gesagt die Bundeswehr drastisch reduzieren und langfristig abschaffen, genauso wie die H4-Gesetzgebung, eine Reichensteuer erheben und eine Maschinensteuer einführen, sowie natürlich Großunternehmen in Höhe ihrer hier generierten Umsätze veranlagen. Auch würde ich das Kartellrecht verschärfen und der Behörde größere Befugnisse erteilen, damit asoziale und verbrecherisch agierende Unternehmungen wie Blackrock bspw. endlich mal das Handwerk gelegt werden. Auch würde ich mehr Steuerfahnder einstellen, damit Steueroasen wie BW und Bayern endlich mal ausgetrocknet würden.

Mit all den Maßnahmen wäre eine Gegenfinanzierung sehr wahrscheinlich, (müßte man mal genauer prüfen lassen) und letztlich auch eine gerechtere und sozialere Gesellschaft. Dafür muß aber endlich mal eine kompetentere, sozialere und vor allem weniger korrumpierbarere Regierung installiert also gewählt werden. Wenn weiterhin ein neoliberalerer und konservativer Kurs gewählt wird, wird die Gesellschaft nicht nur in Deutschland, massiv vor die Wand fahren. Das Ergebnis dieses seit dem Kohl-Regime und seiner Komplizen geführten Weg ist nicht nur, das kein einziges gesellschaftliche Problem gelöst wurde, sondern noch massiv verschärft, sondern das durch den dadurch immer verschärfter auftretenden Rechtspopulismus, die Demokratie ins Wanken gerät, das die Unzufriedenheit wächst und auch das durch den immer stärker auftretenden Klimawandel sogar die gesamte Menschheit in Gefahr gerät.

Vielleicht wird es für meine Generation nicht ganz so arg, für die nachfolgenden aber auf jeden Fall immer schlimmer. Ich persönlich sehe daher keine großen realistischen Alternativen zu meinen Schlußfolgerungen und Forderungen, denn die Herausforderungen werden größer, dann sollten die Maßnahmen auch dementsprechend ausfallen, statt sie immer nur vorsichherzuschieben oder zu ignorieren.


Marie von Ebner-Eschenbach:

Ein Urteil lässt sich widerlegen, aber niemals ein Vorurteil.
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#24

RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 27.10.2019 12:19
von Meridian | 2.860 Beiträge

@Atue

Ich finde deinen Übergangsvorschlag zum BGE, erst einmal die aktuellen verschiedenen sozialen Unterstützungsmöglichkeiten zu vereinheitlichen, interessant.

Da kann man schon alleine mit der Zuverdienstregelung beginnen, die bei ALG1 und ALG2 unterschiedlich ist. ALG2 und Grundsicherung gehören gleichgesetzt. Auch die Kindergeldregelung gehört gleichgesetzt, egal ob unter Arbeit oder unter ALG1 oder 2. Man könnte das Ganze basierend auf die Grundsicherung modulhaft aufbauen. ALG1 wäre z.B. Grundsicherung mit einem weiteren Zuschlag, so dass der Gesamtbeitrag der Höhe des jetzigen ALG1 entspricht.

Ansonsten zu meiner BGE-Idee:

Die Befürchtung, dass mit einem BGE viele Leute nicht mehr arbeiten, ist nunmal da. Man kann ja als Übergang einen Anreiz schaffen. @Beowulf hat ja auch den Vorschlag gemacht, dass das BGE bei 50% liegen soll, solange man noch nicht erwachsen ist. Hier meine Idee, die Kindergeld, Grundgehalt und Rente vereinen würde:

Mit der Geburt erhält jedes Kind 400€. 500€ werden es mit der Einschulung, 600€, wenn es in die 5. Klasse kommt (auch in Berlin und Brandenburg, wo die Grundschule bis zur 6. Klasse geht), 700€ werden es mit einem Schulabschluss (für Gymnasiasten mit dem Erreichen der Mittleren Reife), und ab 18 Jahren 800€.

800€ ist natürlich zu wenig. Aber der Anreiz ist, dass das BGE sich steigert, wenn man arbeitet. Pro 3 Monate Vollzeit soll es jeweils um 10€ steigen, also pro Jahr um 40€, pro Dekade um 400€. Dann hätte man nach 10 Jahren 1200€ BGE. Und man kann es natürlich weiter steigern, wenn man eine ordentliche Rente haben will. Es steht aber jedem frei, einen Teil des zusätzlichen Gehaltes in eine private Vorsorge zu stecken. Man könnte es Ruhegeld nennen. Denn es muss ja nicht nur zur Rente ausgezahlt werden, denn ein Renteneintrittalter würde es per se nicht mehr geben. Überhaupt ist man in seiner Lebenseinteilung viel freier. Wer sich um Kinder kümmern möchte, kann sein Ruhegeld sich auch in einer Zeit auszahlen lassen, wenn er eine Arbeitspause einlegen möchte, um sich um die Kinder zu kümmern.

Gerade weil das BGE anfangs zu gering sein würde, muss natürlich ein Mindestlohn beim Zusatzverdienst her, denn ansonsten droht eine schlimmere Ausbeutung denn je nach dem Motto "800€ kriegste ja schon vom Staat, dann reicht ja ein Lohn von 2,50€ / h", um dann am Ende nicht besser dazustehen als unter dem heutigen Mindestlohn ohne BGE.

Mit ist klar, dass in der Zukunft 10 Jahre Arbeit immer schwieriger sein werden aufgrund der Automatisierung. Da kann man die Dynamik des BGE entsprechend anpassen, z.B., dass sich die BGE-Steigerung in den ersten 5 Jahren Vollzeitarbeit verdoppelt, so dass schon danach ein BGE von 1200€ erreicht wird. Oder noch schneller. oder beginnen mit einem höheren BGE-Satz ab 18 Jahren (s.u.).

Außerdem sollte nicht nur die reguläre Arbeit als Arbeitszeit zum BGE zählen, sondern auch Lehrjahre (also berufsbegleitende Ausbildung), Praktika (auch beim Studium, wenn sie berufsbegleitend sind), Weiterbildungen und ehrenamtliche Tätigkeiten. Letztere werden zwar nicht bezahlt, aber wenigstens würden sie zur Steigerung des BGE beitragen.

Die 800€ sind von mir jetzt willkürlich gewählt. Man kann auch mit 1000€ als Erwachsener beginnen, wenn man z.B. weitere 100€ mit Erreichen des 14. Lebensjahres und 200€ für den Schulabschluss nimmt. Den Schulabschluss halte ich für wichtig. Wer ihn nicht macht, sollte dieses Geld nicht bekommen. Die ganzen Zahlen sind jetzt ohne inflationäre Anpassung. Die soll natürlich auch mit einer jährlichen Anpassung enthalten sein.

Ist die Zeit reif, kann man das BGE dann auch von vorn herein kostendeckend machen. Dann kann der Mindestlohn wegfallen, denn wer zu schlecht bezahlt, der wird keine Mitarbeiter mehr finden. Und im Netz, wo jeder Betrieb bewertet wird, spricht sich sowas schnell herum, ebenso, wenn der Chef cholerisch ist oder wo Mobbing im Betrieb verbreitet ist. Solche Betriebe werden immer mehr Probleme haben, Mitarbeiter zu bekommen, es sei denn, sie ändern sich zum Postitiven.

Überhaupt sehe ich bei einem BGE die Chance, dass auch das Wirtschafts- und Arbeitsleben demokratisiert wird. Denn gerade in der Wirtschaft herrscht nach politischen Maßstäben immer noch eine Diktatur. Dem Gründer eines Betriebes, der sein ganzes Herzblut hineingesteckt hat, würde ich den Chefposten auf Lebenszeit gönnen oder solange er will, aber es soll nicht mehr automatisch der Sohn oder der von ihm bestimmte Nachfolger werden. Der Nachfolger sollte vielmehr von den Mitarbeitern gewählt werden. (Ein Bsp. sind übrigens die Berliner Philharmoniker, die als einziges weltberühmtes Orchester ihren Dirigenten selber wählen. Und das durch eine Revolte seit 1882.)

Solange das BGE nicht kostendeckend ist, soll es natürlich Härtefallregelungen geben, und wer zuerst studieren möchte und das BGE nicht reicht, kann weiterhin ein zusätzliches Bafög beantragen.


Die äußere Welt ist der Spiegel deines Inneren.
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#25

RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 27.10.2019 13:44
von Anthea | 12.406 Beiträge

Alle Wege führen zum bedingungslosen Grundeinkommen?
Vor ca. 2 1/4 Jahr wurde dieses Modell ausführlich besprochen:
Das bedingungslose Grundeinkommen – bGE
Ich finde, dass neue Erkenntnisse oder Modelle dort besser aufgehoben wären als hier?

Denn es gibt doch noch mehr soziale Themen? Wenn ja, welche sind vordringlich zu be-/verhandeln?
Und was ist eigentlich "soziale Gerechtigkeit"?
Hier finde ich, dass dieser Begriff oftmals missverstanden wird und eine Art von "Gleichmacherei" meint.
"Alle sollen besser leben" war der Werbeslogan einer Ausstellung, wenn ich mich recht erinnere. Begehrlichkeiten werden geweckt. Aber Menschen sind nicht gleich, auf keinem Gebiet. So ist überzogenes Anspruchdenken fehl am Platz. Man denke z.B. an die Peter-Leiter, die nicht ein jeder in gleicher Höhe erklimmen kann.
"Im Rahmen seiner/ihrer Möglichkeiten" muss es beispielsweise heißen, wenn es um "Dotierungen" geht.
Jeder kennt die Argumentation von Arbeitnehmern, die sich über die Bezüge des "Chefs" mokieren, wo doch sie selbst die Arbeit tun,

"„Es ist ein Gebot der Gerechtigkeit, allen die Chance zu geben, ihre Talente zu entwickeln und durch Leistung sozialen Aufstieg zu erreichen.“ Dies sagte Horst Köhler

Ich finde, dass diese Chance für alle vorhanden ist.

Ist Peer Steinbrück unsozial? Meinte er doch schließlich:

„Soziale Gerechtigkeit muss künftig heißen,eine Politik für jene zu machen, die etwas für die Zukunft unseres Landes tun: die lernen und sich qualifizieren, die arbeiten, die Kinder bekommen und erziehen, die etwas unternehmen und Arbeitsplätze schaffen, kurzum, die Leistung für sich und unsere Gesellschaft erbringen. Um die – und nur um sie – muss sich Politik kümmern.“


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Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.
Mahatma Gandhi


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#26

RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 27.10.2019 15:37
von Meridian | 2.860 Beiträge

Na und? Ich halte mein Modell auch jetzt durchaus für eine Möglichkeit, ein BGE einzuführen und zugleich Befürchtungen entgegen zu treten, dass mit einem von Angang an genügendem BGE viele nicht arbeiten. Muss immer ein neues Modell her? Veralten Modelle heutzutage noch schneller als Smartphones oder Laptops? Ist aber typisch für das heutige Zeitalter, in dem immer alles schneller und noch schneller gehen muss! Genau das ist aber unser Grundproblem in Europa und der Westlichen Welt. Und die Chinesen machen es nach und toppen es dabei noch.

Zur Maschinensteuer oder Mehrwertsteuer: Eine reine Maschinensteuer kann durchaus verfassungswidrig sein. Eher würde ich eine Produktionssteuer einführen. Betriebe mit hauptsächlich maschinell gefertigter Massenware müssen halt eben mehr zahlen. Dafür sollten die Sozialabgaben für Unternehmen reduziert oder gestrichen werden, damit der Unterschied zw. Netto und Brutto geringer wird. Allerdings würden bei einem BGE generell Unternehmen entlastet, weil sie sowieso geringere Gehälter auszahlen müssen.


Die äußere Welt ist der Spiegel deines Inneren.
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#27

RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 27.10.2019 21:00
von kuschelgorilla | 3.292 Beiträge

Zitat von Anthea im Beitrag #25
Alle Wege führen zum bedingungslosen Grundeinkommen?
Vor ca. 2 1/4 Jahr wurde dieses Modell ausführlich besprochen:
Das bedingungslose Grundeinkommen – bGE
Ich finde, dass neue Erkenntnisse oder Modelle dort besser aufgehoben wären als hier?


Vielleicht! Aber im Grunde geht es doch dabei um soziale Themen. Wenn man über das BGE spricht, muss man sich schließlich mit der Gesellschaft und ihren Herausforderungen auseinandersetzen.

Zitat von Anthea im Beitrag #25
Denn es gibt doch noch mehr soziale Themen? Wenn ja, welche sind vordringlich zu be-/verhandeln?
Und was ist eigentlich "soziale Gerechtigkeit"?
Hier finde ich, dass dieser Begriff oftmals missverstanden wird und eine Art von "Gleichmacherei" meint.


Gleichmacherei? Wer das BGE als Gleichmacherei zu definieren versucht, weiß schlichtweg nicht, worum es geht.
Aber was sind denn die Themen, bei denen uns der Schuh drückt. Die Versorgung im medizinischen Sektor wie auch die Versorgung der Senioren wurden bereits angesprochen. Ebenso die Perspektive, dass künftig durch die Automatisierung viele Arbeitsplätze wegfallen werden. In diesem Zuge wurde auch schon eine gerechtere Aufteilung der Arbeit angesprochen, was aber nur funktionieren kann, wenn eine generelle Grundsicherung besteht, auf die man durch einen Verdienst aufsatteln kann. Ohne Grundsicherung wären dann alle nur "Geringverdiener"...

Aber du kannst auch gerne noch weitere Bereiche ansprechen, wo dir der Schuh drückt.

Zitat von Anthea im Beitrag #25
"Alle sollen besser leben" war der Werbeslogan einer Ausstellung, wenn ich mich recht erinnere. Begehrlichkeiten werden geweckt. Aber Menschen sind nicht gleich, auf keinem Gebiet. So ist überzogenes Anspruchdenken fehl am Platz. Man denke z.B. an die Peter-Leiter, die nicht ein jeder in gleicher Höhe erklimmen kann.
"Im Rahmen seiner/ihrer Möglichkeiten" muss es beispielsweise heißen, wenn es um "Dotierungen" geht.
Jeder kennt die Argumentation von Arbeitnehmern, die sich über die Bezüge des "Chefs" mokieren, wo doch sie selbst die Arbeit tun,

"„Es ist ein Gebot der Gerechtigkeit, allen die Chance zu geben, ihre Talente zu entwickeln und durch Leistung sozialen Aufstieg zu erreichen.“ Dies sagte Horst Köhler

Ich finde, dass diese Chance für alle vorhanden ist.


Wenn man sich die verschiedensten Studien aus der Sozialwissenschaft genauer ansieht, wird man feststellen, dass dem nicht so ist. Ich denke da zum Beispiel an Studien zur Bildung und Erziehung. Sicher wird es immer Unterschiede zwischen den Menschen geben und diese werden sich auch im Werdegang widerspiegeln. Dennoch ist vom System her eine Chancengleichheit nicht gegeben.

Zitat von Anthea im Beitrag #25
Ist Peer Steinbrück unsozial? Meinte er doch schließlich:


Meine Meinung: Ja!

Zitat von Anthea im Beitrag #25
„Soziale Gerechtigkeit muss künftig heißen,eine Politik für jene zu machen, die etwas für die Zukunft unseres Landes tun: die lernen und sich qualifizieren, die arbeiten, die Kinder bekommen und erziehen, die etwas unternehmen und Arbeitsplätze schaffen, kurzum, die Leistung für sich und unsere Gesellschaft erbringen. Um die – und nur um sie – muss sich Politik kümmern.“



Da kommen wir schon zu den zentralen Fragen, sprich den Werten, die mit einer sozialen Gerechtigkeit verknüpft sind. Wenn wir uns nur über Arbeit und Leistung definieren und diese zum Wohl der Gesellschaft dient, statt dem Individuum, dann muss ich sagen, dass hier das System krank ist. Der Gesellschaft kann es nicht gut gehen, wenn die Individuen, also die Einzelteile der Gesellschaft, keine wirkliche Berücksichtigung finden. Die Gesellschaft und die Individuen sind unweigerlich miteinander verbunden und müssen sich gegenseitig voran bringen. Welche Werte sind denn über Arbeit und Leistung hinaus wichtig? Meines Erachtens gibt es da schon eine ganze Menge. (Sozial)Neid gehört meines Erachtens aber nicht dazu, genauso wenig wie Hass, Argwohn,... Mal ganz konkret auf das Zitat bezogen: Ein nicht leistungsfähiger Mensch, der weder für sich noch für die Gesellschaft einen Beitrag leisten kann - Menschen mit Behinderungen, Senioren, ... können das zum Beispiel sein - wäre es also nicht wert, dass man Politik für sie macht. Da braucht es einen nicht zu verwundern, dass Senioren verarmen und dass für diese Menschen auch keine adäquate Versorgung geleistet wird. Damit verstehst du vielleicht auch, warum ich oben mit JA geantwortet habe. Mit so einer Aussage, treibt Peer Steinbrück einen Keil in die Gesellschaft und hetzt Menschen gegeneinander auf. Die Hartzerei ist genau das gleiche Kaliber. Das empfinde ich nicht nur als unsozial, sondern als asozial - im Sinne von anti-sozial.

"Diejenigen, die zu klug sind, um sich in der Politik zu engagieren, werden dadurch bestraft werden, daß sie von Leuten regiert werden, die dümmer sind als sie selbst." Platon


Meine Motivation ging heute morgen winkend und lächelnd an mir vorbei


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#28

RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 28.10.2019 00:04
von Gelöschtes Mitglied
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Ich habe mich einige Zeit mit den Themen rund um soziale Gerechtigkeit beschäftigt. Irgendwann einmal habe ich mir die Frage gestellt, was denn eigentlich soziale Gerechtigkeit an und für sich bedeutet?

Eine finale abschließende Antwort darauf habe ich nicht gefunden - jedenfalls keine, die mit dem Ansatz funktioniert, dass ich jeden Menschen auch als Individuum wahrnehmen will, und ihn ganz individuell mit seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten sehen will.

Für mich habe ich aber Näherungen gefunden, wie ich soziale Gerechtigkeit in einem Staat vernünftig untergebracht sehe:

1) WAS soziale Gerechtigkeit bedeutet, interpretiert die Gemeinschaft der Bürger in einem Staat immer wieder neu. In einer Demokratie werden dafür Wahlen angesetzt, die zu Mehrheitsbildungen führen.
2) Ein entscheidender Punkt ist, dass die Finanzierung von sozialen Wohltaten und die Besteuerung von Bürgern zwei getrennte Aufgabenstellungen sind. Soziale Wohltaten sind Bestandteil der Staatsausgaben, die Besteuerung ist Bestandteil der Staatseinnahmen. Beide Aufgabenstellungen zu vermischen, führt tendenziell zu undurchschaubarem Mischmasch, und damit auch zu weniger Gerechtigkeit.
3) Eine faire Besteuerung orientiert sich am Vermögen der Bürger. Weder das Einkommen noch der Konsum können dazu verhelfen, dass in einem Wirtschaftssystem wie wir es haben, und einem Geldsystem wie wir es haben, die Vermögensakkumulation über längere Zeitreihen verhindert werden kann. Deshalb sollte sich die Staatsfinanzierung (Einnahmeseite des Staates) am Vermögen ausrichten.
Das bedeutet nicht, dass es ausschließlich und nur noch eine Vermögenssteuer geben muss - im Mittel muss die Einnahmeseite des Staates lediglich sicherstellen, dass es sich bei der Staatsfinanzierung ungefähr so verhält, wie wenn es nur eine reine Vermögenssteuer gäbe.
In einem idealen Staat würde eine reine Vermögenssteuer ausreichen, um die Staatsfinanzierung sicher zu stellen. In Deutschland läge diese beispielhaft bei knapp unter 10%. Und obwohl man zeigen kann, dass weit mehr als 90% der Bürger von einem solchen Staatsfinanzierungssystem profitieren würden - und auch viele Firmen davon profitieren würden - derzeit ist ein solcher Ansatz auch mittelfristig nicht mehrheitsfähig.

Bei der Ausgabenseite im Bereich Soziales wäre es gerecht, wenn man ein System hätte, welches das Thema Existenzgrundsicherung einheitlich organisiert. Diese erste Säule eines Sozialsystems würde aber sehr schnell die Themen:
- Wohnung
- Energie
- Essen
- Absicherung gegen Krankheit und Pflege
- Absicherung gegen Fehlverhalten (Haftpflicht)
- minimalistische Teilhabe an Kultur und sozialem Leben

erschließen.

Ein solches Paket hat HEUTE einen Wert von ca. 1200-1500€ - je nach Berechnungsmodus.
Tatsächlich wäre ich sogar dafür, dass man diese Existenzgrundsicherung weitestgehend bedingungslos bezahlt - und durchaus auch für Kinder. Allerdings sollte im Gegenzug auch die Subventionitis für Kinder, Familien und Rentner weitestgehend eingestellt werden. Das bedeutet auch, dass beispielsweise Kindergärten wieder etwas kosten, dass der (verpflichtende) Schulbesuch etwas kostet, und dass die Förderung beim Studium deutlich runter gefahren wird - weil auch das Studium was kostet. Bei einem BGE von 1.500€ für jeden ist das auch völlig in Ordnung und auch finanzierbar.

Wer bis hierhin durchgehalten hat, sollte kurz durchschnaufen! Denn die Gesellschaft, die sich daraus insgesamt ergibt, ist eine andere als die, die wir heute haben! Man sollte die Detaileffekte nicht unterschätzen - richtig große Firmen beispielsweise hätten es in einer solchen Gesellschaft schwerer - Mittelstandsfirmen mit typischerweise Genossenschaftscharakter hätten es leichter.
Superreiche würden in der Tendenz viel mehr zur Staatsfinanzierung beitragen müssen - aber der Mittelstand würde massiv an finanziellen Freiräumen gewinnen.
Junge Menschen könnten viel schneller zu einem beträchtlichen Vermögen kommen - aber es wäre schwerer, dieses Vermögen dauerhaft zu halten.

Kindergärten und Schulen könnten sich differenzieren - wenn Eltern mehr als der Durchschnitt bezahlen, sind kleinere Klassen finanzierbar.

Wäre das alles sozial gerecht? Ich denke schon - aber nicht im Sinne von Gleichmacherei, sondern im Sinne von Individualität und Engagement, welches (implizit) gefördert würde.


Soweit meine groben Vorstellungen......


Noch ein paar Punkte:
In einigen Beiträgen hier wird berichtet, dass die Sorge besteht, dass die Arbeitsplätze ausgehen. Ich halte das für übertrieben. Tatsächlich gab es in Deutschland noch nie so viele Arbeitsplätze wie heute - obwohl (!) wir seit vielen Jahrhunderten hart daran arbeiten, zu rationalisieren, was das Zeug hält. Nur - so schnell kommen wir mit dem Rationalisieren gar nicht nach, wie neue Arbeitsplätze entstehen.
Da fehlen mal schnell einige Zehntausende Lehrkräfte, dort fehlen 60.000 Pflegekräfte, dann haben wir fehlende Ärzte, Taxifahrer gehen uns aus, Busfahrer werden Mangelware, für den Wald brauchen wir mehrere zehntausende neue Helfer, die beim Klimawandel mithelfen einen modernen Mischwald hin zu bekommen, Jäger fehlen, und in Restaurants spricht man schon vom Restaurantsterben, weil einfach keine Servicekräfte mehr am Wochenende und Abends arbeiten wollen.....

Mag sein, dass wir einige Millionen Arbeitsplätze verlieren, die wir heute noch kennen - aber für die Kontrolle der Produktionsprozesse brauchen wir mehr Lebensmittelkontrolleure, Bauer und Schlachter sind Berufe mit Mangel, und wer mal einen Handwerker für kleinere Tätigkeiten sucht, der weiß auch wovon ich spreche.....
Priester sind Mangelware, Polizisten auch, Lehrer.....Pädagogen.....Erzieher.......wir automatisieren ja nicht nur, wir erhöhen auch beständig unsere Ansprüche an Professionalität! Weil das so ist, brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Arbeiter, die professionell tätig werden.


Früher gab es eine klare Rollenverteilung. Der Mann hat für das Einkommen gesorgt, die Frau hat sich erst um die Kinder, und dann um die Pflege von Eltern und Schwiegereltern gekümmert. Ob das gut oder schlecht lief.....wen kümmerts.

Wenn wir aber von einer gerechten Rollenverteilung ausgehen - dann sind Männer und Frauen gleichberechtigt - und Kinder haben Anspruch auf Förderung im Kindergarten nach neuesten pädagogischen Grundsätzen, und in der Schule entsprechend, und auch noch bezüglich Sport.....da will niemand mehr den Freizeittrainer......etc. etc. etc.....

Alle Bereiche des Lebens werden professionalisiert - und das geht nur mit MEHR Arbeit, nicht mit weniger.
Und weiter: Im Bereich der menschlichen Dienstleistungen bedeutet MEHR ZEIT ein Qualitätsmerkmal - Rationalisierung ist in diesen Jobs per se extrem kontraproduktiv.

Nein - die Idee, dass uns die Arbeit ausgeht - die ist falsch.

Richtig ist aber: Die Wertschöpfung wird sich mehr und mehr auf die Bereiche konzentrieren, die Mutter Natur per se bedient - also mehr Energienutzung.

Fazit:
Ein moderner Staat ist zukünftig eine Demokratie, in der die Staatsfinanzierung sich Anteilig am Vermögen orientiert, und die Staatsausgaben gemeinschaftlich demokratisch vereinbart werden.
Individualismus spielt eine starke Rolle - der soziale Ausgleich wird über ein modernes Konzept der Grundsicherung ermöglicht. Dieses Konzept orientiert sich zu wesentlichen Teilen an dem, was heute die Bewegung rund um das BGE vorschlägt.

Wer aber meint, dass eine solche BGE-Gesellschaft ein Paradies für Faulenzer und Möchtegern-Wichtigtuer ist - der irrt gewaltig! Profitieren werden vor allem Menschen, die sich bereitwillig engagieren!


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#29

RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 28.10.2019 18:31
von Beowulf (gelöscht)
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Zitat von Atue im Beitrag #28

Noch ein paar Punkte:
In einigen Beiträgen hier wird berichtet, dass die Sorge besteht, dass die Arbeitsplätze ausgehen. Ich halte das für übertrieben. Tatsächlich gab es in Deutschland noch nie so viele Arbeitsplätze wie heute - obwohl (!) wir seit vielen Jahrhunderten hart daran arbeiten, zu rationalisieren, was das Zeug hält. Nur - so schnell kommen wir mit dem Rationalisieren gar nicht nach, wie neue Arbeitsplätze entstehen.
Da fehlen mal schnell einige Zehntausende Lehrkräfte, dort fehlen 60.000 Pflegekräfte, dann haben wir fehlende Ärzte, Taxifahrer gehen uns aus, Busfahrer werden Mangelware, für den Wald brauchen wir mehrere zehntausende neue Helfer, die beim Klimawandel mithelfen einen modernen Mischwald hin zu bekommen, Jäger fehlen, und in Restaurants spricht man schon vom Restaurantsterben, weil einfach keine Servicekräfte mehr am Wochenende und Abends arbeiten wollen.....

Mag sein, dass wir einige Millionen Arbeitsplätze verlieren, die wir heute noch kennen - aber für die Kontrolle der Produktionsprozesse brauchen wir mehr Lebensmittelkontrolleure, Bauer und Schlachter sind Berufe mit Mangel, und wer mal einen Handwerker für kleinere Tätigkeiten sucht, der weiß auch wovon ich spreche.....
Priester sind Mangelware, Polizisten auch, Lehrer.....Pädagogen.....Erzieher.......wir automatisieren ja nicht nur, wir erhöhen auch beständig unsere Ansprüche an Professionalität! Weil das so ist, brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Arbeiter, die professionell tätig werden.


Früher gab es eine klare Rollenverteilung. Der Mann hat für das Einkommen gesorgt, die Frau hat sich erst um die Kinder, und dann um die Pflege von Eltern und Schwiegereltern gekümmert. Ob das gut oder schlecht lief.....wen kümmerts.

Wenn wir aber von einer gerechten Rollenverteilung ausgehen - dann sind Männer und Frauen gleichberechtigt - und Kinder haben Anspruch auf Förderung im Kindergarten nach neuesten pädagogischen Grundsätzen, und in der Schule entsprechend, und auch noch bezüglich Sport.....da will niemand mehr den Freizeittrainer......etc. etc. etc.....

Alle Bereiche des Lebens werden professionalisiert - und das geht nur mit MEHR Arbeit, nicht mit weniger.
Und weiter: Im Bereich der menschlichen Dienstleistungen bedeutet MEHR ZEIT ein Qualitätsmerkmal - Rationalisierung ist in diesen Jobs per se extrem kontraproduktiv.

Nein - die Idee, dass uns die Arbeit ausgeht - die ist falsch.

Richtig ist aber: Die Wertschöpfung wird sich mehr und mehr auf die Bereiche konzentrieren, die Mutter Natur per se bedient - also mehr Energienutzung.

Fazit:
Ein moderner Staat ist zukünftig eine Demokratie, in der die Staatsfinanzierung sich Anteilig am Vermögen orientiert, und die Staatsausgaben gemeinschaftlich demokratisch vereinbart werden.
Individualismus spielt eine starke Rolle - der soziale Ausgleich wird über ein modernes Konzept der Grundsicherung ermöglicht. Dieses Konzept orientiert sich zu wesentlichen Teilen an dem, was heute die Bewegung rund um das BGE vorschlägt.

Wer aber meint, dass eine solche BGE-Gesellschaft ein Paradies für Faulenzer und Möchtegern-Wichtigtuer ist - der irrt gewaltig! Profitieren werden vor allem Menschen, die sich bereitwillig engagieren!



Zunächst einmal kann ich Dir bei vielen Punkten zustimmen, sowohl was das BGE insgesamt angeht, aber auch was teilweise im Einzelnen die soziale Gerechtigkeit ausmacht, wobei ich Dir massiv widerspreche, was den Punkt angeht das Bildung etwas kosten muß, denn Bildung ist eine Staatsaufgabe, die in seiner Verantwortung liegt und alleine was die Chancengleichheit angeht, nichts kosten darf. Kitas zähle ich persönlich dazu.

Was Deine obige Aussage über die Arbeit ansich angeht und die Schlußfolgerung, das sie nicht ausgeht, halte ich jedoch für eindimensional, schlichtweg viel zu kurz gesprungen und somit für falsch.
Es wird nicht "weniger Taxifahrer" geben, sondern gar keine mehr, auch werden Busfahrer, LKW-Fahrer, Schiffsbesatzungen. Piloten und Besatzung werden schlichtweg nicht mehr benötigt. Auch wird sich der Beruf des Arztes wandeln, Diagnoseprogramme werden exakter wissen was uns fehlt, wir werden vernetzter, die Gesundheitswerte werden zukünftig permanent überwacht und analysiert. Auch im Pflegebereich wird es Automatisierungen geben und sogar schon heute übernehmen Computer Lehraufgaben. Das komplette Berufsbild von heute wird sich wandeln, automatisiert und digitalisiert werden. Schaut man sich heute schon die technischen Möglichkeiten an, bedarf es nur wenig Phantasie wohin die Reise geht. Ob dann wirklich noch Metzger, Schlachter oder ob Handwerker ansich dann noch benötigt werden, ob mittels modifizierter 3 D-Drucker dann nicht auch ganze Häuser erstellt werden können, dürfte zumindest im Bereich des Möglichen liegen.

Es wird nur noch Spezialisten geben, die das ganze System am Laufenden halten, die Produktionsschritte überwachen und Lieferungen und den hier damit im Zusammenhang stehenden Prozeß beaufsichtigen. Auch im Bereich Forstwirtschaft gibt es bereits Maschinen, die innerhalb kürzester Zeit Bäume fällen, entasten und stapeln, die verladen können, das Ganze wird dann unbemannt geschehen. Warum sollte es hier nicht auch welche geben, die neue Bäume pflanzen und den Wuchs sogar optimieren zwecks einer automatisierten Überwachung? Ob der Beruf des Jägers wirklich so notwendig ist halte ich für fraglich, eher sollte es wohl so eine Art Ranger geben, aber Zehntausende bedarf es dagegen wohl kaum. Im Übrigen ist auch der Polizeiberuf einer der sicher sehr viel Digitalisierungspotential besitzt und auch die Lebensmittelkontrolle ist sicher effizienter und nachhaltiger, wenn sie dauerhaft und permanent passiert, was digital möglich wäre. Was die Servicekräfte im Gastrogewerbe angeht, gibt es hier sicher auch Lösungen, vom vollelektronischen Restaurant bis hin zu noch mehr Selbstbedienung. Alles längst keine Utopien mehr, sondern es gibt dafür längst schon kleine Ansätze. Schaut man sich die letzte industrielle Revolution an, sieht man deutlich, was bis heute aus den damaligen Ansätzen alles entstanden ist. Der technische Fortschritt geht Riesenschritte und hat so manches Berufsbild zerstört. Es mag sein, das es Fragmente daraus noch geben wird, aber die werden weder relevant sein, noch große gesellschaftliche Akzeptanz besitzen. Vermutlich reicht unsere Phantasie heute noch nicht einmal dafür aus, was noch alles kommen wird. Das wird auch nicht bedeuten, das es eine Art Gleichschaltung geben wird, denn gerade der Individualismus fördert ja diese Dinge, aber es wird uns noch transparenter, noch gleichgültiger machen gegenüber der individuellen Privatsphäre.

Insofern ist jeder Bereich davon betroffen und damit auch Einsparpotential massiv vorhanden. Es mag sein, das auch neue Berufe geschaffen werden, gerade im IT-Bereich, aber die werden bei Weitem nicht die ersetzen die eingespart werden, das ist Fakt und keineswegs "übertrieben". Ergo: Hier nur auf eine Besteuerung von Vermögen und Arbeit zu setzen ist somit sogar fahrlässig und kurzsichtig.


Marie von Ebner-Eschenbach:

Ein Urteil lässt sich widerlegen, aber niemals ein Vorurteil.


zuletzt bearbeitet 28.10.2019 18:37 | nach oben springen

#30

RE: Wann reden wir endlich wieder über soziale Themen und Soziale Gerechtigkeit?

in Alles rd. um Familie, Jugend, Kriminalität, Gesetze, Sozialstaat uvm 29.10.2019 00:15
von Gelöschtes Mitglied
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Zitat von Beowulf im Beitrag #29
Zunächst einmal kann ich Dir bei vielen Punkten zustimmen, sowohl was das BGE insgesamt angeht, aber auch was teilweise im Einzelnen die soziale Gerechtigkeit ausmacht, wobei ich Dir massiv widerspreche, was den Punkt angeht das Bildung etwas kosten muß, denn Bildung ist eine Staatsaufgabe, die in seiner Verantwortung liegt und alleine was die Chancengleichheit angeht, nichts kosten darf. Kitas zähle ich persönlich dazu.


Ich denke, wir sind uns sehr schnell einig, dass Bildung nicht nur etwas kostet, sondern sogar etwas kosten darf!

Gesamtgesellschaftlich ist doch klar, dass die Kosten für Bildung aufgebracht werden müssen - und ich bin durchaus auch dabei, dass dies eine Gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein kann und sein sollte.

Was du missverstanden hast ist, dass ich lediglich vorschlage, den Verrechnungsmodus zu ändern!
HEUTE zahlt die Gesellschaft für Bildung, und zwar auch dann, wenn die betroffenen Steuerzahler keine eigenen Kinder mehr haben.

Mein Vorschlag war lediglich, dass man diese Form der Subventionierung reduziert, dafür aber auch den Kindern ein BGE in gleicher Höhe wie den Erwachsenen zukommen lässt. Denn Kinder haben zwar weniger Bedarf an Nahrung, Kleidung und Wohung oder Energie - dafür aber einen höheren Bedarf an Bildung.

Wenn du das heute anschaust, dann bekommen Kinder für das Existenzminimum nur 5004€, während man Erwachsenen für das Existenzminimum bei Ehepaaren mit 15.540€ angibt. Würde man auch Kindern ein Existenzminimum von 7770€ je Jahr zukommen lassen, dann könnte im Gegenzug der Schulbesuch 2.766€ im Jahr kosten - und genau nichts würde sich ändern.

Also - finanziell nichts - aber im Bewußtsein schon! Denn heute ist Allgemeinwissen, dass die Allgemeinheit den Schulbesuch subventioniert - würde man es aber so organisieren, wie ich vorgeschlagen habe, dann wäre Allgemeinwissen, dass jeder von der Wiege bis zur Bahre eine vernünftige Absicherung des Existenzminimums bekommt - aber umgekehrt bei Kindern von diesem Existenzminimum auch der Schulbesuch mit 2.766€ im Jahr bezahlt werden muss.

Was würde sich bei Eltern verändern, wenn diese sich klar wären, dass ihre Kinder den Lehrern Monat für Monat für deren Leistung mehr als 230€ hinlegen?
Was würde sich bei den Lehrern verändern, wenn sie sich klar wären, dass die Kinder, die sie unterrichten, eigentlich ihre Kunden sind, die für ihre Leistung auch bezahlen?

Ob man Kindern aber ein BGE in gleicher Höhe wie Erwachsenen ausbezahlt - das ist auch eine politische Entscheidung - ich halte das nicht für entscheidend! Ich halte es aber für reizvoll, sich mal zu überlegen, was passiert, wenn man die Bildung der Kinder auf diesem Wege finanziert - und nicht mehr auf dem Wege, dass quasi der Staat als Finanzierer einspringt.....

Zitat
Was Deine obige Aussage über die Arbeit ansich angeht und die Schlußfolgerung, das sie nicht ausgeht, halte ich jedoch für eindimensional, schlichtweg viel zu kurz gesprungen und somit für falsch.Es wird nicht "weniger Taxifahrer" geben, sondern gar keine mehr, auch werden Busfahrer, LKW-Fahrer, Schiffsbesatzungen. Piloten und Besatzung werden schlichtweg nicht mehr benötigt. Auch wird sich der Beruf des Arztes wandeln, Diagnoseprogramme werden exakter wissen was uns fehlt, wir werden vernetzter, die Gesundheitswerte werden zukünftig permanent überwacht und analysiert. Auch im Pflegebereich wird es Automatisierungen geben und sogar schon heute übernehmen Computer Lehraufgaben. Das komplette Berufsbild von heute wird sich wandeln, automatisiert und digitalisiert werden. Schaut man sich heute schon die technischen Möglichkeiten an, bedarf es nur wenig Phantasie wohin die Reise geht. Ob dann wirklich noch Metzger, Schlachter oder ob Handwerker ansich dann noch benötigt werden, ob mittels modifizierter 3 D-Drucker dann nicht auch ganze Häuser erstellt werden können, dürfte zumindest im Bereich des Möglichen liegen. Es wird nur noch Spezialisten geben, die das ganze System am Laufenden halten, die Produktionsschritte überwachen und Lieferungen und den hier damit im Zusammenhang stehenden Prozeß beaufsichtigen. Auch im Bereich Forstwirtschaft gibt es bereits Maschinen, die innerhalb kürzester Zeit Bäume fällen, entasten und stapeln, die verladen können, das Ganze wird dann unbemannt geschehen. Warum sollte es hier nicht auch welche geben, die neue Bäume pflanzen und den Wuchs sogar optimieren zwecks einer automatisierten Überwachung? Ob der Beruf des Jägers wirklich so notwendig ist halte ich für fraglich, eher sollte es wohl so eine Art Ranger geben, aber Zehntausende bedarf es dagegen wohl kaum. Im Übrigen ist auch der Polizeiberuf einer der sicher sehr viel Digitalisierungspotential besitzt und auch die Lebensmittelkontrolle ist sicher effizienter und nachhaltiger, wenn sie dauerhaft und permanent passiert, was digital möglich wäre. Was die Servicekräfte im Gastrogewerbe angeht, gibt es hier sicher auch Lösungen, vom vollelektronischen Restaurant bis hin zu noch mehr Selbstbedienung. Alles längst keine Utopien mehr, sondern es gibt dafür längst schon kleine Ansätze. Schaut man sich die letzte industrielle Revolution an, sieht man deutlich, was bis heute aus den damaligen Ansätzen alles entstanden ist. Der technische Fortschritt geht Riesenschritte und hat so manches Berufsbild zerstört. Es mag sein, das es Fragmente daraus noch geben wird, aber die werden weder relevant sein, noch große gesellschaftliche Akzeptanz besitzen. Vermutlich reicht unsere Phantasie heute noch nicht einmal dafür aus, was noch alles kommen wird. Das wird auch nicht bedeuten, das es eine Art Gleichschaltung geben wird, denn gerade der Individualismus fördert ja diese Dinge, aber es wird uns noch transparenter, noch gleichgültiger machen gegenüber der individuellen Privatsphäre. Insofern ist jeder Bereich davon betroffen und damit auch Einsparpotential massiv vorhanden. Es mag sein, das auch neue Berufe geschaffen werden, gerade im IT-Bereich, aber die werden bei Weitem nicht die ersetzen die eingespart werden, das ist Fakt und keineswegs "übertrieben". Ergo: Hier nur auf eine Besteuerung von Vermögen und Arbeit zu setzen ist somit sogar fahrlässig und kurzsichtig.



FAKT ist was anderes!

Fakt ist, dass wir über solche Szenarien wenigstens seit 1980 Jahr für Jahr reden - und Jahr für Jahr werden tatsächlich auch Industrien und Handel und auch Dienstleistungen disruptiv oder sukzessive mit Rationalisierungen überhäuft - und FAKT ist, dass heute mehr Menschen in Deutschland arbeiten, als jemals zuvor.

Es ist zwingend notwendig, dass wir endlich auch IT-Technologien finden, die in der Lage sind, rechtliche Fragestellungen zu rationalisieren - denn die Menge an rechtlichen Fragestellungen nimmt Jahr für Jahr expotentiell zu! 'Wir können selbst mit noch so viel Rationalisierung über KI auch auf Jahrzehnte hinweg nicht ausreichend Rechtssichere Mitarbeiter bekommen! Noch nie war der Anteil an Rechtsfragestellungen in Unternehmen so hoch, wie er heute ist - auch deshalb ist der Bedarf an Mitarbeitern dort so hoch - und wenn endlich in 10 Jahren die ersten brauchbaren Anwendungen für Rechtsberatung in Unternehmen kommen - dann hilft das allenfalls den Arbeitskräftestau ein wenig abzumildern.

Rechtsfragestellungen werden immer komplexer und immer komplizierter - es gibt überhaupt nicht absehbar genügend menschliche Kräfte, um die Komplexität bewältigen zu können, die inzwischen entstanden ist - es braucht dringend KI-Programme dafür, und wirklich viel Arbeitslose Rechtsanwälte sind auch dann nicht zu erwarten!

Wir erleben eine dramatische Individualisierung der Gesellschaft! Auch im Bereich der Gesundheit brauchen wir noch immer jeden Arzt, den wir irgendwoher bekommen können. Wir stehen doch gerade erst am Anfang ernsthaft zu entdecken, dass die Medizin von Männern und Frauen eigentlich nicht einheitlich betrachtet werden darf - was, wenn sich die Medizin tatsächlich mal ernsthaft damit auseinandersetzt, dass Gesundheit etwas sehr individuelles ist.....dann braucht es für JEDEN Menschen mindestens (!) einen Experten, der ihm hilft, sich selbst zu optimieren....ohne KI geht das gar nicht!

Und auch der Förster.....der früher nur sicher gestellt hat, dass keine Wilderer in seinem Jagdgebiet tätig wurden.....bekommt beständig neue Aufgaben! Komplexe Bodenanalysen, Kenntnisse vom Wetter und den zu erwartenden Klimaveränderungen in seiner Region, Anpassungen des Waldbestandes auf die Zukunft, Anpassung des Tierbestandes von kleinsten Insekten bis zum Wildschwein auf das, was die Zukunft bringt....Erforschung der Mikrobiome und vieles vieles mehr.....

Das Wissen der Menschheit nimmt expotentiell zu - und zwar mindestens (!) so schnell wie die Entwicklung der Computer. Gerade weil wir deshalb auch die Bäume und die Tierwelt und die Fauna und Flora mehr und mehr individuell entwickeln wollen und müssen - braucht es nicht weniger, sondern mehr Arbeitskräfte!

Mit der Einführung der Dampfmaschine sind viele Weber in Zentraleuropa arbeitslos geworden - und doch arbeiten heute mehr Menschen auch in Europa in der Modeindustrie, als dies jemals zuvor der Fall war. Obwohl wir bei der Automatisierung heute deutlich weiter sind, als zu Beginn der industriellen Revolution.

Mag sein, dass wir uns zukünftig selbst die Mode machen KÖNNEN - aber nicht jeder wird das tun wollen. Also werden neue Berufe wie Modeberater, Trendberater etc. etc. in das individuelle Leben eingreifen und maßgeblich mitwirken.

In der Generation meiner Eltern gab es viele Bäcker im Ort, und viele Metzger - heute haben wir nur noch wenige, und die sterben sogar aus, weil maschinelle Produktion normal wird. Aber: Die Mengen an unterschiedlichen Wurst- Fleisch- und Backwaren ist heute deutlich vielfältiger, als dies vor 30 Jahren noch der Fall war. Dafür aber gab es vor 30 Jahren im Ort nur ein Altersheim - heute haben wir drei.

Vor 30 Jahren gab es so gut wie keine Putz-und Reinigungskräfte in Privathaushalten - da war die Frau die Putzkraft, der Mann ging einer Erwerbstätigkeit nach.
Heute haben viele Haushalte Putz- und Reinigungskräfte - und ihre Wäsche geben sie zum Bügeln an Dritte ab.

Arbeiten also weniger? Nein - die Frauen im Haushalt arbeiten AUCH - und weil sie arbeiten, geben sie Tätigkeiten der Haushaltsarbeit an Dritte ab, die auch arbeiten.....

Nein - es gibt nicht weniger Arbeit, sondern MEHR! Was sich verändert, ist dabei die Geschwindigkeit des Wandels!

Mag sein, dass wir bald alle unsere Einkäufe ohne Verkäufer tätigen....dafür aber leisten wir uns dann Einkaufsberater, die uns typgerecht mit möglichst günstigem Preis-leistungsverhältnis versorgen......

Ein gutes Beispiel was Individualismus bedeutet, kann man tatsächlich an der Fernsehindustrie sehen - während noch vor wenigen Jahren Einschaltquoten von vielen Millionen Menschen für das Fernsehen normal waren, sprechen wir heute von einem zersplitterten und individualisierten Markt, der dazu noch von Streaming-Angeboten überlaufen wird. Die Zielgrößen bei Youtube sind oft schon bei wenigen 10.000 Followern.

In Summe wurde in der Vergangenheit beim Fernsehmarkt schon vieles Rationalisiert und Automatisiert - inklusive der STreamingangebote - dennoch haben die Tendenzen in Richtung Individualisierung alle Fortschritte in die Richtung gebracht, dass unterm Strich Jahr für Jahr noch mehr Menschen von Film- und Fernsehen im weitesten Sinne leben - im Extremum bei den Influenzern von Youtube und Co.

Ja - der Arbeitsmarkt verändert sich, und er wird weitere klassische Felder auch ziemlich disruptiv erreichen, aber nein - deshalb wird es nicht weniger, sondern sogar viel mehr Bedarf an menschlicher Arbeit geben, als wir das heute kennen.

Und dennoch oder gerade deshalb brauchen wir die viele Automation und Rationalisierung!

Was es aber braucht - damit der Change erfolgreich gelingt - ist eine Begleitung der Arbeitsmarkttransformation durch die Politik!


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